Kleine Anfrage 4170
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD
NRW-Staatskanzlei-Chef Liminski reist mit Lob für Polens Migrations- und Flüchtlingspolitik ins Nachbarland. Was kann Deutschland in diesem Zusammenhang von Polen lernen?
Wie aus einem Bericht der WAZ hervorgeht, hat der Chef der NRW-Staatskanzlei, Nathanael Liminski (CDU), kurz vor seiner zweitägigen Reise nach Polen die polnische Migrations- und Flüchtlingspolitik ausdrücklich gelobt. „Wir können in Deutschland beim Thema Migration von der nüchternen Klarheit der Polen lernen“, sagte Liminski der WAZ.
„Die gesellschaftlichen Probleme, die mit ungesteuerter illegaler Migration verbunden sind, müssen offen artikuliert werden. Dabei behalten die Polen einen realistischen Blick darauf, dass Migration von anderen Staaten als Waffe oder Druckmittel eingesetzt wird, etwa von Russland, Weißrussland oder der Türkei“, so Liminski.
Gleichzeitig habe Polen bei der Aufnahme und Integration von Ukrainerinnen und Ukrainern „zupackende Solidarität“ gezeigt. Liminski lobt mit Blick auf Polen die „tatkräftige Hilfe für die Schutzbedürftigen und die unverstellte Offenheit im Umgang mit den gesellschaftlichen Herausforderungen durch unkontrollierte Migration“. Polen habe zudem einen „realistischen Blick“ auf die Bedrohung, die von Russland ausgehe.1
Abgesehen von der Aufnahme der Ukraineflüchtlinge lassen diese Ausführungen den Leser ratlos zurück. Hat sich doch Polen gerade nicht an der „Wir schaffen das“-Politik der Exkanzlerin seit 2015 beteiligt – im Gegenteil.
So wurden im Jahr 2015 in Polen lediglich 12.188 Asylanträge gestellt, 2016 waren es dann 12.303. In Deutschland dagegen wurden im Jahr 2015 476.649 Asylanträge gestellt, gefolgt von 745.545 im Jahr 2016. Auch an der sogenannten „europäischen Lösung“ mit freiwilligen Aufnahmekontingenten hat sich Polen in der Vergangenheit – unter Wahrung nationaler Interessen – eher nicht beteiligt, war somit also auch nach den Ereignissen der Jahre 2015 und 2016 nicht Mitglied in der sogenannten „Koalition der Willigen“. Die Top-8-Herkunftsländer in Deutschland sind aktuell im Jahre 2024 Syrien, Afghanistan, Türkei, Irak, Somalia, Iran, Russland, Kolumbien und Guinea.2 Im gesamten Jahr 2023 hat Polen bei 9.572 Anträgen nur 621 Personen aufgenommen, davon 304 aus den acht genannten Ländern (Syrien: 16; Afghanistan: 106; Türkei: 38; Irak 5; Somalia: 13; Iran: 13; Russland: 113; Kolumbien und Guinea: 0)3
Ich frage daher die Landesregierung:
- Was genau kann Deutschland bzw. NRW im Rahmen der Migrations- und Flüchtlingspolitik, nach Ansicht des Chefs der Staatskanzlei, Nathanael Liminski, – abgesehen von der aktuellen Sondersituation in Bezug auf die Fluchtbewegung aus dem polnischen Nachbarstaat Ukraine nach Polen – von der polnischen Migrations- und Flüchtlingspolitik seit 2015 lernen?
- An welcher Stelle hat Polen – abgesehen von der aktuellen Sondersituation in Bezug auf die Fluchtbewegung aus dem polnischen Nachbarstaat Ukraine nach Polen – nach Ansicht des Chefs der Staatskanzlei, Nathanael Liminski, seit 2015 in der Migrations-und Flüchtlingspolitik besser und effektiver agiert als Deutschland bzw. NRW?
- Was kann bzw. sollte Deutschland nach Ansicht des Chefs der NRW-Staatskanzlei, Nathanael Liminski, insbesondere aus der polnischen Grenzschutzpolitik seit 2015 im Nachhinein lernen und ggf. übernehmen?
- Wie bewertet der Chef der NRW-Staatskanzlei, Nathanael Liminski, die aktuelle polnische Grenzschutzpolitik an der polnischen Ostgrenze, die zugleich EU-Außengrenze ist?
- Inwiefern hat sich der Chef der NRW-Staatskanzlei, Nathanael Liminski, bei seinem Besuch in Polen für eine weitergehende Zusammenarbeit mit der polnischen Regierung im Rahmen der Migrations- und Flüchtlingspolitik eingesetzt?
