Nicht GEZahlt, schon GEZwungen! – Unverhältnismäßige Vollstreckungen bei ausstehenden Rundfunkbeiträgen

Antrag
vom 20.04.2021

Antragder AfD-Fraktion vom 20.04.2021

 

Nicht GEZahlt, schon GEZwungen! Unverhältnismäßige Vollstreckungen bei ausstehenden Rundfunkbeiträgen

I. Ausgangslage

In seiner jetzigen Form dient der Rundfunkbeitrag seit dem Jahre 2013 als Finanzierungsmodell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Gesetzliche Grundlage für die Erhebung des Beitrags ist der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, welcher von allen 16 Landesparlamenten ratifiziert wurde.1

Im Unterschied zur früheren Rundfunkgebühr, bei der die tatsächliche Möglichkeit der Inanspruchnahme des Rundfunks abgegolten wurde, knüpft der Rundfunkbeitrag nun an eine lediglich theoretische Möglichkeit der Inanspruchnahme der Rundfunkleistungen an. Dieser Beitrag wird nicht frei festgesetzt, sondern unterliegt einem formellen Verfahren der Festsetzung, welches vom Bundesverfassungsgericht maßgeblich geprägt wurde.2 Somit ist jeder Inhaber oder jede Inhabergemeinschaft einer Wohnung verpflichtet, diesen Beitrag zu leisten, völlig unabhängig von der konkreten Anzahl der Rundfunkempfangsgeräte, die sich im jeweiligen Einzelfall durchaus auf Null belaufen kann.

Die Verwaltung der Rundfunkbeiträge übernimmt der „ARD ZDF Deutschlandradio Beitrags-service“. Dieser ging aus der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) hervor, die bis zum 31. Dezember 2012 bestand.

  • Diese Zahlung hat unabhängig von der tatsächlichen Nutzung der angebotenen Leistungen zu erfolgen.
  • Ausstehende Beiträge führen zu einem Zahlungsrückstand der Schuldner des Rundfunkbeitrags.

Es besteht keine Verpflichtung, säumigen Schuldnern eine gesonderte Zahlungserinnerung zukommen zu lassen. Der Beitragsservice kann ohne vorherige Zahlungserinnerung einen Festsetzungsbescheid über die geschuldeten Rundfunkbeiträge und über entsprechende Säumniszuschläge erlassen. Dieser stellt die Grundlage für eine etwaige Zwangsvollstreckung dar.3

Diese Vollstreckung wiederum obliegt den Ländern, Kreisen oder Gemeinden. Hierbei kommen alle gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen der Vollstreckung zum Tragen; so können einerseits Geld-, Lohn- und Gehaltspfändungen vorgenommen werden, andererseits auch Pfändungen von beweglichen Sachen, Sozialleistungen oder Kontoguthaben.4

Bei Pfändungen auf Grund von Geldforderungen kann eine Abgabe der Vermögensauskunft des Schuldners verlangt werden. Dies kann zu Erzwingungshaft führen, sollte die Vermögensauskunft verweigert werden.

In einigen Fällen wurden in der Folge Personen inhaftiert, die weder über ein Radio noch über einen Fernseher und auch nicht über einen Internetzugang verfügten. Deshalb konnten sie die Leistungen des Rundfunks aus praktischen Gründen nicht konsumieren. Ein Beispiel dafür ist Herr Max M. (Name geändert), der aktuell in der JVA Münster inhaftiert ist.

Fest steht, dass die Inhaftierung eines Menschen einen schwerwiegenden Eingriff in Art. 2 des Grundgesetzes darstellt; sie ist im Rahmen der staatlichen Zwangsmittel ultima ratio.

Die zivilrechtliche Durchsetzung von Ansprüchen (Rechtswahrungsinteresse von Personen) ist grundsätzlich von staatlichem Zwang, etwa im Rahmen des Strafrechts (Strafanspruch des Staats), zu unterscheiden. Der wichtigste Unterschied liegt darin, dass die Erzwingungs-haft als Beugemittel im Rahmen der Durchsetzung wiederholend angeordnet werden kann, theoretisch so oft, bis das beabsichtigte Tun, Dulden oder Unterlassen des Schuldners er­reicht worden ist. Eine Strafe ist dagegen nach Beendigung der Strafmaßnahme abgegolten.

Straftaten sind rechtswidrige Taten, deren tatbestandliche Verwirklichung eine Freiheitsstrafe nach sich ziehen kann. So macht sich z.B. gem. § 265a StGB strafbar, wer die Leistung eines Automaten oder eines öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationsnetzes, die Beförderung durch ein Verkehrsmittel oder den Zutritt zu einer Veranstaltung oder einer Einrichtung in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten.

