NRW will deutlich mehr Landesunterkünfte für Geflüchtete schaffen – Wie passt das mit dem angeblichen Vorhaben, mehr Abschiebungen zustande zu bringen, zusammen?

Kleine Anfrage
vom 05.01.2024

Kleine Anfrage 3141

der Abgeordneten Markus Wagner und Enxhi Seli-Zacharias AfD

NRW will deutlich mehr Landesunterkünfte für Geflüchtete schaffen Wie passt das mit dem angeblichen Vorhaben, mehr Abschiebungen zustande zu bringen, zusammen?

„Ziel des Landes ist es, den Ausbau von Plätzen in landeseigenen Sammelunterkünften deutlich zu erhöhen.“1

Das gab Jürgen Mathies, kurzzeitig Polizeipräsident in Köln und bis Sommer 2022 Staatssekretär im Innenministerium, bekannt. Ab sofort ist Mathies in beratender Funktion für das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration unter der Leitung von Frau Josefine Paul (Grüne) tätig. Beim Ausbau der Flüchtlingsheime soll besonderes Augenmerk auf Sicherheitsaspekte gelegt werden – sowohl in den Einrichtungen als auch in deren Umfeld. In diesem Zusammenhang kann es unter anderem um die Abstimmung zwischen Einrichtungen und der örtlichen Polizei gehen oder aber auch um den Einsatz von Sicherheitsdiensten.2

Der Plan sieht vor, bis zum Ende des Jahres 2024 insgesamt 41.000 Plätze einzurichten, von denen aktuell rund 31.000 existieren. Per Erlass macht das Flüchtlingsministerium den fünf Bezirksregierungen von NRW klare Vorgaben. So sollen zum Beispiel im Regierungsbezirk Düsseldorf 11.440 Plätze, in Arnsberg 8.240 und im bevölkerungsärmsten Bezirk Detmold 4.960 entstehen. Wichtig sei dabei, dass „ein Großteil der Plätze in Landeseinrichtungen möglichst schon im Lauf des ersten Halbjahrs 2024 zur Verfügung steht“.3

Das Vorhaben, die Kapazitäten der Landeseinrichtungen in NRW zu erhöhen, steht allerdings im Widerspruch zu der von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gemachten Ankündigung, die Zahl der Abschiebungen pro Jahr um fünf Prozent zu erhöhen. Zurzeit halten sich knapp 300.000 ausreisepflichtige Personen in Deutschland auf.4 Selbst Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst fordert neuerdings von der Bundesregierung mehr Tempo bei der Verschärfung von Abschieberegeln für abgelehnte Asylbewerber.5

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie passt eine Erweiterung der Landesunterkünfte mit dem Vorhaben zusammen, deutlich mehr Abschiebungen zu vollziehen und gleichzeitig den Zustrom neuer Flüchtlinge zu begrenzen?
  2. Mit welchen absoluten Kosten rechnet die Landesregierung, die durch die geplante Erweiterung der Landesunterkünfte entstehen?
  3. Welche Konsequenzen drohen den Städten respektive den Regierungsbezirken, sollten sie dem Erlass des Flüchtlingsministeriums nicht nachkommen, die Landesunterkünfte auszubauen?
  4. Wie hoch ist die monatliche Vergütung für die beratende Funktion, die Jürgen Mathies ausübt?
  5. Welche konkreten Maßnahmen ergreift die Landesregierung ab sofort, um die von der Bundesregierung geforderten höheren Abschiebezahlen umzusetzen?

Markus Wagner

Enxhi Seli-Zacharias

 

MMD18-7622

 

1 https://rp-online.de/nrw/landespolitik/nrw-plant-mehr-fluechtlingsheime-mit-mehr-sicherheit_aid-102467991.

2 Ebenda.

3 Ebenda.

4 Vgl. https://www.badische-zeitung.de/fuenf-prozent-mehr-abschiebungen.

5 Vgl. https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-08/asylbewerber-abschiebungen-hendrik-wuest-pro-asyl.


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 3141 mit Schreiben vom 20. Februar 2024 namens der Landesregierung be­antwortet.

