Kleine Anfrage 3637
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias, AfD
Neue Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) in Werl – „Hier gehen die Seelen kaputt – und die verdienen sich eine goldene Nase.“
Mit Einführung des umstrittenen 6-Punkte-Plans zur Stabilisierung des Landesaufnahmesystems für Asylsuchende wurde auch ein erweitertes Kommunikationskonzept zur frühzeitigen Einbindung der Kommunen sowie der Anwohner vor Ort vereinbart.1
Wie die Erfahrung der letzten Wochen zeigt, kann von einer frühzeitigen Einbindung der Anwohner allerdings keine Rede sein. Stattdessen werden die Anwohner wiederholt vor vollendete Tatsachen gestellt. Einen Bürgerdialog gibt es in der Regel erst dann, wenn die Verträge unterschreiben sind und es nicht mehr um das Ob geht, sondern nur noch um die nachrichtliche Information der Bürger über die gefassten Beschlüsse.
Dieses Vorgehen sorgt zu Recht für Wut und Misstrauen bei Anliegern, zuletzt in einem besonders eklatanten Fall in Werl.2
In einer Pressemeldung heißt es: „Die Anwohner dort sind stinksauer darüber, dass über ihre Köpfe hinweg Fakten geschaffen worden sind. Die Wut richtet sich gegen das Land und die Stadt, aber auch gegen die Hotelbesitzer.“ Diesem wird unterstellt sich eine „goldene Nase“ verdienen zu wollen. Vor den Augen der Anwohner wird derzeit ein ehemaliges Hotel ausgeräumt und für die Nutzung als ZUE vorbereitet.
Das angrenzende Quartier besteht aus rund 90 Einfamilienhäusern. Die Anwohner haben sich mit ihren Sorgen an die Bezirksregierung und die Stadt gewandt.
Darin heißt es: „Wir sind mehr als besorgt und wollen uns ganz klar gegen diese Maßnahme aussprechen.“ Man sei sich der politischen Situation in Fragen der Flüchtlingshilfe bewusst, „und es ist richtig und wichtig, entsprechende Hilfe zu leisten. Dafür dürfen jedoch die auf das Wohl und das friedliche Zusammenleben gerichteten Lebensumstände der eigenen Bürger nicht geopfert werden.“
Die zahlreichen Vorfälle rund um die 3 weiteren Landeseinrichtungen im Kreis Soest rechtfertigen diese Sorgen.3
Vor diesem Hintergrund machen die Anwohner deutlich: „Wir sind keinesfalls bereit, solche Risiken für unsere friedliche Gemeinschaft einzugehen und diese hinzunehmen. Wir sind verpflichtet, unsere Kinder zu schützen und unsere gesellschaftlichen Werte zu wahren“. Es sei „nicht vertretbar, eine Flüchtlingsunterkunft mitten in einem familiären Wohngebiet einzurichten“.4
Wie aus der Pressemeldung weiterhin hervorgeht, gehen die Anwohner nicht davon aus, dass sie die ZUE noch verhindern können. Gleichzeitig machen sie deutlich, dass sie gehört werden wollen. Das frustrierte Fazit der Anwohner lautet: „Unsere Ruhe zählt nicht, unsere Meinung interessiert nicht.“ Ein Anwohner formulierte es noch drastischer: „Hier gehen die Seelen kaputt – und die verdienen sich eine goldene Nase.“ 5
Die Umbaumaßnahmen sind scheinbar bereits in vollem Gange. Die Hotelschilder sind bereits abgeschraubt. In großen Containern hinter dem Haus befinden sich die Möbel des nun ehemaligen Hotels Melstergarten. Auf Verärgerung stößt auch der Umstand, dass die ehemaligen Möbel verschrottet und nicht einer Nachnutzung zugeführt werden. Von Seiten der Anwohner wird zudem der Vorwurf erhoben, dass das Projekt lange bekannt war, aber unter Verschluss gehalten wurde, „damit es hier nicht so ein Theater gibt wie in Oeventrop“. Dort konnte der Bürgerprotest die Planungen zu einer ZUE im Ort stoppen.6
Ich frage daher die Landesregierung:
- Wann wurde erstmals der Kontakt zwischen dem Hotelbetreiber und der Bezirksregierung sowie dem Bürgermeister der Stadt Werl aufgenommen?
- Von wem ging die Kontaktaufnahme dabei aus?
- In welchem Zeitraum wurde über das Projekt zwischen den Vertragsparteien verhandelt und abschließend der Vertrag mit Hotelbesitzer abgeschlossen? (Bitte den zeitlichen Ablauf bis zum Vertragsabschluss schildern und dabei alle beteiligten Parteien benennen)
- Welche Kosten entstehen voraussichtlich im Zusammenhang mit der Entrümplung und dem Umbau der Immobilie hin zur einer Zentralen Unterbringungseinrichtung? (Bitte in diesem Zusammenhang auch angeben, wer die Kosten der einzelnen Maßnahmen trägt.)
- Warum wurden die betroffenen Anwohner trotz berechtigter Ängste und Sorgen nicht vor dem Vertragsabschluss angemessen im Rahmen eines Bürgerdialogs unterrichtet?
Enxhi Seli-Zacharias
1 Vgl. https://www.mkjfgfi.nrw/sechs-punkte-plan-zur-stabilisierung-des-landesaufnahmesystems
3 Vgl. https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD18-7287.pdf
5 Ebd.
6 Ebd.
Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 3637 mit Schreiben vom 15. Mai 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung beantwortet.
- Wann wurde erstmals der Kontakt zwischen dem Hotelbetreiber und der Bezirksregierung sowie dem Bürgermeister der Stadt Werl aufgenommen?
Der erste Kontakt erfolgte im März 2023 bei einer ersten Besichtigung des Hotels. Erste interne Gespräche zwischen Bezirksregierung und Stadt fanden am 13.09.2023 statt.
- Von wem ging die Kontaktaufnahme dabei aus?
Die Kontaktaufnahme ging von der Bezirksregierung aus. - In welchem Zeitraum wurde über das Projekt zwischen den Vertragsparteien verhandelt und abschließend der Vertrag mit Hotelbesitzer abgeschlossen? (Bitte den zeitlichen Ablauf bis zum Vertragsabschluss schildern und dabei alle beteiligten Parteien benennen)
Am 02.10.2023 erfolgte erstmals eine Anmietungszusage durch die Bezirksregierung Arnsberg. Der Mietvertragsabschluss erfolgte am 12.03.2024 mit Wirkung zum 25.03.2024.
- Welche Kosten entstehen voraussichtlich im Zusammenhang mit der Entrümplung und dem Umbau der Immobilie hin zur einer Zentralen Unterbringungseinrichtung? (Bitte in diesem Zusammenhang auch angeben, wer die Kosten der einzelnen Maßnahmen trägt.)
Die Kosten für die Herrichtung der Unterkunft trägt die Vermieterin.
- Warum wurden die betroffenen Anwohner trotz berechtigter Ängste und Sorgen nicht vor dem Vertragsabschluss angemessen im Rahmen eines Bürgerdialogs unterrichtet?
Der 6-Punkte-Plan der Landesregierung sieht eine Einbindung der Anwohnenden u. a. durch Informationsveranstaltungen vor. Eine solche Informationsveranstaltung wurde am 22.03.2024 durchgeführt. Die weitere Beteiligung der Anwohnenden erfolgt über die entsprechend gewählten Gremien der Stadt, welche auch die betroffenen Bürgerinnen und Bürger vertreten.