Politischer Extremismus in Nordrhein-Westfalen

Kleine Anfrage
vom 14.02.2020

Kleine Anfrage 3412des Abgeordneten Thomas Röckemann vom 14.02.2020

 

Politischer Extremismus in Nordrhein-Westfalen

Der Staatsschutz in Nordrhein-Westfalen ist für die Verhütung, zur Gefahrenabwehr sowie für die Verfolgung politisch motivierter Kriminalität zuständig. Zur Erreichung dieser Ziele verfügt der Staatsschutz als Teil der Polizei über Exekutivbefugnisse; er kann, jeweils im Bereich der politisch motivierten Kriminalität, bei konkreten Gefahren oder bei Begehung einer Straftat entsprechend tätig werden.

Der „Verfassungsschutzbericht 2018“ führt unter anderem auch die politisch motivierte Kriminalität auf, und zwar in den Phänomenbereichen des Rechtsextremismus’ (PMK-Rechts), des Linksextremismus’ (PMK-Links), des auslandsbezogenen Extremismus’ (PMK-ausländische Ideologie), des religiösen Extremismus’ (PMK-religiöse Ideologie) sowie des sonstigen, nicht eindeutig feststellbaren Extremismus’ (PMK-nicht zuzuordnen).

Im Bereich der Gewaltkriminalität weist der Bericht für das Jahr 2018 217 Fälle für den Phänomenbereich der PMK-Rechts aus, 447 Fälle für den Bereich der PMK-Links, 119 Fälle für den Bereich der PMK-ausländische Ideologie, acht Fälle für den Bereich der PMK-religiöse Ideologie sowie 29 Fälle für den Bereich der PMK-nicht zuzuordnen.

Die Aufklärungsquote betrug im Jahre 2018 für den Bereich der PMK 43,1 Prozent. Aufgeklärt wurden insgesamt 2.689 Straftaten; davon waren 820 Gewaltdelikte, bei denen eine Aufklärungsquote von 51,6 Prozent vorliegt.

Die Gesamtzahl der entsprechenden Delikte belegt einen Anstieg von 42,1 Prozent gegenüber dem Jahre 2017 (Anzahl von Gewaltdelikten im Bereich der PMK: 577).1

Ich frage daher die Landesregierung:

1. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden innerhalb der letzten fünf Jahre im Bereich der politisch motivierten Kriminalität in Nordrhein-Westfalen eingeleitet? (Bitte aufschlüsseln nach Deliktsart und Phänomenbereich)

2. Wie viele dieser unter Punkt 1. bezeichneten Ermittlungsverfahren wurden eingestellt? (Bitte auflisten nach Einstellungsgrund, Deliktsart und Phänomenbereich)

3. Bei wie vielen dieser unter Punkt 1. bezeichneten Ermittlungsverfahren wurde das Hauptverfahren eröffnet? (Bitte auflisten nach Deliktsart, Phänomenbereich sowie Zeitansatz vom Beginn des Ermittlungsverfahrens bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens)

4. Wie viele dieser unter Punkt 3. bezeichneten Hauptverfahren wurden durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossen? (Bitte auflisten nach Deliktsart, Strafmaß bzw. Freispruch sowie Phänomenbereich)

5. Wie viele dieser unter Punkt 3. bezeichneten Hauptverfahren wurden eingestellt? (Bitte auflisten nach Einstellungsgrund, Deliktsart und Phänomenbereich)

Thomas Röckemann

 

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1 https://polizei.nrw/sites/default/files/2019-07/VS_Bericht_2018_JB_2018.pdf (abgerufen am 16.01.2020).


Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 17.03.2020

 

Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 3412 mit Schreiben vom 17. März 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern beantwortet.

1. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden innerhalb der letzten fünf Jahre im Bereich der politisch motivierten Kriminalität in Nordrhein-Westfalen eingeleitet? (Bitte aufschlüsseln nach Deliktsart und Phänomenbereich)

Soweit die Frage den Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern berührt, wird sie wie folgt beantwortet:

Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt bundesweit einheitlich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“. Der PMK werden demnach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie

  • den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten;
  • sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben;
  • durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden;
  • gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet.

