Notstand der Bauern – Bundesweite Bauernproteste gegen die Agrarpläne der Bundes­regierung

Antrag
vom 05.11.2019

Antragder AfD-Fraktion vom 05.11.2019

 

Notstand der Bauern – Bundesweite Bauernproteste gegen die Agrarpläne der Bundes­regierung

I. Ausgangslage

Am Dienstag, dem 22. Oktober 2019, sind über 6.000 Landwirte nach Bonn gefahren und haben auf einer der bisher größten Kundgebungen gegen die Agrarpläne der Bundesregierung protestiert.1 Die Landwirte haben mit ihrer Sternfahrt nach Bonn vielerorts einen kilometerlan­gen Stau verursacht. Sie stellten sich demonstrativ gegen praxisferne Vorschriften von Politi­kern ohne fachliche Qualifikation und forderten als Betroffene ein Mitspracherecht bei der Wei­terentwicklung der Landwirtschaft.

Auslöser der „Grünen-Kreuze-Bewegung“ sind die Agrarpläne der Bundesagrarministerin Klöckner (CDU) und Bundesumweltministerin Schulze (SPD). So plant die Bundesregierung eine weitere Verschärfung der Düngeverordnung, zusätzliche Einschränkungen beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, das Glyphosat-Verbot nach dem Jahre 2023 und eine massive Umschichtung der EU-Agrarsubventionen.

Verschärfung des EU-Grenzwertes für Nitrat mit schweren Folgen für die Landwirte

Die EU-Trinkwasserrichtlinie schreibt einen einheitlichen Grenzwert von 50 mg Nitrat je Liter für das Trinkwasser in allen EU-Mitgliedsstaaten vor. Wird dieser „Schwellenwert“ überschrit­ten, fordert die EU-Kommission Maßnahmen zur Reduktion des Nitratgehalts.

Vor dem Jahre 1986 betrug der Grenzwert für Trinkwasser in Deutschland noch 90 mg/L. Sei­nerzeit verkündete das Bundesgesundheitsamt zur Verschärfung des Grenzwertes: „Im Trink­wasser enthaltenes Nitrat hat in Konzentrationen bis zum früheren Grenzwert von 90 mg/L zu keiner nachweisbaren Gesundheitsschädigung der Bevölkerung geführt.“ und weiter heißt es „In den letzten 20 Jahren ist in der Bundesrepublik Deutschland kein Fall einer Säuglingsblau-sucht, verursacht durch Nitrat im Trinkwasser, in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben worden“.2

Hintergrund der Verschärfung des Grenzwerts war im Jahre 1982 ein Bericht des STERN über Nitratwerte von über 300 mg/L im Trinkwasser. Daraufhin haben die Wasserwerke den Nitrat­gehalt durch die Anwendung moderner Verfahren im Trinkwasser erfolgreich reduziert.3 Eine Gesundheitsgefährdung der Menschen in Nordrhein-Westfalen durch zu hohe Nitratwerte im Trinkwasser gilt damit praktisch als ausgeschlossen. Die aktuelle Darstellung des EU-Grenz­werts als „Giftigkeitsgrenze“ (Bezeichnung durch das Umweltbundesamt) darf auf Grund toxi-kologischer Erkenntnisse im besten Falle als irreführend bezeichnet werden.4

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt einen täglichen Grenzwert von 3,7 mg Nitrat pro Kilogramm Körpergewicht, das entspricht bei einem Körpergewicht von 70 kg einer erlaubten Aufnahmemenge von 259 mg Nitrat pro Tag.5 Die durchschnittliche Nitrat-Aufnahme beträgt zwischen 50 und 160 mg pro Tag. Der Mensch nimmt Nitrat über viele Lebensmittel auf, wobei die größte Aufnahmequelle das Gemüse mit ca. 62 Prozent ist. So enthält Spinat ca. 1.200 mg Nitrat pro Kilogramm.6 In Deutschland hat Trinkwasser die höchste Qualität und gehört zu den am besten überwachten Lebensmitteln in der ganzen Welt.