Damit ist die aktive und willentliche Nutzung bestimmter staatlicher Angebote verboten, wenn für sie nicht bezahlt wird. Eine Strafbarkeit durch Unterlassen ist in einem solchen Fall schlechthin unmöglich. Der Täter muss aktiv werden, um die Tat auszuführen und die Strafe zu erwirken. Entgegen dieser gesetzlich vorgesehenen Sanktionierung setzte sich NRW-Justizminister Biesenbach persönlich für eine Entkriminalisierung eben dieses Tatbestandes ein. Seinen Vorschlag begründeter er mit der Belegungssituation der Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen.5

Das aktive Tun im Rahmen der Leistungserschleichung soll demnach entkriminalisiert werden. Bewusstes Handeln mit dem Ziel des vorsätzlichen Verursachens eines Schadens setzt in der Regel eine nicht unbeträchtliche kriminelle Energie voraus. Grundsätzlich anders gelagert ist aber die Nichtinanspruchnahme öffentlich-rechtlicher Leistungen. Diese stellen regelmäßig Angebote dar, deren Nichtannahme nicht mit einer Freiheitsstrafe bedroht ist. Wenn ein Bürger ein öffentlich-rechtliches Angebot nicht annehmen will, so muss er dafür grundsätzlich nicht zahlen.

Dieser Grundsatz wird de facto durch die antiquierte „Rundfunkabgabe“ durchbrochen. Der Bürger soll für etwas zahlen, auch wenn er es nicht in Anspruch nehmen möchte bzw. mangels Empfangsmöglichkeiten nicht einmal in Anspruch nehmen kann. Trotzdem soll er zahlen und wird in letzter Konsequenz inhaftiert.

Vor dem Hintergrund knapper Kassen, im Hinblick auf die aktuelle Belegungssituation in der Coronalage und angesichts der Selbstverständlichkeit, dass dem Strafvollzug und der zwangshaftweisen Durchsetzung privatrechtlicher Forderungen der Bürger der Vorrang ein­zuräumen ist, ist die Inhaftierung von Bürgern, die die Rundfunkabgabe aus logischen und nachvollziehbaren Gründen nicht bezahlen wollen, nicht vertretbar.

Selbst der Beitragsservice gibt an, dass im Jahre 2019 über 90 Prozent der Beitragskonten ausgeglichen waren und dass die Anzahl der Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber dem Vorjahr um 6,2 Prozent gesunken ist.6 Ferner erklärte der WDR als Gläubiger der Abgabe durch sein Social-Media-Team, dass „eine Erzwingungshaft im Zusammenhang mit dem Rundfunkbeitrag in der Regel nicht verhältnismäßig“ ist.7

II. Der Landtag stellt daher fest:

Die Vollstreckung einer Erzwingungshaft im Rahmen der Nichtzahlung von Rundfunk­beiträgen ist unverhältnismäßig.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

darauf hinzuwirken, dass im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag und den damit zusammenhängenden Gesetzen zukünftig die Erzwingungshaft für Beitragsschuldner ausgeschlossen wird.

Thomas Röckemann
Sven Tritschler
Markus Wagner
Andreas Keith

und Fraktion

 

Antrag als PDF

 

1 https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?anw_nr=2&gld_nr=2&ugl_nr=2251&bes_id=12784&aufgehob  en=N&menu=1&sg=0 (abgerufen am 09.03.2021).

2 https://edoc.hu-berlin.de/bitstream/handle/18452/6074/287.pdf?sequence=1&isAllowed=y  (abgerufen am 09.03.2021).

3 https://www.rundfunkbeitrag.de/zahlung/index_ger.html (abgerufen am 09.03.2021).

4 https://www.rundfunkbeitrag.de/buergerinnen_und_buerger/informationen/zahlung/index_ger.html (abgerufen am 09.03.2021).

5 https://www.deutschlandfunkkultur.de/nrw-justizminister-peter-biesenbach-menschen-nicht-fuers.1008.de.html?dram:article_id=459251 (abgerufen am 09.03.2021).

6 https://www.rundfunkbeitrag.de/der_rundfunkbeitrag/beitragsservice/fragen_und_antworten_zum_jahr esbericht_2019/index_ger.html (abgerufen am 09.03.2021).

7 https://de.wikinews.org/wiki/Rundfunkbeitrags-

Verweigerer_verhaftet_%E2%80%93_im _Hungerstreik (abgerufen am 09.03.2021).