Kleine Anfrage 4646
des Abgeordneten Dr. Martin Vincentz AfD
Politische Neutralität in Krankenhäusern im Kontext ihrer Rolle in der Daseinsvorsorge und des ärztlichen Ethos
in der Antwort auf die Kleine Anfrage 4370 (LT-Drs. 18/10561) führte die Landesregierung aus, dass Krankenhäuser keine grundsätzliche gesetzliche Verpflichtung zur politischen Neutralität haben. Dennoch erfüllen Krankenhäuser eine zentrale Rolle in der Daseinsvorsorge, indem sie allen Bürgerinnen und Bürgern unabhängig von politischer Überzeugung, Herkunft oder Weltanschauung Zugang zu lebenswichtigen Gesundheitsleistungen bieten. Dies macht sie zu Orten, an denen Neutralität und Unparteilichkeit nicht nur wünschenswert, sondern unverzichtbar sind.
Zusätzlich unterstreicht das ärztliche Gelöbnis, wie es in der Deklaration von Genf festgehalten ist, die Verpflichtung der Ärzteschaft, keine politischen oder sonstigen Faktoren zwischen ihre Pflichten und die Patientinnen und Patienten treten zu lassen. Dies wirft die Frage auf, ob politische Äußerungen oder parteipolitische Aktivitäten in Krankenhäusern nicht im Widerspruch zur Aufgabe dieser Einrichtungen stehen.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Krankenhäuser haben die Aufgabe, Menschen unabhängig von deren politischer, religiöser oder weltanschaulicher Überzeugung sowie von Alter, Krankheit, Behinderung, ethnischer Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung, sozialer Stellung oder Staatsangehörigkeit medizinisch zu versorgen. Inwiefern sieht die Landesregierung eine ethische Verpflichtung der Krankenhäuser, insbesondere ein diskriminierungsfreies und neutrales Umfeld zu schaffen, um das Vertrauen aller Bürgerinnen und Bürger in das Gesundheitssystem zu gewährleisten?
- Wie bewertet die Landesregierung die Möglichkeit, dass nicht nur parteipolitische Äußerungen, sondern auch diskriminierende Äußerungen oder Handlungen innerhalb von Krankenhäusern als potenziell belastend für Patienten oder Besucher wahrgenommen werden können, insbesondere in Hinblick auf deren gesundheitlich und emotional vulnerable Lage?
- Inwiefern sieht die Landesregierung einen Widerspruch zwischen der im ärztlichen Gelöbnis verankerten Verpflichtung, jegliche politische, religiöse, soziale oder ideologische Einflüsse von der Behandlung von Patienten fernzuhalten, und der in der Antwort auf die Kleine Anfrage 4370 getroffenen Aussage, dass es keine gesetzliche Verpflichtung zur politischen Neutralität in Krankenhäusern gibt?
- Inwiefern sieht die Landesregierung angesichts der besonderen Rolle von Krankenhäusern als Teil der Daseinsvorsorge Grenzen für die Ausübung der freien Meinungsäußerung, insbesondere wenn politische Meinungen oder diskriminierende Botschaften innerhalb dieser Einrichtungen das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in die Neutralität und Gleichbehandlung der Gesundheitsversorgung beeinträchtigen könnten?
- Inwiefern sieht die Landesregierung ethische oder gesetzliche Verpflichtungen für Krankenhäuser und deren Mitarbeiter, nicht nur auf parteipolitische Aktivitäten, sondern auch auf jegliche Form von Diskriminierung (basierend auf Alter, Krankheit, Behinderung, Glaube, ethnischer Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung oder sozialer Stellung) zu verzichten, um ein diskriminierungsfreies Umfeld in der Gesundheitsversorgung zu gewährleisten?
Dr. Martin Vincentz
Der Minister für Arbeit und Gesundheit hat die Kleine Anfrage 4646 mit Schreiben vom 12. November 2024 namens der Landesregierung beantwortet.
- Krankenhäuser haben die Aufgabe, Menschen unabhängig von deren politischer, religiöser oder weltanschaulicher Überzeugung sowie von Alter, Krankheit, Behinderung, ethnischer Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung, sozialer Stellung oder Staatsangehörigkeit medizinisch zu versorgen. Inwiefern sieht die Landesregierung eine ethische Verpflichtung der Krankenhäuser, insbesondere ein diskriminierungsfreies und neutrales Umfeld zu schaffen, um das Vertrauen aller Bürgerinnen und Bürger in das Gesundheitssystem zu gewährleisten?
