Kleine Anfrage 6420der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky und Christian Loose vom 15.02.2022
Neue Planung in Bezug auf Anti-Rassismus-Meldestellen durch die Integrationsstaatssekretärin
Im Nachgang der verachtenswerten Schändung muslimischer Gräber in Iserlohn1 regte die neue NRW-Integrationsstaatssekretärin, Gonca Türkeli-Dehnert, einen Ausbau der Meldestellen nach dem Vorbild der gerade eingerichteten Meldestelle Antisemitismus an.2
Bezüglich der Grabschändung in Iserlohn laufen die Ermittlungen von Staatsschutz und der Polizei Hagen auf Hochtouren. Umfangreiche Spurensicherungsmaßnahmen am Tatort sowie Zeugenbefragungen im Umfeld sind bereits durchgeführt worden.3 Bisher liegen allerdings keine gesicherten Erkenntnisse zur Identität der Täter sowie zu einem möglichen politischen Hintergrund der Tat vor. Die Staatsanwaltschaft Hagen hat ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Störung der Totenruhe und gemeinschädlicher Sachbeschädigung eingeleitet.4
Trotz dieser Unkenntnis und obwohl der Integrationsminister, Dr. Joachim Stamp, am 19. Januar 2022 im Integrationsausschuss betonte, dass sich eine Vermischung verbiete, brachte die Landesregierung die Grabschändung in Iserlohn in einem Bericht indirekt mit der Einrichtung des neunen Meldestellensystems in Verbindung.5
Bei den neu einzurichtenden Meldestellen soll es sich – nach Aussage der NRW-Integrationsstaatssekretärin – um Meldestellen für anti-muslimischen Rassismus, für Antiziganismus, anti-schwarzen und anti-asiatischen Rassismus sowie für Queer-Feindlichkeit handeln.
Diese Meldestellen sollen in Gemeinden und Vereinen angesiedelt werden. Nach Ansicht der NRW-Integrationsstaatssekretärin sei davon auszugehen, dass in den Statistiken über politisch motivierte Kriminalität insgesamt viele islamfeindliche Straftaten nicht erfasst werden. Im Haushaltsplan 2022 war – anders als in der Ankündigung der Integrationsstaatssekretärin – dagegen noch von Meldestellen für antisemitische, antiziganistische, muslimfeindliche und rassistische Vorfälle die Rede.6
Bei der Fülle der unterschiedlichen geplanten Meldestellen stellt sich die Frage, ob es hier nicht zu Doppelstrukturen bereits bestehender Anti-Diskriminierungsstellen und einer immer weiteren Umgehung der offiziellen Sicherheitsorgane in NRW kommt. Selbst bei der Fülle der unterschiedlichen Meldestellen werden übrigens noch nicht alle Gruppen bzw. Religionsgemeinschaften erfasst. Völlig außer Acht gelassen werden erneut insbesondere Christen. Zudem kann es bei der durch die Integrationsstaatssekretärin vorgenommenen Unterteilung zu „Mehrfachnennungen“ kommen also z.B. muslimisch und gleichzeitig schwarz oder asiatisch. Hier würde es zu Problemen mit der Zuständigkeit und ggf. zur Notwendigkeit einer koordinierenden Stelle kommen.
Bei „anti-asiatischem Rassismus“ handelt es sich nicht nur um eine neue Wortschöpfung der Integrationsstaatssekretärin, es ergeben sich auch Probleme einer geographischen und staatlichen Einordnung, da sich Asien vom Bosporus bis zur Beringstraße bzw. Indonesien erstreckt, unterteilt in Nordasien, Zentralasien, Vorderasien, Südasien, Ostasien und Südostasien. In diesem geografischen Raum gibt es wiederum zahlreiche unterschiedliche dominierende Religionsgemeinschaften.
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Welche Beweggründe führten zu einer Abweichung von der ursprünglichen, im Haushaltsplan 2022 skizzierten Planung, im Rahmen der Einteilung der neuen Meldestellen?
- Wie definiert die Landesregierung auf Basis der geschilderten geografischen Ausdehnung Asiens und der unterschiedlichen religiösen Gruppen auf dem asiatischen Kontinent „anti-asiatischen Rassismus“?
- Wie sollen Betroffene zukünftig vorgehen, wenn – wie oben geschildert – bedingt durch die Fülle der Meldestellen, mehrere Meldestellen in Betracht kommen?
- In welchem Umfang plant die Landesregierung, sich zukünftig für die Bekämpfung von christenfeindlichem Rassismus einzusetzen, beispielsweise auch durch die Einrichtung einer speziellen weiteren Meldestelle?