  1. Wie passt eine Erweiterung der Landesunterkünfte mit dem Vorha­ben zusammen, deutlich mehr Abschiebungen zu vollziehen und gleichzeitig den Zu­strom neuer Flüchtlinge zu begrenzen?

Bei Ankunft der Geflüchteten in Deutschland ist nicht unmittelbar absehbar, ob diese eine Blei-beperspektive haben. Dies wird im Rahmen des Asylverfahrens durch das Bundesamt für Mig­ration und Flüchtlinge (BAMF) geprüft. Eine Rückführungsmaßnahme kann erst dann erfolg­reich vollzogen werden, wenn die betreffende Person vollziehbar ausreisepflichtig ist und nicht freiwillig ausreist. Bis zum Abschluss des Asylverfahrens bzw. zur Herstellung der Ausreise­pflicht und ggf. der Einleitung einer Rückführungsmaßnahme müssen daher alle Geflüchteten – auch in Landeseinrichtungen – untergebracht werden.

  1. Mit welchen absoluten Kosten rechnet die Landesregierung, die durch die ge­plante Erweiterung der Landesunterkünfte entstehen?

Grundsätzlich stehen die im Haushalt 2024 veranschlagten Mittel zur Verfügung. Eine Kosten­schätzung kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht erfolgen.

  1. Welche Konsequenzen drohen den Städten respektive den Regierungsbezirken, sollten sie dem Erlass des Flüchtlingsministeriums nicht nachkommen, die Lan-desunterkünfte auszubauen?

Die Landesregierung setzt auch weiterhin auf ein kooperatives und konstruktives Miteinander mit den Städten und Gemeinden. Alle Seiten sind sich ihrer großen Verantwortung bei der Unterbringung von Flüchtlingen bewusst. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach „drohenden Konsequenzen“ nicht.

  1. Wie hoch ist die monatliche Vergütung für die beratende Funktion, die Jürgen Ma-thies ausübt?

Herr Mathies wird als Berater auf Basis seiner tatsächlich geleisteten Stunden vergütet. Eine im Vorhinein feststehende „monatliche Vergütung“ kann daher nicht mitgeteilt werden.

  1. Welche konkreten Maßnahmen ergreift die Landesregierung ab sofort, um die von der Bundesregierung geforderten höheren Abschiebezahlen umzusetzen?

Das Land Nordrhein-Westfalen steht mit dem Bund im fortwährenden Austausch zur Frage der Optimierung von Rückführungsmodalitäten. Ungeachtet dessen prüfen die für die Vollziehung der Ausreisepflicht in Nordrhein-Westfalen zuständigen Ausländerbehörden die Rückführungs­möglichkeiten von vollziehbar ausreisepflichtigen Personen fortlaufend. Sofern sich aufgrund des Wegfalls eines Rückführungshindernisses die Möglichkeit zur Rückführung einer vollzieh­bar ausreisepflichtigen Person ergibt, ergreift die jeweilige Ausländerbehörde die dann erfor­derlichen Schritte, um die Rückführung weiter zu betreiben.

Mit der Errichtung der fünf landesfinanzierten Zentralen Ausländerbehörden (ZAB) wurden auf Landesebene leistungsfähige Strukturen für die Rückführung ausreisepflichtiger Personen ge­schaffen. Zur Stärkung der Zentralen Ausländerbehörden wurde der Ansatz im Haushaltstitel 633 10 „Erstattung der Kosten der Zentralen Ausländerbehörden“ für das Haushaltsjahr 2024 um 5 Mio. EUR erhöht. Mit den zusätzlich bereitgestellten Mitteln sollen die Zentralen Auslän­derbehörden personell gestärkt und die sachlichen Ressourcen ausgebaut werden, um Rück­führungsmaßnahmen konsequenter aus den Landeseinrichtungen durchführen zu können.

 

MMD18-8135