Krankenhäuser sind gesetzlich verpflichtet, Pflege, Betreuung und Behandlung sowie die gesamten Betriebsabläufe im Krankenhaus der Würde der Patientinnen und Patienten anzupassen und angemessen zu gestalten. Darüber hinaus tragen die Krankenhäuser auch den weltanschaulichen, soziokulturellen und religiösen Unterschieden Rechnung, § 3 Absatz 1 des Krankenhausgestaltungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (KHGG NRW). Bereits nach der einfachgesetzlichen Regelung verbietet sich insofern eine Diskriminierung von Patientinnen und Patienten. Etwaige Verstöße gegen § 3 KHGG NRW können im Einzelfall einer Prüfung im Rahmen der Rechtsaufsicht unterzogen werden. Wird im Rahmen der Prüfung ein Verstoß gegen Rechtsvorschriften festgestellt, kann die Aufsichtsbehörde geeignete Maßnahmen zur Abhilfe ergreifen.
- Wie bewertet die Landesregierung die Möglichkeit, dass nicht nur parteipolitische Äußerungen, sondern auch diskriminierende Äußerungen oder Handlungen innerhalb von Krankenhäusern als potenziell belastend für Patienten oder Besucher wahrgenommen werden können, insbesondere in Hinblick auf deren gesundheitlich und emotional vulnerable Lage?
Es wird auf die Ausführungen zu Frage 1 verwiesen. Darüber hinaus besteht kein Anspruch von Patientinnen und Patienten außerhalb der originären Krankenhausleistungen, zum Beispiel durch einen Aushang vor der Cafeteria, nicht mit gegebenenfalls ihren parteipolitisch nicht übereinstimmenden Überzeugungen konfrontiert zu werden.
- Inwiefern sieht die Landesregierung einen Widerspruch zwischen der im ärztlichen Gelöbnis verankerten Verpflichtung, jegliche politische, religiöse, soziale oder ideologische Einflüsse von der Behandlung von Patienten fernzuhalten, und der in der Antwort auf die Kleine Anfrage 4370 getroffenen Aussage, dass es keine gesetzliche Verpflichtung zur politischen Neutralität in Krankenhäusern gibt?
Das ärztliche Gelöbnis ist den Ärztlichen Berufsordnungen der nordrhein-westfälischen Ärztekammern vorangestellt. Es beinhaltet unter anderem die folgende Formulierung: „Ich werde nicht zulassen, dass Erwägungen zu Alter, Krankheit oder Behinderung, Glaube, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, politischer Zugehörigkeit, Rasse, sexueller Orientierung, sozialer Stellung oder jegliche andere Erwägungen mich von der Erfüllung meiner Pflichten gegenüber meiner Patientin oder meinem Patienten abbringen.“
Aus dieser Formulierung ergibt sich, dass sich Ärztinnen und Ärzte bei der Behandlung ihrer Patientinnen und Patienten neutral verhalten müssen. Dies gilt auch für die politische Zugehörigkeit der Patientinnen und Patienten. Das ärztliche Gelöbnis findet jedoch keine unmittelbare Anwendung im Verhältnis des Krankenhausträgers zu den Patientinnen und Patienten. Insbesondere können politische Äußerungen, die den Absender nicht erkennen lassen und die den Patientinnen und Patienten außerhalb der originären Krankenhausbehandlung gewahr werden, bereits objektiv nicht unmittelbar dem ärztlichen Personal zugerechnet werden. Insofern sieht die Landesregierung keinen Widerspruch.
- Inwiefern sieht die Landesregierung angesichts der besonderen Rolle von Krankenhäusern als Teil der Daseinsvorsorge Grenzen für die Ausübung der freien Meinungsäußerung, insbesondere wenn politische Meinungen oder diskriminierende Botschaften innerhalb dieser Einrichtungen das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in die Neutralität und Gleichbehandlung der Gesundheitsversorgung beeinträchtigen könnten?
Es wird auf die Ausführungen zu den Fragen 1, 2 und 3 verwiesen. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass die Grenzen der Ausübung der freien Meinungsäußerung nicht von der Landesregierung als Teil der Exekutive beurteilt werden.
- Inwiefern sieht die Landesregierung ethische oder gesetzliche Verpflichtungen für Krankenhäuser und deren Mitarbeiter, nicht nur auf parteipolitische Aktivitäten, sondern auch auf jegliche Form von Diskriminierung (basierend auf Alter, Krankheit, Behinderung, Glaube, ethnischer Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung oder sozialer Stellung) zu verzichten, um ein diskriminierungsfreies Umfeld in der Gesundheitsversorgung zu gewährleisten?
Es wird auf die Ausführungen zu den Fragen 1, 2, 3 und 4 verwiesen.