Darüber hinaus gehören Straftaten gemäß §§ 80a-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102-104a, 105­108e, 109-109h, 129a, 129b, 234a oder 241a StGB als Staatsschutzdelikte zur PMK, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.

Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungszusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet.

Datenquelle zur Beantwortung der Frage ist der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen der politisch motivierten Kriminalität (KPMD-PMK).

Die Polizei eröffnet immer dann ein Ermittlungsverfahren, sobald sie Kenntnis von einer Straftat erhalten hat. Für den Gesamtzeitraum der Jahre 2015 bis Ende 2019 wurden insgesamt 33.846 politisch motivierte Straftaten erfasst. Näheres bitte ich der beigefügten Anlage zu entnehmen. Dabei ist zu beachten, dass die Phänomenbereiche „PMK-Religiöse Ideologie“ und „PMK-Ausländische Ideologie“ erst 2017 eingeführt wurden. Zuvor wurden diese Straftaten dem Phänomenbereich PMK-Ausländer zugeordnet.

Soweit die Frage den Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz betrifft, kann zu ihrer Beantwortung Folgendes ausgeführt werden:

Die Geschäftsstatistiken der nordrhein-westfälischen Staatsanwaltschaften weisen für die Jahre 2015 bis 2019 insgesamt 40.272 Verfahrensneueingänge für die Bereiche „Staatsschutzsachen“ und „Politische Strafsachen“ aus. Dabei umfassen „Politische Strafsachen“ auch Demonstrationsstrafverfahren, Verfahren gegen Abgeordnete, die Immunität genießen (ausgenommen Verkehrsstrafsachen), Beleidigungen im politischen Raum, Strafsachen betreffend die Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern nach § 108e StGB sowie die Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 91 StGB.

Hinsichtlich einzelner Phänomenbereiche wird auf die Antworten der Landesregierung auf entsprechende Kleine Anfragen, insbesondere die Kleinen Anfragen 675, 676, 677, 684 (LT-Drs. 17/2665), 1990 (LT-Drs. 17/5337), 1991 (LT-Drs. 17/5338), 1993 (LT-Drs. 17/5340), 2008 (LT-Drs. 17/5339), 3300 (LT-Drs. 17/8668), 3301 (LT-Drs. 17/8678), 3302 (LT-Drs. 17/8688), 3303 (LT-Drs. 17/8692), 3307 (LT-Drs. 17/8689), 3308 (LT-Drs. 17/8673), 3310 (LT-Drs. 17/8676), 3311 (LT-Drs. 17/8669), 3317 (LT-Drs. 17/8677) und 3319 (LT-Drs. 17/8674), Bezug genommen.

Darüber hinausgehende justizielle Daten liegen in aufbereiteter Form nicht vor und können mit einem für die Strafrechtspflege vertretbaren Aufwand nicht beschafft werden.

2. Wie viele dieser unter Punkt 1. bezeichneten Ermittlungsverfahren wurden eingestellt? (Bitte auflisten nach Einstellungsgrund, Deliktsart und Phänomenbereich)

3. Bei wie vielen dieser unter Punkt 1. bezeichneten Ermittlungsverfahren wurde das Hauptverfahren eröffnet? (Bitte auflisten nach Deliktsart, Phänomenbereich sowie Zeitansatz vom Beginn des Ermittlungsverfahrens bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens)

4. Wie viele dieser unter Punkt 3. bezeichneten Hauptverfahren wurden durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossen? (Bitte auflisten nach Deliktsart, Strafmaß bzw. Freispruch sowie Phänomenbereich)

5. Wie viele dieser unter Punkt 3. bezeichneten Hauptverfahren wurden eingestellt? (Bitte auflisten nach Einstellungsgrund, Deliktsart und Phänomenbereich

Die Fragen 2 bis 5 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Daten hierzu liegen dem Ministerium der Justiz nicht vor und können innerhalb der zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit und mit einem für die Strafrechtspflege vertretbaren Aufwand nicht erhoben und ausgewertet werden.

 

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