Enxhi Seli-Zacharias
3 Vgl. https://www.laenderdaten.info/Europa/Polen/fluechtlinge.php
Der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien und Chef der Staatskanzlei hat die Kleine Anfrage 4170 mit Schreiben vom 16. August 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration beantwortet.
- Was genau kann Deutschland bzw. NRW im Rahmen der Migrations- und Flüchtlingspolitik, nach Ansicht des Chefs der Staatskanzlei, Nathanael Liminski, – abgesehen von der aktuellen Sondersituation in Bezug auf die Fluchtbewegung aus dem polnischen Nachbarstaat Ukraine nach Polen – von der polnischen Migrati-ons- und Flüchtlingspolitik seit 2015 lernen?
- An welcher Stelle hat Polen – abgesehen von der aktuellen Sondersituation in Bezug auf die Fluchtbewegung aus dem polnischen Nachbarstaat Ukraine nach Polen – nach Ansicht des Chefs der Staatskanzlei, Nathanael Liminski, seit 2015 in der Migrations- und Flüchtlingspolitik besser und effektiver agiert als Deutschland bzw. NRW?
Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Die Äußerungen beziehen sich auf den Umgang mit der Lage, die Polen aufgrund der kriegsbedingten Fluchtbewegung aus der benachbarten Ukraine zu bewältigen hat. Die Beantwortung rein hypothetischer Fragen zu einem Sachverhalt, der diese real existierende Lage ausblendet, ist nicht angezeigt.
Polens Flüchtlingspolitik ist von Realismus und Nüchternheit geprägt. Sie zielt darauf ab, denjenigen Menschen Schutz zu bieten, die schutzbedürftig sind, und zeigt dabei gleichzeitig ein Problem für die offenkundigen gesellschaftlichen Herausforderungen, die mit erhöhten Migra-tionszahlen einhergehen. Zudem wird in Polen in aller Klarheit benannt, dass Staaten wie Belarus und Russland schon seit geraumer Zeit versuchen Migration als politisches Druckmittel einzusetzen.
- Was kann bzw. sollte Deutschland nach Ansicht des Chefs der NRW-Staatskanzlei, Nathanael Liminski, insbesondere aus der polnischen Grenzschutzpolitik seit 2015 im Nachhinein lernen und ggf. übernehmen?
- Wie bewertet der Chef der NRW-Staatskanzlei, Nathanael Liminski, die aktuelle polnische Grenzschutzpolitik an der polnischen Ostgrenze, die zugleich EU-Außengrenze ist?
Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Russland führt seit 2014 Krieg gegen die Ukraine. Dabei kommen Mechanismen der hybriden Kriegsführung zum Einsatz. Ein Aspekt der hybriden Kriegsführung ist es, illegale Migration als Druckmittel an den EU-Außengrenzen (nicht nur in Polen) einzusetzen. Dieses Vorgehen des russischen Aggressors ist menschenverachtend und zielt darauf ab Demokratien zu destabilisieren. Polen hat früh vor dem Machtstreben Russlands gewarnt und die Bedeutung des Schutzes seiner Grenzen als EU-Außengrenzen gegenüber den anderen EU-Staaten immer wieder betont. Das Bewusstsein für die Gefahren hybrider Kriegsführung auch in anderen Bereichen, wie der Kampf gegen Desinformation und die Stärkung der Cybersicherheit ist auch für die deutsche Politik wichtig.
- Inwiefern hat sich der Chef der NRW-Staatskanzlei, Nathanael Liminski, bei seinem Besuch in Polen für eine weitergehende Zusammenarbeit mit der polnischen Regierung im Rahmen der Migrations- und Flüchtlingspolitik eingesetzt?
Die Reise nach Polen diente der Stärkung der Zusammenarbeit von Nordrhein-Westfahlen und Polen, sowie der Zusammenarbeit mit der Partnerregion Schlesien. Die Zusammenarbeit findet in verschiedenen Bereichen statt, wie z.B. Wirtschaft, Kultur, Jugend und Bildung. Die Themen Flucht und Migration mit ihren Auswirkungen auf die Regionen gehören ebenso zu den aktuell relevanten Herausforderungen und wurden daher in Gesprächen und themenbezogenen Terminen in Polen, wie etwa bei einem Besuch in der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache FRONTEX, auch aufgegriffen. Die maßgeblichen Handlungsinstrumente in diesem Bereich liegen allerdings auf der nationalen und europäischen Ebene.