Pflege ernst nehmen – Brücken bauen, anstatt sie einzureißen.

Antrag
vom 28.09.2021

Antragder AfD-Fraktion vom 28.09.2021

 

Pflege ernst nehmen Brücken bauen, anstatt sie einzureißen.

I. Ausgangslage

Die Selbstverwaltung der Heilberufe wird in Deutschland von den Ländern überwacht. Jedes Bundesland besitzt ein eigenes Heilberufsgesetz. Das Heilberufsgesetz des jeweiligen Bundeslandes bildet die Grundlage für die Struktur und Organisation der Kammern als Körperschaft öffentlichen Rechts. Dieses wurde in Nordrhein-Westfalen, gegen die Stimmen der AfD und der SPD, durch mehrheitlichen Beschluss des Landtages am 30. Juni 2020 dahingehend geändert, dass ein Gesetz zur Einrichtung einer Pflegekammer Nordrhein-Westfalen eingeführt wurde. Die Verkammerung der Pflegeberufe in Nordrhein-Westfalen wurde mit diesem Beschluss und der damit einhergehenden Gesetzesänderung möglich gemacht, und der Errichtungsausschuss Pflegekammer NRW trat erstmalig im September 2020 zusammen.

Das Kammersystem in den Pflegeberufen wird jedoch nicht nur in der Politik kontrovers diskutiert. Mangels bundeseinheitlicher Regelungen bestimmt jedes Land autonom über die Errichtung und die jeweiligen Rahmenbedingungen einer Pflegekammer. So hat das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales am 28. August 2018 durch Herrn Minister Laumann verkünden lassen, dass die Pflegefachkräfte durch eine repräsentative Umfrage über die Errichtung einer Pflegekammer in Nordrhein-Westfalen abstimmen sollen.1 Hierzu wurden laut Ministerium von den (Stand 2018) 197.000 in Nordrhein-Westfalen registrierten Pflegefachkräften 1.500 als „repräsentative Stichprobe“ befragt.2 Dieser Umfrage nach sollen sich 79% der Befragten für die Einrichtung einer Pflegekammer ausgesprochen haben.3 Inwieweit und nach welchen Kriterien die befragten Personen zur Erstellung einer „repräsentativen Umfrage“ ausgewählt wurden ließ das Ministerium offen, sogleich wurden die für den Prozess notwendigen Gesetzesänderungen verfasst.

Während aufgrund anhaltender Kritik an Pflegekammern in anderen Ländern der Bundesrepublik bereits deren Abwicklung beschlossen wurde, konzentriert sich Nordrhein-Westfalen auf die Errichtung einer solchen.4 Doch auch dies geschieht nicht ohne Protest seitens der Pflegefachkräfte. Nach Angaben des zuständigen Ausschusssekretariats sind mit Beginn der Registrierung der Pflegekräfte durch den Errichtungsausschuss der Pflegekammer NRW über 3.000 Bürgerzuschriften eingegangen, in welchem die Eingebenden mitteilen, gegen die Aufnahme in die Pflegekammer zu sein. Darüber hinaus hat sich auch der Petitionsausschuss mit einer Massenpetition5 gegen die Zwangsmitgliedschaft in der Pflegekammer befasst und eine Stellungnahme der Landesregierung eingeholt. Darin heißt es, bezogen auf die die Bedenken der Petenten: „Die Aussagen entbehren jeglicher Grundlage – das Gegenteil ist der Fall.“6 Weiterhin argumentiert das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales in seiner Stellungnahme, dass „mit der kritisierten Pflichtmitgliedschaft in der Pflegekammer keine verfassungsmäßigen Bedenken einhergehen, da die Pflegekammer einen legitimen Zweck erfüllt und Aufgaben wahrnimmt, an deren Erfüllung ein gesteigertes Interesse der Gemeinschaft besteht.“7 Bereits im Zuge dieses Verfahrens wird verdeutlicht, inwieweit die Feststellung des Ministeriums konträr zu der Auffassung eines nicht unerheblichen Teils der Pflegefachkräfte in Nordrhein-Westfalen ist. Auch ist fraglich, inwieweit die durch das Ministerium durchgeführte „repräsentative Umfrage“ tatsächlich als solche gewertet werden kann. Es ist demnach unerlässlich für den Erfolg und die Ausgestaltung einer möglichen Pflegekammer in Nordrhein-Westfalen, die Pflegefachkräfte direkt und unmittelbar an der Ausgestaltung teilhaben zu lassen und ihnen selbst die Feststellung der Rahmen- und Eckpunkte zu überlassen. Auch bedarf es weitergehender Informationsveranstaltungen, um die Pflegefachkräfte in die Arbeit des Ministeriums und des Errichtungsausschusses Pflegekammer NRW mit einzubinden und Missverständnissen nachhaltig entgegen zu wirken.

II. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. einen „runden Tisch“ mit allen an der Errichtung einer Pflegekammer NRW beteiligten Akteuren einzurichten, der sich mit dem Informationsaustausch und den Bedenken der Pflegefachkräfte angemessen auseinandersetzt und deren Mitwirkung ermöglicht;
  2. die freiwillige Entrichtung eines Mitgliedsbeitrages, respektive Mitgliedschaft zu prüfen und gegebenenfalls staatliche Fördermittel heranzuziehen;
  3. die Möglichkeit einer Urabstimmung unter allen in Nordrhein-Westfalen registrierten Pflegefachkräften zu prüfen, welche sich mit dem Fortbestand der Einrichtung der Pflegekammer befasst.

Dr. Martin Vincentz
Markus Wagner
Andreas Keith

und Fraktion

 

Antrag als PDF

 

1 https://www.mags.nrw/pressemitteilung/minister-laumann-die-pflegefachkraefte-entscheiden-nun-selbst-ob-und-welcher-form

2 Ebd.

3 https://www.anerkennung-nrw.de/nrw-bekommt-eine-pflegekammer/

4 https://ag-mav.org/2021/04/pflegekammer-niedersachsen-aufloesung-noch-in-diesem-jahr/

5 , Petition 17-P-2021- 24750-00

6 Aktenzeichen VC2-94.02.01.0008674

7 Ebd.