Kleine Anfrage 4923
des Abgeordneten Christian Loose AfD
Politische Gewalt statt fairer Diskurs? Mutmaßlicher tätlicher Angriff durch SPD-Fraktionsvorsitzenden auf AfD-Kommunalpolitiker in Hürth
Am frühen Morgen des 21. Dezember 2023 kam es in einer Gaststätte in Hürth zu einem schwerwiegenden Vorfall, bei dem der Fraktionsvorsitzende der SPD im Stadtrat Hürth mutmaßlich den Kommunalpolitiker der AfD, Herrn R., tätlich angegriffen hat. Nach Aussagen von Herrn R. geschah der Angriff ohne Provokation, während er sich in privater Runde mit Freunden aufhielt. Der Vorfall wurde durch eine Überwachungskamera dokumentiert, und Herr R. hat umgehend die Polizei eingeschaltet und Strafanzeige erstattet.1
Dieser Vorfall ist von politischer und gesellschaftlicher Relevanz. Er wirft nicht nur grundlegende Fragen zur persönlichen Integrität und Gewaltbereitschaft einzelner politischer Vertreter auf, sondern betrifft auch die Glaubwürdigkeit und die Wertebasis des demokratischen Diskurses. Besonders brisant ist, dass die Tat mutmaßlich von einem hochrangigen Vertreter der SPD aus dem Rhein-Erft-Kreis ausgegangen sein soll, einer Partei, die erst kürzlich öffentlich Respekt und Fairness im politischen Wettbewerb betonte.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
- Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben beschriebenen Vorfall? (Bitte Tathergang sowie Straftatbestände aufschlüsseln.)
- Welche polizeilichen Erkenntnisse sind über den Tatverdächtigen bekannt?
- Inwieweit ergeben sich aus der Auswertung der Tonaufnahmen der Überwachungskameras Hinweise darauf, dass der mutmaßliche Vorfall politisch motiviert gewesen sein könnte?
- Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass der mutmaßliche Täter weiterhin ein kommunalpolitisches Amt ausübt, obwohl der Vorwurf einer potenziell strafbaren Handlung im Raum steht?
- Welche Unterstützung bietet die Landesregierung Kommunalpolitikern, die Opfer von Gewalt oder Bedrohung werden, insbesondere wenn der Täter ein anderer Mandatsträger ist?
Christian Loose
1 https://x.com/erdbeerbuegler/status/1871064944914882824?s=46&t=UCNKxaltrzvSBJ2gFjTB0w
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 4923 mit Schreiben vom 31. Januar 2025 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung und dem Minister der Justiz beantwortet.
- Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben beschriebenen Vorfall? (Bitte Tathergang sowie Straftatbestände aufschlüsseln.)
Am 21.12.2024 kam es gegen 04:30 Uhr in der Gaststätte „Adlerhof“ in Hürth zu einer verbalen und sodann körperlichen Auseinandersetzung zwischen mehreren Personen. Der Sachverhalt wurde durch eine Videoüberwachungsanlage der Gaststätte aufgezeichnet und im Anschluss medial bekannt. Es wurden insgesamt drei Ermittlungsverfahren eingeleitet, davon gegen eine Person wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung, gegen eine Person wegen des Verdachts der Beleidigung, der vorsätzlichen Körperverletzung sowie der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen sowie gegen eine Person wegen des Verdachts der Volksverhetzung.
Die polizeilichen Ermittlungen dauern an. Grundsätzlich sind Auskünfte zu strafprozessualen Ermittlungsverfahren ausschließlich der sachleitenden und zugleich auskunftsberechtigten Staatsanwaltschaft vorbehalten, welcher die Ermittlungsakten derzeit noch nicht vorliegen, sodass keine näheren Einzelheiten zum aktuellen Ermittlungsstand mitgeteilt werden können.
- Welche polizeilichen Erkenntnisse sind über den Tatverdächtigen bekannt?
Zu den an der Auseinandersetzung beteiligten Tatverdächtigen liegen keine kriminalpolizeilichen Erkenntnisse vor.
- Inwieweit ergeben sich aus der Auswertung der Tonaufnahmen der Überwachungskameras Hinweise darauf, dass der mutmaßliche Vorfall politisch motiviert gewesen sein könnte?
Die polizeiliche Auswertung der Videoüberwachungsaufnahmen ist Gegenstand der strafprozessualen Ermittlungsverfahren und dauert derzeit noch an. Es wird insoweit auf die Beantwortung der Frage 1 verwiesen.
- Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass der mutmaßliche Täter weiterhin ein kommunalpolitisches Amt ausübt, obwohl der Vorwurf einer potenziell strafbaren Handlung im Raum steht?
Der Verlust des Ratsmandats wäre bei Vorliegen strafrechtlich relevanten Verhaltens denkbar, wenn das betreffende Ratsmitglied infolge eines Richterspruchs in der Bundesrepublik Deutschland die Wählbarkeit oder die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht (mehr) besäße (§ 37 Nr. 2 i.V.m. § 12 Abs. 2 Kommunalwahlgesetz). Die entsprechende rechtliche wie tatsächliche Würdigung des Sachverhalts ist folglich den Gerichten vorbehalten, denen vorzugreifen der Landesregierung versagt ist.
Darüber hinaus besteht grundsätzlich auch die Möglichkeit eines Fraktionsausschlusses bei Vorliegen eines wichtigen Grundes. Es handelt sich hierbei jedoch um eine ultima ratio der Fraktionen. Deren Mitglieder trifft im Rahmen des freien Mandats allgemein die Pflicht, alles zu unterlassen, was der Fraktion, ihrer Arbeit oder ihrem Ansehen schadet. Bei Pflichtverstößen von hinreichender Schwere ist ein Ausschluss im Einzelfall möglich, wenn eine Fortsetzung der Zusammenarbeit der Fraktion nicht weiter zuzumuten ist. Die Entscheidung hierüber trifft ausschließlich die betreffende Fraktion.
- Welche Unterstützung bietet die Landesregierung Kommunalpolitikern, die Opfer von Gewalt oder Bedrohung werden, insbesondere wenn der Täter ein anderer Mandatsträger ist?
Mandats- und besondere Amtsträger sind im Rahmen der NRW-Initiative „Mehr Schutz und Sicherheit von Beschäftigten im öffentlichen Dienst“ gesonderte Zielgruppe. Das Netzwerk #si-cherimDienst hat in diesem Zusammenhang für Personen, die aufgrund ihrer Stellung besonders in der Öffentlichkeit stehen, Empfehlungen zur Prävention, zum Umgang mit Gewaltvorfällen und der Nachsorge erarbeitet. Für politisch Aktive sind zudem spezifische Empfehlungen für den Wahlkampf veröffentlicht. Schutz und Sicherheit von (Kommunal)Politikern ist wiederkehrend Thema von Netzwerk-Veranstaltungen wie der „Sicheren Stunde“. Sowohl die Präventionsempfehlungen u.a. in Form eines Leitfadens als auch weitergehende Informationen zum Gewaltschutznetzwerk sind unter www.sicherimdienst.nrw frei abrufbar.
Im Übrigen verweise ich auf meinen schriftlichen Bericht für die Sitzung des Innenausschusses am 06.06.2024 zu dem Tagesordnungspunkt „Demokratie bewahren – Politisches und gesellschaftliches Engagement stärken: Maßnahmen zum Schutz von Amts- und Mandatsträgern.“ (Vorlage 18/2629).
Die Betroffenen können sich zudem jederzeit aus dem In- und Ausland telefonisch, per E-Mail, Post oder persönlich unmittelbar an die Beauftragte für den Opferschutz und ihr Team des Ministeriums der Justiz NRW wenden. Eine ihrer Kernaufgaben ist es, Kriminalitätsopfern den ersten Zugang zu den unterschiedlichen bestehenden Hilfsangeboten zu erleichtern. Sie informiert Opfer und nimmt die Lotsenfunktion zu den verschiedenen Angeboten der Opferhilfe wahr. Da sie überregional agiert, kann sie im Bedarfsfall für eine Kooperation der verschiedenen Opferhilfeeinrichtungen untereinander und die Bündelung der Hilfsangebote sorgen. Zudem unterhält das Ministerium der Justiz eine Kooperationsvereinbarung mit den Landesverbänden NRW/Rheinland und NRW/Westfalen-Lippe des Vereins WEISSER RING e. V, die am 19.01. 2024 erweitert und aktualisiert wurde. Im Rahmen der Kooperation gewährleistet der WEISSE RING e.V. die ständige Erreichbarkeit seiner Außenstellen für die Opfer und die Behörden der Justiz. Er unterstützt Zeugenbetreuungsstellen bei den Gerichten. Die Leiterinnen und Leiter der Außenstellen stehen diesen als Ansprechpartnerinnen und -partner zur Verfügung. Opfer von Straftaten werden von den Justizbehörden in geeigneten Fällen auf die Hilfeleistungen des WEISSEN RINGS e.V. hingewiesen.