- Mit welchen Maßnahmen wird sich die Landesregierung bei der geplanten Meldestelle zur Bekämpfung des „anti-schwarzer-Rassismus“ von der in Teilen antisemitisch beeinflussten Black-Live-Matter-Bewegung7 abgrenzen?
Gabriele Walger-Demolsky
Christian Loose
4 Vgl. Lt.-Vorlage 17/6329
5 Vgl. Lt.-Vorlage 17/6329
6 Vgl. Haushaltsplan NRW 2022; Kapitel 07 080; Titelgruppe 68; Unterpunkt 15
Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 6420 mit Schreiben vom 15. März 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen und dem Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Anlässlich des Beitritts Nordrhein-Westfalens zur bundesweiten Koalition gegen Diskriminierung im September 2019 hat sich das Land verpflichtet, seine Maßnahmen gegen Diskriminierung und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit auszuweiten. Um dieser Verpflichtung nachzukommen, entwickelte das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration (MKFFI) Pläne zur Einführung eines koordinierten Systems thematisch eigenständiger Meldestellen für verschiedene Diskriminierungsphänomene und Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Dabei geht es zunächst um die Bereiche Antisemitismus, Antiziganismus, antimuslimischer Rassismus, anti-Schwarzer-, antiasiatischer und weitere Formen von Rassismus sowie Queerfeindlichkeit.
- Welche Beweggründe führten zu einer Abweichung von der ursprünglichen, im Haushaltsplan 2022 skizzierten Planung, im Rahmen der Einteilung der neuen Meldestellen?
Es sind keine Abweichungen zu den im Haushaltsplan 2022 skizzierten Planungen erfolgt. Im Rahmen des Aufrufs zur Interessenbekundung wurden die phänomenspezifischen Formen von Rassismus lediglich präzisiert.
Daneben soll ebenfalls eine Meldestelle zur Queerfeindlichkeit aufgebaut werden, da das Politikfeld ebenfalls im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration ressortiert ist.
2. Wie definiert die Landesregierung auf Basis der geschilderten geografischen Ausdehnung Asiens und der unterschiedlichen religiösen Gruppen auf dem asiatischen Kontinent „anti-asiatischen Rassismus“?
Die Beantwortung der Frage, welche Definition von antiasiatischem Rassismus sich am besten eignet, den antiasiatischen Gehalt einer Handlung in der Praxis zu identifizieren und einzuordnen, ist eine der Aufgaben im Rahmen der einjährigen Aufbauarbeiten. Grundsätzlich nimmt der Begriff „asiatisch“ in diesem Kontext auf eine Fremdzuschreibung Bezug. Eingeschlossen sind außerdem alle Menschen, die sich selbst z.B. als „asiatisch“, „asiatische Deutsche“ oder „asiatisch-diasporisch“ bezeichnen.
- Wie sollen Betroffene zukünftig vorgehen, wenn – wie oben geschildert – bedingt
durch die Fülle der Meldestellen, mehrere Meldestellen in Betracht kommen?
Für die genannten Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ist nur je eine NRW-weit ausgerichtete Meldestelle geplant. Im Fall einer Mehrfachdiskriminierung, wenn also z.B. eine schwarze Frau mit Kopftuch Diskriminierung erlebt, hat die betroffene Person die Wahl, an welche Meldestelle sie sich wendet. Die Abstimmung über den Umgang mit merkmalsübergreifender Diskriminierung zwischen den Meldestellen ist ein zentraler Bestandteil der Aufbauarbeiten.
- In welchem Umfang plant die Landesregierung, sich zukünftig für die Bekämpfung von christenfeindlichem Rassismus einzusetzen, beispielsweise auch durch die Einrichtung einer speziellen weiteren Meldestelle?
Eine der Meldestellen soll sich mit „weiteren Formen von Rassismus“ beschäftigen. Eine Übersicht, welche phänomenspezifischen Formen in Nordrhein-Westfalen dabei verbreitet sind, soll im Rahmen der Aufbauarbeiten ausgearbeitet werden.
- Mit welchen Maßnahmen wird sich die Landesregierung bei der geplanten Meldestelle zur Bekämpfung des „anti-schwarzer-Rassismus“ von der in Teilen antisemitisch beeinflussten Black-Live-Matter-Bewegung abgrenzen?
Die geplante Meldestelle zu anti-Schwarzem-Rassismus ist eine von der Black-Lives-Matter-Bewegung unabhängige Einrichtung. Ihr Ziel ist es, Vorfälle zu anti-Schwarzem-Rassismus zu erfassen, zu verifizieren, zu analysieren und zu dokumentieren.