Kleine Anfrage 709
der Abgeordneten Helmut Seifen und Iris Dworeck-Danielowski AfD
Ein Hobby-Namensforscher veröffentlicht auf seiner privaten, durch Werbeeinnahmen finanzierten Webseite regelmäßig Statistiken der beliebtesten Kindernamen. Diese Statistiken, welche bundesweit die Meldungen von Geburtskliniken auswerten sollen, finden stets großen Anklang in der Presse, wo die Ergebnisse des privaten Namensforschers immer wieder ungeprüft wiedergegeben werden. So auch die Ergebnisse für das Geburtsjahr 2017, in dem nach Bielefelds Aussage die beliebtesten Vornamen in Nordrhein-Westfalen „Mia“ und „Ben“ gewesen seien.
Nicht hinterfragt wird allerdings in der Medienberichterstattung, dass in den Statistiken des Hobby-Namensforschers in den vergangene Jahren k e i n einziger muslimischer Name auch nur unter den Top-20 aufgetaucht ist, und dies trotz eines erheblich angestiegen Anteils an Migranten oder mit Migrationshintergrund (das Statistische Bundesamt meldete für 2017, dass mittlerweile jeder Vierte in Deutschland zu dieser Bevölkerungsgruppe gehöre).
So melden Namensforscher in Großbritannien im Jahr 2017, dass unter Jungen mittlerweile „Muhammad“ zum beliebtesten Vornamen geworden sei.1
Namensforscher in Deutschland hingegen begründen dies zum einen mit der Vielfalt der Herkunftsländer, zum anderen mit dem Trend zur Individualität. Im Detail erklären Forscher damit die Schwierigkeit des Clusterns. Einige Städte in NRW, hierbei insbesondere die Standesämter, pflegen einen transparenten Umgang mit den Vornamenstatistiken. Die Stadt Essen beispielsweise gewährt Zugang zu den Vornamenstatistiken unter der Rubrik „Blick zurück“ bis in das Jahr 2007.
An der aktuellen Namensstatistik der Stadt Essen2 für das Kalenderjahr 2017 lässt sich die Komplexität und das Problem der Validität solcher Statistiken hervorragend erläutern. Als Fallbeispiel dient hierbei der im arabischen, aber auch im türkischen Sprachraum favorisierte und kulturell verankerte Vorname „Mohammed“3. Unter der Spalte „Knaben“ lässt sich dieser Vorname in sieben verschiedenen Schreibweisen identifizieren:
Tabelle 1:
Rangplatz | Vorname | Anzahl |
28 | Mohamed | 19 |
45 | Mohammed | 15 |
51 | Mohammad | 14 |
119 | Mohamad | 7 |
141 | Muhammed | 6 |
181 | Muhammad | 5 |
276 | Muhamed | 3 |
Summe: 69 |
Unter Beachtung der Tabelle 1 ist zu vermuten, dass je nach analytischem Schwerpunkt (Schreibweise/ Phonetik) die amtliche Vornamenstatistik nicht valide ist. Das Clustern der in Tabelle 1 dargestellten Vornamen ist von der Schreibweise her nicht einheitlich. Die verschiedenen Schreibweisen deuten eben unter Umständen auf einen unterschiedlichen Kultur- und Sprachraum hin. Der phonetische Klang bei diesem Vornamen ist im europäischen Sprachraum als einheitlich zu bewerten. In dieser amtlichen Vornamenstatistik wird der männliche Vorname „Alexander“ mit der statistischen Häufigkeit von 58 auf dem Rang 1 aufgeführt. Mit Ausdehnung der statistischen Erhebungsmethodik auf die Phonetik ist eine Platzierung des in der Tabelle 1 dargestellten Vornamens auf dem Rangplatz 1 möglich.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Nennen auch Migranten in Nordrhein-Westfalen ihre Kinder am liebsten „Ben“ oder „Mia“?
- Warum werden in der Öffentlichkeit häufig gesuchte Angaben zu den beliebtesten Vornamen nicht vom Statistischen Landesamt NRW ausgewertet und veröffentlicht?
- In welcher Form würde die Landesregierung in Bezug auf eine amtliche Vornamenstatistik durch das Statistische Landesamt Transparenz gewährleisten? (Geben Sie bitte Auskunft über gebotene objektive statistische Auswertungsverfahren, welche die oben beschriebene Problematik berücksichtigen)
- Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass je nach analytischem Auswertungsverfahren (Phonetik) der Vorname „Mohammed“ den Rangplatz 1 mit der aufgetretenen Häufigkeit von 69 in der amtlichen Statistik der Stadt Essen einnehmen würde?
- Welche Maßnahmen plant die Landesregierung zur zukünftig besseren Erfassung der Vornamenstatistik?
1 https://www.babycentre.co.uk/top-baby-boy-names-2017
2https://media.essen.de/media/wwwessende/aemter/33/standesamt/Vornamenstatistik_Standesamt_E ssen_2017.pdf (08.01.2018; 13:05)
Helmut Seifen
Iris Dworeck-Danielowski
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage 709 wie folgt:
Frage 1
Nennen auch Migranten in Nordrhein-Westfalen ihre Kinder am liebsten „Ben“ oder „Mia“?
Der Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.
Frage 2
Warum werden in der Öffentlichkeit häufig gesuchte Angaben zu den beliebtesten Vornamen nicht vom Statistischen Landesamt NRW ausgewertet und veröffentlicht?
Frage 3
In welcher Form würde die Landesregierung in Bezug auf eine amtliche Vornamenstatistik durch das Statistische Landesamt Transparenz gewährleisten? (Geben Sie bitte Auskunft über gebotene objektive statistische Auswertungsverfahren, welche die oben beschriebene Problematik berücksichtigen)
Frage 4
Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass je nach analytischem Auswertungsverfahren (Phonetik) der Vorname „Mohammed“ den Rangplatz 1 mit der aufgetretenen Häufigkeit von 69 in der amtlichen Statistik der Stadt Essen einnehmen würde?
Die Fragen 2 bis 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet.
Die vom Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW) – Geschäftsbereich Statistik – als amtliche Statistikstelle des Landes Nordrhein-Westfalen geführte Statistik der natürlichen Bevölkerungsbewegungen nach dem Bevölkerungsstatistikgesetz des Bundes, die auch die Geburten umfasst, sieht keine Erfassung des Vornamens vor. Auch aus anderen Statistiken (z.B. dem Mikrozensus) können hierzu keine Informationen gewonnen werden. Die Namenswahl von Eltern für ihre Kinder ist für das Handeln der Landesregierung ohne Relevanz.
Mit Blick auf die Erledigung der der Landesverwaltung obliegenden Aufgaben besteht nach Auffassung der Landesregierung kein Bedürfnis an einer statistischen Erhebung darüber, welche Vornamen Eltern in Nordrhein-Westfalen geborener Kinder im Einzelfall für ihre Kinder ausgewählt haben.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei Vornamen, die vom Standesamt in unterschiedlicher Schreibweise beurkundet wurden, namensrechtlich um unterschiedliche Namen handelt, ungeachtet dessen, ob diese Namen womöglich phonetisch gleich lauten und/oder auf denselben ‚Wortstamm‘ zurückzuführen sind.
Frage 5
Welche Maßnahmen plant die Landesregierung zur zukünftig besseren Erfassung der Vornamenstatistik?
Keine.
Mit freundlichen Grüßen
Herbert Reul