Antrag
der Fraktion der AfD
Nordrhein-Westfalen braucht einen Lehrstuhl für Schwimmbadarchitektur unter besonderer Berücksichtigung von Planung und Innovation kommunaler Bedarfe
I. Ausgangslage
Untersuchungen des Beratungsunternehmens 2hm, die im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie erhoben worden sind, haben gezeigt, dass Schwimmen auch noch im Jahr 2030 zu den am häufigsten betriebenen Sportarten zählen wird. Gleichzeitig wird konstatiert, dass der dafür notwendige Bedarf an Wasserflächen selbst im Falle einer rückläufigen demographischen Entwicklung weitestgehend unverändert bleibe.1 Unter allen kommunalen Sportstätten sind Bäder und Sporthallen bundesweit aber die mit Abstand kostenintensivsten Einrichtungen hinsichtlich der für ihren Bau, Betrieb und Modernisierung benötigten Mittel.2 Betrachtet man den Lebenszyklus eines Bades, so entstehen 75 Prozent der Kosten allein während der Betriebsphase und werden überwiegend für Personal, Energie und Instandhaltung aufgebracht.3 Finanzschwache Kommunen können sogar stärker von steigenden Ausgaben betroffen sein, weil Investitionsprojekte oftmals an der Erbringung des Eigenanteils scheitern, was wiederum die Instandhaltungskosten in Folge ausbleibender Modernisierungsmaßnahmen (z. B. bei der Wärmedämmung etc.) erhöht. Dies wird gerade in Zeiten explodierender Energiepreise zu einer ernstzunehmenden Herausforderung: Hallenbadbetreiber sind infolge steigender Energiepreise dazu gezwungen, die Wassertemperatur abzusenken und ihre Öffnungszeiten zu reduzieren. Das gefährdet wiederum die Erfüllung der Sportlehrpläne und damit auch die Erlangung der Schwimmfähigkeit.4 Fest steht: Schwimmbäder sind ein Zuschussgeschäft. Die Finanzierung des Bäderbetriebs über den gesamten Lebenszyklus wird eine Daueraufgabe für das Land Nordrhein-Westfalen und seine Kommunen bleiben, vor allem angesichts des notwendigen Erhalts der Wasserflächen.
Der Betrieb von Bädern wird jedoch insbesondere für strukturschwache Regionen zunehmend zum Problem. So hat sich die Anzahl derjenigen Bäder in NRW, die sich sowohl für Schwimmsport als auch für Schwimmunterricht eignen, um 43 Prozent reduziert.5 Die Schließung ortsnaher Bäder erschwert jedoch das Schulschwimmen, weil sich Anfahrtszeiten und Auslastung der ohnehin schon begrenzten Wasserflächen weiterhin erhöhen. Das gefährdet wiederum die kommunale Pflichtaufgabe zur Sicherstellung des Sportunterrichts mit dem Erreichen der Schwimmfähigkeit zur Prävention des Ertrinkens. Auch schwimmausbildenden Vereinen entzieht das Bädersterben die Existenzgrundlage; so manche Gliederung der DLRG musste sich bereits auflösen.6 Das hat fatale Folgen, denn deutschlandweit fehlen heute mindestens 2.500 Rettungsschwimmer, so der Bundesverband Deutscher Schwimmmeister.7 Dass diese Entwicklung noch lange nicht ihren Höhepunkt erreicht hat, wird u. a. dadurch deutlich, dass 17 Prozent der Kommunen schon im Jahr 2021 beabsichtigt hatten, ihre Bäder entweder zu schließen bzw. den Betrieb einzuschränken, während 13 Prozent u. a. die Eintrittspreise für Schwimmbäder erhöhen mussten.8 Mit dem Verlust kommunaler Schwimmbäder gehen den Städten und Gemeinden jedoch sogenannte „weiche“ Standortfaktoren verloren, da sie für die Lebensqualität der Menschen immens wichtig sind. Bäder sind Kulturgut und leisten einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zum Erhalt der Volksgesundheit. 97 Prozent der Schwimmer sind vereinslos; davon betreiben 37 Prozent den Sport regelmäßig und beugen damit Rücken- und Gelenkschmerzen vor, stärken ihr Herz-Kreislaufsystem sowie die Atemmuskulatur und senken damit nachweislich ihr Mortalitätsrisiko.9
Um angesichts des beschriebenen Rückgangs verfügbarer Bäder und der damit einhergehenden Auslastung der Wasserflächen keine Nachteile beim Schwimmsport und Schwimmunterricht in Kauf nehmen zu müssen, wäre die weitere Optimierung des öffentlichen Wasserflä-chenmanagements vonnöten. Dazu bedarf es jedoch Analysen zu Machbarkeiten, potentiellen neuen Standorten und vor allem zum Bedarf. Dieser ist zunächst auf wissenschaftlicher Grundlage zu ermitteln, damit Raumprogramme aufgestellt und umgesetzt werden können. Folgerichtig wäre es daher, Experten aus Wissenschaft und Forschung vermehrt in diesen Prozess einzubinden. Die wirtschaftliche wie soziale Bedeutung der Bäder ist enorm und ihr Erhalt kommt zukünftig kaum ohne wissenschaftliche Unterstützung aus. Umso mehr verwundert es, dass in Deutschland kein Studiengang im Fachbereich Sportstättenbau bzw. Sport-stättenplanung angeboten wird. Auch einen Lehrstuhl für Schwimmbäderbetrieb und Schwimmbäderplanung gibt es nicht. Eine Vielzahl von Studiengängen betrachtet zwar die spezifischen Belange des Schwimmbäderbaus mit, befasst sich aber nicht hauptsächlich damit. Die Anforderungen, die an die Planung, den Bau und Betrieb von Schwimmbädern gestellt werden, sind aber sehr hoch und umfassen Fachgebiete wie Bauwesen, Isolierung, Lüftung, Statik, Architektur und Management. Hier besteht konkreter Nachholbedarf, da es einerseits keine Zusammenfassung der entsprechenden Lehre und Forschung institutioneller Art gibt, andererseits es aber genau an diesem quasi „wissenschaftlichem Bäderwesen aus einer Hand“ fehlt.
