Personaleinsparungen führen zu einem Sicherheitsrisiko beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) – Wie schützt die Landesregierung den Bürger vor potenziellen Straftätern?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1430

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Markus Wagner vom 17.02.2023

Personaleinsparungen führen zu einem Sicherheitsrisiko beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Wie schützt die Landesregierung den Bürger vor potenziellen Straftätern?

Im Zuge von WELT-Recherchen zum Messermörder in einem Regionalzug in Schleswig-Holstein – einem Fall, der bedingt durch die in höchstem Maße kriminelle Vorgeschichte des Täters im Raum Euskirchen auch NRW betrifft – stellte sich heraus, dass das BAMF sein Personal für den Entzug von Schutztiteln in der Vergangenheit drastisch reduziert hat. „Waren Anfang 2020 noch 830 Mitarbeiter mit den Widerrufs- und Rücknahmeverfahren beschäftigt, waren es ein Jahr später nur noch 520, Anfang 2022 nur noch 202 und aktuell sind es 112!“1 Die verbliebenen Mitarbeiter sind wohlgemerkt für das gesamte Bundesgebiet zuständig. Die Gefahr, dass kriminelle Asylbewerber ihren Schutzstatus behalten, steigt dadurch enorm, was in der Folge zu Lasten der Sicherheit der eigenen Bevölkerung geht.

Der Täter verfügte noch zum Zeitpunkt des Messerangriffs am 25. Januar über einen subsidiären Schutztitel. Trotz eines erheblichen Vorstrafenregisters ist eine Abschiebung in diesem Fall nur möglich, wenn dieser Schutztitel durch das BAMF entzogen wird. Bedingt durch die vorgenannten Personaleinsparungen dauerte das diesbezügliche Verfahren bereits seit über einem Jahr an. Auch vor der Eröffnung des Verfahrens war angeblich schon viel Zeit verstrichen.

Angeblich schätzte die zuständige Ausländerbehörde in Euskirchen die bisherigen Straftaten als zu gering ein, weshalb eine Meldung beim BAMF, mit dem Ziel der Eröffnung eines Verfahrens zum Entzug des Schutztitels, zu lange unterblieb. Diese Meldung erfolgte – nach weiteren Komplikationen – erst nach dem Umzug nach Schleswig-Holstein.

Die jüngste Personaleinsparung auf aktuell nur noch 112 Mitarbeiter rechtfertigte das BAMF gegenüber der WELT mit der Gesetzesänderung auf Bundesebene. „Mit dem zum 1. Januar 2023 in Kraft getretenen Gesetz zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren soll die Widerrufsprüfung nur noch anlassbezogen erfolgen.“ Anlassbezogen heißt: aufgrund von „Hinweisen von Ausländer-, Sicherheits-, Strafverfolgungs- und Leistungsbehörden an das Bundesamt, beispielsweise zu schweren Straftaten oder Hinweisen auf Täuschungshandlungen“.2

Bis Ende 2022 war das Bundesamt im Rahmen der sogenannten Regelüberprüfung gesetzlich verpflichtet, alle Anerkennungen von Asylbewerbern in der Regel drei Jahre nach Anerkennung noch einmal zu überprüfen. Dies diente ursprünglich dem Ziel, den Aufenthalt in Deutschland möglichst nicht zu früh zu verfestigen und – bei Entfall des Schutzgrunds – eine Rückführung zu erleichtern. Auch dieser Grundsatz des deutschen Asylrechts wurde 2023 per Gesetzesänderung ein Opfer der Migrationspolitik der Ampelregierung. Mit dem Ziel der Einsparung personeller Ressourcen wurde somit der Grundsatz, dass es sich um einen Schutz auf Zeit handelt, der ausdrücklich auch endlich sein kann, geopfert. Da auch in den hinweisgebenden Behörden die personellen Ressourcen begrenzt sind, erscheint die Personalpolitik des BAMF doppelt fatal.

