Kleine Anfrage 4564
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD
Nutzung der Nachtzeitverfügung im Rahmen einer Ordnungsverfügung im Zusammenhang mit Abschiebungen bzw. Dublin-Rücküberstellungen in den Unterbringungseinrichtungen des Landes
Im Zusammenhang mit der gescheiterten Dublin-Rücküberstellung des späteren islamistischen Attentäters von Solingen wurde im Rahmen der gemeinsamen Sitzung des Innen- und des Integrationsausschusses am 29.08.2024 auch über die Frage der nicht erfolgten Nachtzeitverfügung diskutiert.1
Die Ministerin für Flucht und Integration führte bei dieser allgemeinen Gelegenheit aus:
„Die Nachtzeitverfügung als Ordnungsverfügung muss einerseits verhältnismäßig sein und andererseits dem Ziel der Rücküberstellung dienen. Ziel ist, dass die Maßnahme erfolgreich ist, Ziel ist nicht in erster Linie, darauf hinzuwirken, eine Fristverlängerung zu erwirken, das heißt, es muss abgewogen werden, dass im Rahmen einer Ordnungsverfügung unter Umständen ein Zugriffsdatum genannt werden muss. Das erhöht das Risiko eines Untertauchens. Vor diesem Hintergrund ist es eine Abwägungsentscheidung, ob man eine Ordnungsverfügung erlässt oder ob man zu dem Schluss kommt, dass es den Erfolg der Maßnahme erhöht, dies nicht zu tun. Das ist im Übrigen auch das Kriterium, nach dem bewertet werden muss, ob man diese Ordnungsverfügung erlässt oder nicht.“
Zum konkreten Fall des islamistischen Attentäters von Solingen führte die Ministerin für Flucht und Integration in einem Bericht an den Integrationsausschuss weiter aus:
„Zum Komplex Nachtzeitverfügung ist wie folgt zu berichten: Grundsätzlich ist es möglich, zur Sicherung von Dublin-Überstellungen im Einzelfall eine Nachtzeitverfügung unter Berücksichtigung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit anzuordnen. Auf die Nutzung des Instruments der Nachtzeitverfügung und diese in eigener Zuständigkeit zu prüfende Vorgaben wurden die Zentralen Ausländerbehörden mit Erlass vom 29. November 2021 per E-Mail hingewiesen. Die Abwesenheit im April 2024 hätte ein Anlass für den Erlass einer Nachtzeitverfügung für den Zeitraum rund um den 5.6.2023 sein können. Diese Abwesenheit war der ZAB jedoch mangels Mitteilung nicht bekannt, so dass sie die Maßnahme nicht in Erwägung ziehen konnte. Die fehlende Meldung hat die Bezirksregierung in ihrem Bericht vom 03. September beschrieben. Dies war ein Versäumnis.“
Zur aktuellen Erlasslage heißt es:
„Bereits im November 2021 wurde per Erlass geregelt: „Die Ausländerbehörde kann gegenüber einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer Maßnahmen zur Förderung der Ausreise treffen. Als Maßnahmen der Ausreiseförderung kommen alle Maßnahmen in Betracht, die geeignet sind, die freiwillige oder d. erzwungene Ausreise des Ausländers – also auch eine Überstellung nach der Dublin-III-Verordnung – zu fördern. Hierzu zählen auch Maßnahmen, die die Erreichbarkeit des Ausländers und die Einwirkungsmöglichkeit der Ausländerbehörde sicherstellen. Dazu kann der Erlass einer Ordnungsverfügung zur Förderung der Ausreise gemäß § 46 Abs.1 AufenthG zählen, welche einer vollziehbar ausreisepflichtigen Person in den Landeseinrichtungen eine Anzeigepflicht für beabsichtigte Aufenthalte außerhalb des in der Unterbringungseinrichtung zugewiesenen Zimmers von Montag bis Freitag in der Nachtzeit zwischen 00.00 Uhr und 6:00 Uhr auferlegt (sog. „Nachtzeitverfügung“).“2
Ich frage daher die Landesregierung:
- Wie viele Nachtzeitverfügungen als Ordnungsverfügung wurden im Zusammenhang mit geplanten Abschiebungen bzw. Dublin-Rücküberstellungen in den Jahren 2022, 2023 sowie bisher im Jahr 2024 in den Unterbringungseinrichtungen des Landes gegenüber vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern getroffen? (Bitte differenziert nach Jahr und Anzahl listen)
- Wie verteilen sich die erlassenen Nachtzeitverfügungen dabei quantitativ auf die unterschiedlichen kommunalen Ausländerbehörden, die zentralen Ausländerbehörden bzw. die Bundespolizei?