Fachplaner, die in den Bereichen Schwimmbäderbau und Schwimmbäderbetrieb versiert sind, können beispielsweise den jeweiligen Bedarf ermitteln, um diesen dann in eine fach- und regelgerechte Planung umzusetzen. Das ist insofern relevant, da die Neuausrichtung vorhandener Schwimmbäder zukünftig eine immer größere Rolle spielen wird. So prognostiziert der Koordinierungskreis Bäder in seinen „Richtlinien für den Bäderbau“, dass Bäder künftig verstärkt von älteren und alten Menschen besucht werden.10 Den besonderen Bedürfnissen dieser Zielgruppe ist durch entsprechende Planung Rechnung zu tragen, so etwa durch Beschilderungen, breite Stellplätze bzw. die Anbindung an den ÖPNV und verständliche Grundrisse. Auf Basis wissenschaftlicher Grundlagen lassen sich Defizite der Verteilung und Verfügbarkeit von Bädern im kommunalen und interkommunalen Raum sowie ihre Ausrichtung bzw. Zielgruppenorientierung lösen und Vorgaben für energie- und kosteneffiziente Bau- und Betriebskonzepte entwickeln. Diese Vorgaben können beispielsweise durch Forschungsprojekte entwickelt werden, die den kommunalen Trägern anschließend als Hilfsmittel und Entscheidungsgrundlage dienen. Ein bedarfsgerechter wie betriebswirtschaftlich optimierter Schwimm-bäderbetrieb kommt langfristig nicht ohne eine interdisziplinär angelegte Schwimmbäderpla-nung aus.
Der dringende Bedarf an Fachpersonal im Bereich des Schwimmbäderbaus und der Schwimmbäderplanung ist von den Sachverständigen während einer Anhörung im Sportausschuss am 14. September 2021 mehrfach angesprochen worden. Nach derzeitigem Stand ist nicht davon auszugehen, dass er in den kommenden Jahren abreißen wird. Im Gegenteil, die Flutkatastrophe vom Juli 2021 hat unzähligen Sportanlagen in Nordrhein-Westfalen verheerende Schäden zugefügt. Darunter waren mehrere Frei- und Hallenbäder, die einen Totalschaden aufwiesen.11 Zu ihnen gehört z. B. das Schwimmbad an der Jahnstraße in Eschweiler, dessen Zukunft aufgrund der Hochwasserschäden weiterhin ungeklärt bleibt – die Technik, darunter die Lüftungsanlage, befand sich ausgerechnet im Souterrain der Schwimmanlage und wurde vollständig zerstört.12 Ein Wiederaufbau an derselben Stelle wäre im Falle einer erneuten Überschwemmung risikobehaftet. Nach derzeitigem Stand könne die Stadtverwaltung jedoch keine Angaben dazu machen, ob das Hallenbad an einem anderen, weniger gefährdeten Ort aufgebaut wird.13 Eine Aufgabe der Bäderplanung der Zukunft muss daher sein, Bäder auch für Wetterextreme wie Hochwasser zu wappnen und sichere Räume für die Technik bereitzustellen. Die Forderung der Verbände nach einem entsprechenden Lehrstuhl darf nicht länger verhallen! So hat die aktuelle Energiekrise die Bäderallianz Deutschland dazu veranlasst, ein Positionspapier an die Bundesminister zu verfassen, in dem es u. a. heißt: „Es bedarf wissenschaftlicher Grundlagen, um die Bäder in eine gute Zukunft zu führen. Derzeit gibt es keinen Lehrstuhl für Sport- oder Bäderarchitektur oder deren Betrieb.“14
II. Der Landtag stellt fest:
- Die für die Bevölkerung zum Zwecke des Schwimmsports und Schwimmunterrichts notwendige Wasserfläche wird auch in den kommenden Jahrzehnten nicht abnehmen. Den Bäderbetrieb dauerhaft zu finanzieren, wird vor allem für finanzschwache Kommunen eine Schwierigkeit darstellen. Eine Optimierung des Betriebs sowie der Planung kann hier Abhilfe schaffen.