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Welchen Entscheidungsfreiraum haben die Behörden bei der Beurteilung des Vorstrafenregisters bzw. des Gefährdungspotentials der Allgemeinheit durch die betroffenen Personen in Bezug auf die Beantragung eines Widerrufs- und Rücknahmeverfahrens beim BAMF?
  2. Wie viele entsprechende Meldungen bzw. Beantragungen gegenüber dem BAMF gab es in den Jahren 2017–2022 in NRW? (Bitte nach Jahr, Anzahl und Art der Behörde, also kommunale Ausländerbehörde bzw. Sicherheits-, Strafverfolgungs- und Leistungsbehörden. differenziert listen)
  3. Wie viele Widerrufs- und Rücknahmeverfahren wurden auf Grundlage der Meldung einer Behörde in NRW eingeleitet?
  4. In wie vielen dieser Widerrufs- und Rücknahmeverfahren wurde der Aufenthaltstitel dann tatsächlich entzogen?
  5. In welcher Form möchte die Landesregierung der Gefahr ausbleibender bzw. verschleppter Widerrufs- und Rücknahmeverfahren durch die Personaleinsparungen beim BAMF, verbunden mit den Personalengpässen z.B. bei den kommunalen Ausländerbehörden in NRW, begegnen?

Enxhi Seli-Zacharias
Markus Wagner

 

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1 Vgl. htt ps:/ / w w w . w e l t . d e / p o l i t i k / d e u t s chland/plus243670317/BAMF -reduzierte-Personal-fuer-Entzug-von-Schutztiteln-drastisch.html?source=puerto- r e c o – 2 _ A B C – V 1 8 . 1 . A _ c o ntrol

2 Ebd.


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 1430 mit Schreiben vom 22. März 2023 namens der Landesregierung im Ein­vernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.

  1. Welchen Entscheidungsfreiraum haben die Behörden bei der Beurteilung des Vor­strafenregisters bzw. des Gefährdungspotentials der Allgemeinheit durch die be­troffenen Personen in Bezug auf die Beantragung eines Widerrufs- und Rücknah­meverfahrens beim BAMF?

Das Widerrufs- und Rücknahmeverfahren von asylrechtlichen Schutzstatus ist in §§ 73 ff. Asyl­gesetz geregelt. Dieses führt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BMAF) in eigener Zuständigkeit durch. Eines Antrags bedarf es nicht. In Bezug auf bestimmte strafrechtlich re­levante Erkenntnisse (z.B. die Erledigung eines Strafverfahrens durch bestimmte rechtskräf­tige Verurteilungen) ist in § 8 Abs. 1a Asylgesetz gesetzlich geregelt, dass es den für die Ein­leitung eines Strafverfahrens zuständigen Stellen obliegt, das BAMF entsprechend zu unter­richten.

  1. Wie viele entsprechende Meldungen bzw. Beantragungen gegenüber dem BAMF gab es in den Jahren 2017-2022 in NRW (Bitte nach Jahr, Anzahl und Art der Be­hörde, also kommunale Ausländerbehörde bzw. Sicherheits-; Strafverfolgungs-; und Leistungsbehörden differenziert listen)
  2. Wie viele Widerrufs- und Rücknahmeverfahren wurden auf der Grundlage der Mel­dung einer Behörde in NRW eingeleitet?
  3. In wie vielen dieser Wiederruf- und Rücknahmeverfahren wurde der Aufenthaltsti­tel dann tatsächlich entzogen?

Die Fragen 2, 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Für die Durchführung von Widerrufs- und Rücknahmeverfahren sowie deren statistische Er­fassung ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig. Der Landesregierung lie­gen keine Daten im Sinne der Fragestellungen vor.

  1. In welcher Form möchte die Landesregierung der Gefahr ausbleibender bzw. ver­schleppter Widerrufs- und Rücknahmeverfahren durch die Personaleinsparungen des BAMF, verbunden mit den Personalengpässen, z.B. bei den kommunalen Aus­länderbehörden in NRW, begegnen?

Die organisatorischen Abläufe sowie die Personalausstattung des BAMF liegen in der Eigen­verantwortlichkeit des BAMF. Vor diesem Hintergrund liegen der Landesregierung keine Er­kenntnisse vor.

 

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