Die aktuellen Fragestellungen bezüglich zu hoher Nitratwerte sind künstlich hervorgerufen und grundsätzlich dadurch entstanden, dass die EU die hohen Lebensmittelqualitätsstandards auch für das Grundwasser verpflichtend gemacht hat. Mit der EU-Grundwasserrichtlinie 2006/118/EG wurde der EU-Grenzwert für das Nitrat im Trinkwasser einfach für das Grund­wasser übernommen. Das ist deshalb problematisch, weil Nitrate zu den wichtigsten Grund-und Nährelementen in der Nahrungsmittelproduktion gehören und für die moderne Landwirt­schaft unverzichtbar geworden sind. Die Nutzpflanzen nehmen über ihre Wurzeln diesen Grundbaustein auf und wandeln ihn durch Photosynthese in lebenswichtige Proteine um. Eine ausreichende Versorgung der Nutzpflanzen mit notwendigen Düngemitteln ist für das Pflan­zenwachstum, zum Schutz der Bodenfruchtbarkeit und letztlich für den Menschen einfach un­verzichtbar.

Auf Grund der uneinheitlichen Bodenbeschaffenheit kann es jedoch in einzelnen Regionen Nordrhein-Westfalens dazu kommen, dass die Düngemittel sehr schnell aus dem Boden aus­gewaschen werden und ins Grundwasser gelangen. Deshalb sind die Landwirte schon in die Pflicht genommen worden, ihre Düngeausbringung sehr umfangreich zu dokumentieren und bilanzieren.

Die gleiche Akribie wird jedoch nicht von den Überwachungsbehörden und ihren Nitrat-Mess­stellen verlangt. Laut des LANUV-Fachberichts 55 existieren in Nordrhein-Westfalen 3.709 Nitrat-Messstellen, von denen 13,9 Prozent den EU-Grenzwert für Grundwasser im Jahr 2014 überschritten.7 Auch hier ist das Problem künstlich erzeugt worden, da sich diese Prozentan­gabe nicht etwa auf die Überschreitung eines EU-Grenzwerts einer bestimmten Nitrat-Mess­stelle bezieht, sondern auf die Anzahl der Nitrat-Messstellen überhaupt. Diese Vorgehens­weise beeinflusst maßgeblich die Darstellung der Nitratbelastung. Selbst das Umweltbundes­amt musste zugegeben, dass die positive Entwicklung der belasteten Nitrat-Messstellen von fast 50 Prozent im vorletzten Nitratbericht (2012) auf nur noch 28 Prozent im letzten Nitratbe-richt (2016) aufgrund einer neuen Messnetzgestaltung mit mehr Nitrat-Messstellen entstanden ist.8

Dennoch sind die Messdaten nicht vergleichbar. Selbst unter den Bundesländern gibt es er­hebliche Unterschiede. So übermittelt das Land Mecklenburg-Vorpommern seit 2014 keine Nitratwerte im Grundwasser mehr an die Landesarbeitsgemeinschaft für den Länderindikator.9 Auch sind die deutschen Nitrat-Messstellen im europaweiten Vergleich nicht repräsentativ. Laut des letzten Nitratberichts aus dem Jahre 2016 hat Deutschland bezogen auf 1 Mio. Hektar ca. 42 Nitrat-Messstellen, dagegen hat die kleine Republik Malta 3.727 Nitrat-Messstellen.10 Das bedeutet, eine einzelne deutsche Nitrat-Messstelle deckt eine Fläche von mehr als 23.800 Hektar ab.

Die durchschnittliche Größe eines landwirtschaftlichen Betriebs in NRW beträgt ca. 42,8 Hek­tar. Somit teilen sich rund 556 landwirtschaftliche Betriebe in NRW mit allen anderen mögli­chen Nitrat-Eintragsquellen eine Nitrat-Messstelle.11 Die jetzigen Rahmenbedingungen führen zu einer umfassenden Kollektivhaftung. Das aktuelle Betriebssitzproblem ist unbestreitbar ein Problem der Politiker und nicht der Landwirte. Dass nach Angaben der NRW-Umweltministerin Heinen-Esser über 10 Prozent der Nitrat-Messstellen fehlerhaft sind, bestätigt die politische Agrarkatastrophe.

Ein aussagekräftiger Gesamtwert für die Nitratbelastung im Grundwasser existiert nicht. Jede Grundwassermessstelle wird in unterschiedlicher Höhe zu unterschiedlichen Zeiten in unter­schiedlichen Häufigkeiten beprobt. Eine belastbare Auswertung der Nitratbelastung für den „EU-Einheitswert“ setzt eine gleichgewichtete Beprobung unter gleichen Bedingungen von gleichwertigen Böden voraus. Da eine solche Voraussetzung jedoch nicht eingehalten werden kann, fehlt bis heute der wissenschaftliche Anspruch bei der Beurteilung der Nitratbelastung.

