Antragder AfD-Fraktion vom 17.11.2020
Präventionsangebote schaffen – psychische Gesundheit in den Vordergrund stellen.
I. Ausgangslage
Die Corona-Pandemie stellt für alle Betroffenen eine komplexe Belastungssituation dar, die an kaum einem Menschen spurlos vorübergeht. Unsicherheit, Ängste um die eigene Gesundheit und um die Gesundheit nahestehender Menschen, existenzielle Zukunftsängste und eine herausfordernde Ungewissheit über die weitere Entwicklung der Krise erweisen sich als große Beanspruchungen. Auch der Lebensalltag hat sich deutlich verändert und viele Menschen müssen mit reduzierten sozialen Kontakten und oft wenig körperlicher Nähe bis hin zur sozialen Isolation klarkommen.
Manche Menschen sind körperlich vorerkrankt und deshalb durch eine Corona-Infektion besonders gefährdet. Einige trifft die Pandemie härter, weil sie selbst oder Angehörige erkrankt sind oder weil sie als beruflich Pflegende oder Ärzte ständigen Kontakt mit Coronakranken haben. Andere müssen vor allem mit den Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen oder mit dem Wegfall gewohnter Tagesstrukturen und der für sie üblichen Betreuungs- und Pflegeangebote klarkommen. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass die Corona-Pandemie psychische Erkrankungen verstärkt oder auch auslöst, wenn bereits eine psychische Verletzbarkeit besteht. Neben Depressionen und Angststörungen, neben akuten posttraumatischen Belastungsstörungen können auch Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit, Zwangsstörungen oder Psychosen zunehmen. Das geht zumindest aus der Studie „Corona-Pandemie und psychische Erkrankungen“ der Bundes-Psychotherapeuten-Kammer hervor, die am 17. August 2020 erschien.
In Deutschland sind Menschen mit Depressionen stärker von Folgen der Corona-Maßnahmen betroffen als die Allgemeinbevölkerung. Das zeigt auch eine weitere Studie. Depressive haben den Lockdown im Frühjahr demnach als deutlich belastender erlebt; das belegt das neue „Deutschland-Barometer Depression“, das die Stiftung Deutsche Depressionshilfe veröffentlicht hat. Zu erwarten seien gleiche Ergebnisse auch für den aktuellen Teil-Lockdown, erklärte der Psychiater Prof. Dr. U. H. als Vorsitzender der Stiftung.1
Verschärft wird diese Problematik insbesondere durch die auf Grund des Lockdowns eingeschränkten Hilfsangebote für eben diese Personengruppen. Dort, wo Hilfsangebote in besonderem Maße gebraucht werden, können diese nicht mehr in gewohntem Umfang angeboten werden. Die soziale Isolation fungiert hier als ein Verstärker bereits bestehender Symptomatiken und erhöht darüber hinaus das Risiko für eventuelle Suchterkrankungen. Es besteht unmittelbarer Handlungsbedarf seitens der Landesregierung, entsprechende Hilfsangebote auszuweiten und den Aspekt zu akzeptieren, dass Covid-19 zwar eine gefährliche Krankheit ist, aber nicht die einzige, gegen die es anzukämpfen gilt.
II. Der Landtag stellt fest,
- dass die Kontakt- und Ausgangssperre für viele, besonders psychisch vorerkrankte oder depressive Menschen eine außerordentliche Belastung darstellt;
- dass Kontakt und Nähe wesentliche psychische Ressourcen sind, die in besonderem Maße die Gesundheit des Individuums bestimmen.
III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
- eine landesweit einheitliche Strategie zu erarbeiten, welche den Fokus auf die psychische Gesundheit in Zeiten des Lockdowns legt;
- eine Expertenkommission einzusetzen, die sich mit einem Konzept beschäftigt, das es besonders gefährdeten Personengruppen ermöglicht, zur Prävention und Behandlung psychischen Ungleichgewichts Kontakt zu Angehörigen zu halten;
- Konzepte zu erstellen, welche im besonderen Hinblick auf die Nachsorge und Behandlung der durch den Lockdown verstärkten Symptomen die Versorgung von psychischen Erkrankungen anderweit verbessern;
- digitale Hilfsangebote zu schaffen, welche über die bestehenden Strukturen hinaus auf die Bedürfnisse der Betroffenen im Zusammenhang mit dem Lockdown und der daraus resultierenden sozialen Isolation abgestimmt sind und Soforthilfe leisten können.
Dr. Martin Vincentz
Markus Wagner
Andreas Keith
und Fraktion
1 https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-11/depression-corona-pandemie-psychische-gesundheit-einsamkeit-lockdow