Kleine Anfrage 4075des Abgeordneten Markus Wagner, Dr. Martin Vincentz und Andreas Keith vom 09.07.2020
Politisch motivierte Zahlenspiele des Verfassungsschutzes
Das Bundesinnenministerium war zunächst bestrebt, unter anderem die Junge Alternative für Deutschland (JA), die lediglich als ein so genannter „Verdachtsfall“ eingestuft wird, nicht im Verfassungsschutzbericht über das Jahr 2019 in einem eigenen Kapitel zu erwähnen. Allerdings setze sich das Bundesamt für Verfassungsschutz ob der Sorge, bei Politik, Medien und Öffentlichkeit auf Unverständnis zu stoßen, also aus reinen PR-Gründen, mit der Forderung einer expliziten Erwähnung letztlich durch.1 Diese Entscheidung hat unmittelbare Auswirkungen auf die Gesamtzahl der tatsächlichen und vermeintlichen Rechtsextremisten in Deutschland:
„Der Verfassungsschutzbericht zählt deshalb für 2019 rund 32.000 Rechtsextreme – 8000 mehr als 2018.“2
Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz hingegen musste trotz langer Prüfung im März 2020 mitteilen, dass man bezüglich des Landesverbandes NRW der Jungen Alternative auf der Grundlage der vorliegenden Anhaltspunkte weiterhin lediglich von einem Prüffall ausgehe.3
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Inwiefern werden die Mitglieder des Landesverbandes NRW der Jungen Alternative pauschal bei der Berechnung der bundesweiten Gesamtzahl von Rechtsextremisten miteinbezogen, obwohl diese in Nordrhein-Westfalen selbst nicht als rechtsextremistisch gelten?
- Gilt ein einfaches Mitglied der JA NRW, das weder ein Amtsträger ist noch durch anderweitige Bestrebungen in Erscheinungen getreten ist, auf Bundesebene als Rechtsextremist und in Nordrhein-Westfalen nicht?
- Ordnet der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz die JA NRW, die auch nach eingehender Bewertung weiterhin bloß als „Prüffall“ klassifiziert wird, dem demokratischen Spektrum zu?
Markus Wagner
Andreas Keith
Dr. Martin Vincentz
1 Vgl. RND (2020): Verfassungsschutzbericht: Seehofer-Ministerium wollte keine AfD-Nennung; online im Internet: https://www.rnd.de/politik/verfassungsschutz-bericht-seehofer-ministerium-wollte-keine-afd-nennung-HPKOSPLCHJCQBDOWIX45E2L5AE.html.
2 Ebd..
3 Vgl. APr 17/941, S. 40.
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 4075 mit Schreiben vom 4. August 2020 namens der Landesregierung beantwortet.
- Inwiefern werden die Mitglieder des Landesverbandes NRW der Jungen Alternative pauschal bei der Berechnung der bundesweiten Gesamtzahl von Rechtsextremisten miteinbezogen, obwohl diese in Nordrhein-Westfalen selbst nicht als rechtsextremistisch gelten?
- Gilt ein einfaches Mitglied der JA NRW, das weder ein Amtsträger ist noch durch anderweitige Bestrebungen in Erscheinungen getreten ist, auf Bundesebene als Rechtsextremist und in Nordrhein-Westfalen nicht?
Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Berechnung des bundesweiten Personenpotentials im Bereich Rechtsextremismus fällt nicht in die Zuständigkeit der Landesregierung. Daher kann dazu nicht Stellung genommen werden.
Mitglieder der „Jungen Alternative“ werden in Nordrhein-Westfalen derzeit nicht in das hiesige Personenpotential im Bereich Rechtsextremismus einbezogen.
- Ordnet der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz die JA NRW, die auch nach eingehender Bewertung weiterhin bloß als „Prüffall“ klassifiziert wird, dem demokratischen Spektrum zu?
Gemäß § 3 Absatz 1 Verfassungsschutzgesetz NRW gehört es zu den gesetzlichen Aufgaben des Verfassungsschutzes, Informationen über verfassungsfeindliche Bestrebungen zu sammeln und auszuwerten. Bei der Bewertung einer Organisation als „Prüffall“ liegen erste Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen vor.