Die direkte Übertragung der Messergebnisse auf die Grundwasserkarten mit der Einstufung des Nitrats als chemischem Schadstoff (durch das Umweltbundesamt) führt zu der unwissen­schaftlichen Aussage, dass 34,8 Prozent aller Grundwasservorkommen in Deutschland im „schlechten Zustand“, „chemisch belastet“ oder gar „Nitrat belastet“ sind.12

Im April 2016 reichte die EU-Kommission eine Klage gegen Deutschland beim Europäischen Gerichtshof ein. Das EuGH-Urteil stammt vom 21. Juni 2018 und verpflichtet Deutschland zu strengeren Auflagen, die hauptsächlich die Landwirte treffen sollen. Doch bezog sich die Klage seinerzeit auf die alte Düngeverordnung, nicht auf die neue überarbeitete, die seit dem Jahre 2017 in Kraft ist. Aus Sicht der EU sei der Kontrollwert von 60 kg Stickstoff pro Hektar zu gering und so werden vor allen Dingen in den von Nitrat „belasteten“ Regionen, den sog. „roten Ge­bieten“, weitere strenge Maßnahmen gefordert: Verbot der Herbstdüngung, verpflichtende Zwischenfrüchte (ohne Futternutzung), die schlagbezogene Anrechnung des Düngemittels, sowie die willkürliche Absenkung des Düngebedarfs pauschal um 20 Prozent. Das alles soll umgesetzt werden, obwohl die „roten Gebiete“ nicht hinreichend differenziert sind und ein Ver­ursacher nicht ausgemacht werden kann.

Sollte Deutschland den unionsrechtlichen Minderungsplanzielen nicht nachkommen, drohen absurd hohe Vertragsstrafen von 850.000 Euro pro Tag.

Die Agrar- und Umweltpolitik der EU ist an einem irrsinnigen Punkt der Überregulierung ange­langt. Im Interesse der deutschen Landwirte muss Deutschland viele realitätsferne Vorschrif­ten auf den Prüfstand stellen und sich für eine Renationalisierung von agrar- und umweltpoli­tischen Kompetenzen einsetzen.

Flächenverbrauch und die Notwendigkeit von Pflanzenschutzmitteln

Auch die Diskussion um Pflanzenschutzmittel muss wieder versachlicht und vor dem Hinter­grund der zunehmenden Flächeninanspruchnahme betrachtet werden. Die Flächeninan­spruchnahme für z.B. Siedlungsfläche, Verkehrsfläche und Betriebsfläche, erfolgt ausschließ­lich auf Kosten wertvoller Agrarflächen.13 Mit der Änderung des Landesentwicklungsplans (LEP) hat sich zwar die schwarz-gelbe Landesregierung von der strikten Vorgabe verabschie­det, nicht mehr als 5 Hektar an Fläche pro Tag in NRW zu verbrauchen, hat es aber unterlas­sen, Auswege für die Landwirte gegen eine weitere Intensivierung der Flächennutzung aufzu­zeigen.

Währenddessen erhöht auch die EU-Agrarpolitik den Druck auf die Landwirte. Mit den vorge­schriebenen ökologischen Vorrangflächen von fünf Prozent der landwirtschaftlichen Flächen werden Landwirte schleichend enteignet. Vielerorts werden die Flächen einfach stillgelegt, weil eine duale Bewirtschaftung nach klassisch-traditioneller und ökologischer Bewirtschaftung schlichtweg zu aufwendig ist.

Mit der Nullzins-Politik der EZB wurden Anreize für landwirtschaftsfremde Spekulanten zum Ankauf von Ackerland im großen Stil geschaffen. Spekulanten kaufen die Flächen auf, legen sie still und erlangten so Anspruch auf EU-Agrarsubventionen. Die unwiederbringliche Konver­tierung von wertvollem Ackerland in Dauergrünland darf als eine der schädlichsten Maßnah­men der Agrarpolitik betrachtet werden.

Selbst der Europäische Rechnungshof kam zu dem Ergebnis, dass die sog. Greening-Aufla-gen trotz der hierfür eingesetzten Milliardenbeträge keine nennenswerten Beiträge zum Um­welt- und Naturschutz leisten.14 Dazu sagte Samo Jereb vom Europäischen Rechnungshof im Gespräch mit TOP AGRAR: „Das Greening ist bisher wirklich keine Erfolgsgeschichte“. Dennoch halten die EU-Agrarpolitiker an der fragwürdigen Praxis der Zwangsstillegung fest, die im ei­gentlichen Sinne nicht mehr als Programm zum Schutz von Insekten, sondern als Programm zum Abbau von Produktionsüberschüssen verstanden werden muss.