- Ein Verstoß gegen eine vollziehbare Ordnungsverfügung nach § 46 Absatz 1 ist gemäß § 98 Absatz 3 Nummer 4 als Ordnungswidrigkeit sanktioniert. Darüber hinaus lässt sich die Ordnungsverfügung im Wege des Verwaltungszwangs, auch durch Androhung und Erhebung eines Zwangsgeldes, durchsetzen. In wie vielen der unter Frage 1 erfragten Fälle wurde die Erhebung eines Zwangsgeldes angedroht bzw. in der Folge auch vollzogen?
- Gemäß aktueller Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz, ist – sofern die Ordnungsverfügung aufenthaltsbeschränkenden Charakter besitzt (Nummer 46.1.4.4 und 46.1.4.5) und sobald sie vollziehbar ist, ihr Inhalt in einen Pass oder Passersatz des Ausländers aufzunehmen. Der Ausländer ist nach § 56 Nummer 8 AufenthV zur Vorlage des Passes oder Passersatzes zu diesem Zwecke verpflichtet und muss dementsprechend die Eintragung dulden. In welchem Umfang wurden in den unter Frage 1 erfragten Fällen sowie generell von dieser Vorgabe Gebrauch gemacht?
- Welche konkreten Ermittlungsergebnisse liegen derzeit in Bezug auf die unterbliebene Nachtzeitverfügung beim späteren islamistischen Attentäter von Solingen vor?
Enxhi Seli-Zacharias
1 Vgl. APr 18/638
2 Vgl. hierzu auch https://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/pdf/BMI-MI3-20091026-SF-A001.pdf ; 46.1.4.5
Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 4564 mit Schreiben vom 30. Oktober 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.
- Wie viele Nachtzeitverfügungen als Ordnungsverfügung wurden im Zusammenhang mit geplanten Abschiebungen bzw. Dublin-Rücküberstellungen in den Jahren 2022, 2023 sowie bisher im Jahr 2024 in den Unterbringungseinrichtungen des Landes gegenüber vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern getroffen? (Bitte differenziert nach Jahr und Anzahl listen)
- Wie verteilen sich die erlassenen Nachtzeitverfügungen dabei quantitativ auf die unterschiedlichen kommunalen Ausländerbehörden, die zentralen Ausländerbehörden bzw. die Bundespolizei?
- Ein Verstoß gegen eine vollziehbare Ordnungsverfügung nach § 46 Absatz 1 ist gemäß § 98 Absatz 3 Nummer 4 als Ordnungswidrigkeit sanktioniert. Darüber hinaus lässt sich die Ordnungsverfügung im Wege des Verwaltungszwangs, auch durch Androhung und Erhebung eines Zwangsgeldes, durchsetzen. In wie vielen der unter Frage 1 erfragten Fälle wurde die Erhebung eines Zwangsgeldes angedroht bzw. in der Folge auch vollzogen?
- Gemäß aktueller Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz, ist – sofern die Ordnungsverfügung aufenthaltsbeschränkenden Charakter besitzt (Nummer 46.1.4.4 und 46.1.4.5) und sobald sie vollziehbar ist, ihr Inhalt in einen Pass oder Passersatz des Ausländers aufzunehmen. Der Ausländer ist nach § 56 Nummer 8 AufenthV zur Vorlage des Passes oder Passersatzes zu diesem Zwecke verpflichtet und muss dementsprechend die Eintragung dulden. In welchem Umfang wurden in den unter Frage 1 erfragten Fällen sowie generell von dieser Vorgabe Gebrauch gemacht?
Die Fragen 1 bis 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Auf die Nutzung des Instruments der Nachtzeitverfügung und in eigener Zuständigkeit zu prüfende Vorgaben wurden die Zentralen Ausländerbehörden per Erlass vom 29. November 2021 hingewiesen. Statistische Informationen im Sinne der Fragestellungen liegen der Landesregierung nicht vor. Die Entscheidung über eine Nachzeitverfügung obliegt der jeweils zuständigen Ausländerbehörde im Einzelfall.
Die Nachtzeitverfügung als Ordnungsverfügung muss einerseits verhältnismäßig sein und andererseits dem Ziel der Rücküberstellung dienen. In jedem Einzelfall ist bei der Entscheidung abzuwägen, ob eine mögliche Ankündigung im Rahmen derer unter Umständen das Zugriffsdatum genannt werden muss, das Risiko erhöht, dass eine Person dann nicht mehr anzutreffen ist.
- Welche konkreten Ermittlungsergebnisse liegen derzeit in Bezug auf die unterbliebene Nachtzeitverfügung beim späteren islamistischen Attentäter von Solingen vor?
Auf den Bericht zur Aktuellen Viertelstunde in der 23. Sitzung des Integrationsausschusses am 04. September 2024 wird verwiesen.