- Die Reduzierung verfügbarer Wasserflächen stellt angesichts des gesundheitlichen Nutzens des Schwimmsports sowie der Notwendigkeit des Schwimmen-Lernens dauerhaft ein Problem dar.
- Zum Zwecke der Verbesserung des öffentlichen Wasserflächenmanagements ist die Unterstützung aus Wissenschaft und Forschung unerlässlich. Besonderer Bedarf besteht hinsichtlich der Bedarfsermittlung, auch Machbarkeitsstudien sind notwendig.
- Um die Planung, den Bau und Betrieb von Bädern zukunftssicher zu gestalten, die involvierten Fachrichtungen zu verzahnen und Sanierungen zum Zwecke der notwendigen Neuausrichtung zu erleichtern, ist die Einrichtung eines Lehrstuhls für Bäderbetrieb und Bäderplanung unerlässlich. Bislang existieren weder Lehrstühle noch Institute, die sich explizit mit Bäderbetrieb und Bäderplanung beschäftigen.
III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
- zu prüfen, ob und wie unter Berücksichtigung der Hochschulautonomie ein Lehrstuhl für Schwimmbäderbetrieb und Schwimmbäderplanung an einer nordrhein-westfälischen Fachhochschule oder Universität eingerichtet und eine entsprechende Forschung aufgebaut werden kann;
- den Finanzierungsbedarf für den Aufbau eines solchen Lehrstuhls zu ermitteln;
- weitere Fakultäten oder Institute durch die Ausschreibung von Forschungsprojekten gezielt zur Zusammenarbeit mit dem o. g. Lehrstuhl zu motivieren, damit Kooperationsnetzwerke geschaffen werden können.
Andreas Keith
Dr. Hartmut Beucker
Prof. Dr. Daniel Zerbin
Dr. Martin Vincentz
und Fraktion
1 Vgl. 2hm (2012): Wirtschaftsfaktor Sport in Deutschland. Die wirtschaftliche Bedeutung des Sport-stättenbaus und ihr Anteil an einem zukünftigen Sportsatellitenkonto. Erstellt im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi).
2 Htt ps:// www. bmwi. de/ Redaktion/ DE/ Publikationen/ Wirtschaft/sportwirtschaft-fakten-und-zah-len.pdf?__blob=publicationFile&v=12
3 Siehe dazu die Stellungnahme 17/4262 der Bäderallianz Deutschland: http://intranet.land-tag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMST17-4262.pdf
4 Htt ps:// rp- online. de/ nrw/ staedte/ mettmann/ mettmann-w ird- schwimmen- zum-luxussports_aid-75971837
5 Htt ps:// www. ksta. de/ region / 43- prozent-weniger-baeder-152-000-schueler-in-nrw-koennen-nicht-schwimmen-39756174?backlink
6 Dolz, Christopher: Zukunft der Schwimmbäder, in: KOPO. 72 (2020) Nr. 3, S. 40-42.
7 Ht tps:// swim. de/ aktuell/ 2-500- bademeister-fehlen-in-deutschland/
8 Ernst & Young Kommunenstudie 2020/21: ht tps:// assets.ey. com/ content/ dam/ey-sites/ey-com/de_de/news/2021/01/ey-kommunenstudie-2020-2021. pdf
9 Hat tps:// www. Nationalgeographic .de/ wissenschaft/2021/07/wie-gesund-ist-schwimmen
10 Koordinierungskreis Bäder: Richtlinien für den Bäderbau, Essen u. a., 5. Aufl., 2013, S. 33.
11 Vorlage 17/5725.
12 Htt ps:// www. aachener- nachrichten. De / lokales / eschweiler /zehn-millionen-euro-schaden-und-keine-per-spektive-fuer-die-zuk unft_aid-61852173
13 Htt ps:// www. filmpost. De /a ktuell/a rchiv/2022/s chwimmbad-am-alten-oder-neuen-standort.html
14 Hat tps:/ /www. baederallianz. de/fi leadmin/ user_up load/Posi tionspapier_ der_ Baederallianz_zum_moegli-chen_Energie-Lockdown. pdf