Aufgrund der gestiegenen Pachtpreise wird vor allen Dingen den kleineren und mittleren Fa­milienbetrieben die Chance zum Aufkauf von Agrarflächen zum Expandieren genommen. Der Druck auf die Landwirte ist gestiegen, auf den verbleibenden Flächen erfolgreich zu wirtschaf­ten. Um die Ertragsverluste durch Flächenverlust zu kompensieren, müssen Landwirte immer stärker auf hochgezüchtete Pflanzensorten und effektive Pflanzenschutzmittel zurückgreifen. Doch nach den Plänen der Bundesregierung soll den Landwirten der Einsatz von Pflanzen­schutzmitteln erschwert werden, inklusive eines Verbots von Glyphosat nach dem Jahre 2023.

Glyphosat wird immer noch in weiten Teilen der Bevölkerung mit Krebs in Verbindung ge­bracht. Dabei kann die Entstehung von Krebs immer noch nicht vollständig ursächlich belegt werden. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC), eine Abteilung der WHO, ord­net karzinogene Substanzen in drei Kategorien ein: Karzinogen, wahrscheinlich karzinogen und möglicherweise karzinogen. An dieser Klassifizierung gibt es jedoch international heftige Kritik.15

Glyphosat wurde vor 40 Jahren als Herbizid entdeckt. Aufgrund seiner biochemischen Struktur wirkt es ausschließlich im pflanzlichen Stoffwechsel und nicht bei Menschen oder Tieren. Eine Vielzahl internationaler Studien hat eine karzinogene Wirkung des Wirkstoffes Glyphosat ver­neint. Erst im März 2015 wurde Glyphosat von der IARC als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft, was heftigen Widerstand bei der Wissenschaft und bei den unzähligen Genehmi­gungsbehörden (USA, Kanada, Japan, Australien, Neuseeland, auch der EU-Behörde für Le­bensmittelsicherheit) auslöste. Die Einstufung von Glyphosat durch IARC beruhte nicht auf epidemiologischen Beobachtungen, sondern auf Tierversuchen. Es drängte sich der Verdacht auf, dass vorschnell eine Krebsangst heraufbeschworen wurde. SPON berichtete im Oktober 2017 von einer „Vergifteten Debatte“.16 Die gemessenen Mengen seien so gering, dass das Bundesinstitut für Risikobewertung immer wieder beruhigt und entwarnt. So seien „die ent­deckten Mengen [Glyphosat im Bier] so gering […], dass der Durchschnittsdeutsche Hunderte Liter Bier an einem einzigen Tag runterschlucken könnte, ohne dass eine Gefahr vom Pestizid ausginge“.17

Die Politik steht in der Verantwortung, sich für den Erhalt eines wirksamen Pflanzenschutzes nach guter fachlicher Praxis als Grundlage jeglicher landwirtschaftlichen Produktion einzuset­zen. Die bewährten Zulassungsstandards im Hinblick auf Umwelt-, Gesundheits- und Verbrau­cherschutz dürfen weder vernachlässigt noch praxisfern verschärft werden. Solange mögliche Gefahren durch Glyphosat nicht wissenschaftlich untermauert sind, darf die Bundesregierung keine Verbote für den Einsatz von Glyphosat aussprechen.

EU-Agrarsubventionen verzerren den Wettbewerb

Unter den deutschen Top-Empfängern von Agrarsubventionen ist kein einziger Landwirt.18 So ist der größte Subventionsempfänger das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt in Meck­lenburg-Vorpommern. Im Jahr 2018 hat die oberste Landesbehörde 10,4 Mio. Euro von der EU erhalten.19 An zweiter Stelle steht der Landesbetrieb für Küstenschutz in Schleswig-Hol­stein mit 5,92 Mio. Euro. Auch finden sich noch Landesbetriebe aus Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg unter den Top-15-Empfängern. Gegenüber der Ausschüt­tung der Agrarsubventionen im Jahre 2009 hat sich vieles getan. Seinerzeit erhielten auch Rüstungskonzerne, Eislaufclubs, Akkordeonclubs, Auto- und Chemiekonzerne Zuschüsse aus dem Agrartopf.20 Vorbei sind auch die Zeiten der Exportunterstützung für europäische Pro­dukte, wie bei Nestlé geschehen. 21 Bis heute geblieben ist jedoch die Tatsache, dass die kleinen und mittleren Familienbetriebe nur unzureichend von den EU-Agrarsubventionen pro­fitieren.

Statt den Fokus auf die kleinen NRW-Familienbetriebe zu legen, war es auf der Agrarminis­terkonferenz am 12. April 2019 in Landau vor allem die schwarz-gelbe Landesregierung, die sich für eine Umschichtung von Haushaltsmitteln in die zweite Säule in Höhe von 4,5 Prozent des Direktzahlungsvolumens eingesetzt hat.22 Die Antwort auf die Kleine Anfrage der AfD vom 2. Oktober 2019 hat ergeben, dass die flächenbezogenen Direktzahlungen um 6 Millionen Euro in NRW gekürzt werden. Die umgeschichteten Mittel kommen denjenigen landwirtschaft­lichen Betrieben zugute, die sich den neuen EU-Agrarumweltmaßnahmen nicht verweigern und das umfangreiche Controlling mitmachen.

Es darf davon ausgegangen werden, dass diese Umverteilung zu aufwendigeren bürokrati­schen Verfahren und zum steigenden Anpassungsdruck für Landwirte führen wird. Vor diesem Hintergrund hat sich die Wut der Landwirte darüber in Bonn und in vielen anderen deutschen Städten entladen. Unterdessen verwies Bundesagrarministerin Klöckner (CDU) auf die „ge­sellschaftlichen Erwartungen“ hin, denen sich die Landwirte stellen müssten.23 Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete und Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV), Johannes Röring, trat in Bonn auf und versuchte, die Wut der Landwirte zu kanalisie­ren.

Am gleichen Tag hat die FDP-Bundestagsfraktion ihren Antrag „Fachlich fundierte und euro­päisch einheitliche Rahmenbedingungen für eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft mit Zu-kunft24 im Bundestag eingereicht und für eine zukunftsfeste Landwirtschaft geworben. Bei der namentlichen Abstimmung, zwei Tage später, haben die Abgeordneten der Fraktion der FDP und der Fraktion der AfD für den Antrag gestimmt. Der WLV-Präsident Röring stimmte mit der CDU-Fraktion gegen den Antrag.

Enttäuscht setzten hunderte Landwirte ihren Protest fort und demonstrierten am 28. Oktober 2019 in Kalkar.25 Zur Kundgebung beim Agrar-Forum kamen erneut rund 400 Landwirte mit Traktoren und sorgten vereinzelt für Verkehrsbehinderungen am Niederrhein. Unterdessen sprach der WLV-Präsident Röring in einem Interview mit TOP AGRAR davon, dass er keine Hinwendung der Bauern zu einer politischen Alternative erkenne.26 Er sprach davon, dass die erforderlichen Kompromisse für mehr Umwelt- und Klimaschutz nicht allen Betroffenen gefal­len werden und betonte als WLV-Präsident noch einmal klar, „dass die CDU/CSU eng an der Seite der Bauernfamilien [stünde] und für sie [kämpfen würde].“

Doch bereits im Mai 2018 konnte SPON zeigen, dass der Familienbetrieb des WLV-Präsiden-ten Röring EU-Agrarsubventionen in Höhe von 33.711 Euro (2017) erhielt.27 Laut ABGEORDEN-TENWATCH steht der WLV-Präsident auch an sechster Stelle der Top-Verdiener mit Nebenein­künften von über 620.000 Euro im letzten Jahr, eine Tatsache, die seine finanzielle und politi­sche Unabhängigkeit im Interesse der westfälischen Landwirte, die er im Bundestag vertritt, in Frage stellt.28

Regionalisierung statt Globalisierung

Vielen Verbrauchern ist durchaus bewusst, dass die klassisch-traditionelle Landwirtschaft mit ihren kleinen Bauernhöfen stark unter Druck gekommen ist und regionale Produkte mehr Wert­schätzung erfahren müssen, um den Globalisierungstrend aufzuhalten. Besonders durch die Freihandelsabkommen, wie z.B. mit den Mercosurstaaten und einem hierdurch verstärkten Preisverfall für Agrarprodukte, hat die Sympathie für regionale Lebensmittel deutlich zugenom­men. Das betrifft alle Formen der Bewirtschaftung. Die Sympathie gilt nicht exklusiv Ökopro­dukten, sondern betrifft Regionalprodukte im allgemeinen. Um der regionalen Absatzförderung nachhaltig zu helfen, wird es nötig sein, mehr Fördermittel über die Kriterien zur Regionalität zu vergeben, nicht über die Bewirtschaftungsform.

II. Der Landtag stellt fest,

  • dass Landwirte schon heute viele ökologischen Maßnahmen durchführen;
  • dass neue praxisferne Vorschriften den bereits existierenden Anpassungsdruck auf die Landwirte noch weiter erhöhen werden;
  • dass auch den kleineren und mittleren Familienbetriebe ein Mitspracherecht bei der Entwicklung neuer Vorschriften gegeben werden muss;
  • dass auch in Zukunft keine Kompromisse bei der Trinkwasser-Qualität gemacht wer­den dürfen.
  • dass Nitrate unverzichtbar für die Nutzpflanzen, für die Bodenfruchtbarkeit und letztlich für die Ernährung des Menschen sind.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

1. sich mit einer Bundesratsinitiative dafür einzusetzen, die Ermittlung der Nitratbelastung stärker an guter wissenschaftlicher Praxis zu orientieren;

2. neue Nitrat-Messstellen an geeigneten Orten aufzustellen und transparente Standards bei der Erhebung der Datensätze anzuwenden, um die Nitratermittlung auch in den sog. „roten Gebieten“ noch genauer durchzuführen;

3. sich auf allen politischen Ebenen für den notwendigen Bürokratieabbau im Agrarsektor einzusetzen, um vor allen Dingen kleine und mittlere Familienbetriebe zu entlasten;

4. sich gegen ein nationales Verbot von Glyphosat einzusetzen, solange es keine stich­haltigen Erkenntnisse für eine Gesundheitsschädlichkeit gibt;

5. für den Erhalt eines wirksamen Pflanzenschutzes nach guter fachlicher Praxis als Grundlage jeglicher landwirtschaftlichen Produktion zu kämpfen;

6. kleine und mittlere Familienbetriebe in den Mittelpunkt der europäischen Agrarnovelle und -politik zu stellen, und nicht Agrarumweltmaßnahmen;

7. sich im Sinne der Wettbewerbsfreiheit stärker für die Regionalität der Landwirtschaft einzusetzen statt für eine einzige Bewirtschaftungsform.

Dr. Christian Blex
Markus Wagner
Andreas Keith

und Fraktion

 

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1 https://www.tagesschau.de/inland/bauern-protest-101.html

2 https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/419/dokumente/29_s_192_nitrat_im_trinkwasser.pdf

3 https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/11/030/1103083.pdf

4 https://interaktiv.rp-online.de/nitrat-in-nrw/messstellen-in-nrw

5 https://www.kern.bayern.de/wissenschaft/176454/index.php

6 https://www.land-oberoesterreich.gv.at/Mediendateien/Formulare/Dokumente%20UWD%20Abt_WW/Infoblatt_Nitrat_im_Trink-wasser_WW.pdf

7 https://www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuv/veroeffentlichungen/fachberichte/fabe55/fabe55.pdf

8 https://www.umweltbundesamt.de/faqs-zu-nitrat-im-grund-trinkwasser

9 https://www.lanuv.nrw.de/liki/index.php?liki=C5

10 https://www.bauerwilli.com/nicht-repraesentativ-2/

11 https://www.landwirtschaftskammer.de/wir/pdf/landwirtschaft-in-nrw.pdf

12 https://www.gewaesser-bewertung.de/files/170829_uba_fachbroschure_wasse_rwirtschaft_mit_anderung_bf.pdf

13 http://www.flaechenportal.nrw.de/index.php?id=5

14 https://www.topagrar.com/management-und-politik/news/europaeischer-rechnungshof-prangert-greening-milliarden-als-unef-fektiv-an-9411856.html

15 https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/krebsrisiko-staendig-alarm-1.3046047-2

16 https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/glyphosat-und-krebs-vergiftete-debatte-a-1174201.html

17 https://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/glyphosat-im-bier-die-angst-trinkt-mit-kommentar-a-1079335.html

18 https://www.agrarheute.com/management/finanzen/agrarsubventionen-keine-landwirte-top-empfaengern-554120

19 https://www.agrar-fischerei-zahlungen.de/Suche

20 https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/foerderung-aus-bruessel-panzerhersteller-kassiert-agrarsubventionen-der-eu-a-691365.html

21 https://www.derstandard.at/story/2485650/eu-agrarsubventionen-fuer-nestle-co

22 https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-7685.pdf