Kleine Anfrage 4718der Abgeordneten Iris Dworeck-Danielowski vom 03.12.2020
Profanierung der Kirchen in NRW
Die Zahl der Kirchenaustritte steigt rapide an. Im Jahre 2019 sind alleine in NRW 120.188 Menschen aus der evangelischen oder katholischen Kirche ausgetreten. Im Jahre 2018 waren es noch 88.510 Christen, welche sich von der Kirche als Institution abgewendet haben.1
Neben den stetig zunehmenden Kirchenaustritten zeichnet sich ein weiterer Trend ab: Seit dem Jahre 2000 sind in NRW 452 Kirchen profaniert (entweiht) worden. Deutschlandweit sind die Kirchenabrisse kaum noch zu zählen. Mittlerweile geht die „Deutsche Bischofskonferenz“ alleine für die katholische Kirche von 700 Gotteshäusern aus, deren Verwendung und Bedeutung sich in den nächsten zehn Jahren wandeln werden – Tendenz steigend.2
Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang, dass der Staat den Kirchen jährlich immer mehr Mittel zur Verfügung stellt, obwohl offensichtlich immer weniger Bürger den Bedarf verspüren, Mitglieder einer christlichen Kirchengemeinde zu sein, und trotz der aus dieser Entwicklung resultierenden Schließung zahlreicher Kirchen. Die Geldzahlungen der Bundesländer an die großen Kirchen sind in dem kurzen Zeitraum von 2017 bis 2018 um gut 14 Millionen Euro auf einen Höchststand von 538 Millionen Euro pro Jahr gestiegen. Diese sogenannten Leistungen des Staates werden zusätzlich zu den Kirchensteuern und zu den Zahlungen, welche die Kirchen für ihre Arbeit im sozialen Sektor erhalten (Kindergarten, Schulen, Krankenhäuser etc.), getätigt.3
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
- Wie viele Kirchen, die von der staatlichen Kirchenfinanzierung profitierten, wurden in NRW in den letzten zehn Jahren (2009 bis 2019) entweiht? (Bitte nach Jahr und Konfession – evangelisch/katholisch – aufschlüsseln)
- Welche Begebenheiten oder Entwicklungen werden als Gründe für eine Profanierung bzw. Entweihung einer Kirche, die von der staatlichen Kirchenfinanzierung profitiert bzw. profitierte, in NRW aufgeführt?
- Welche Kirchen, die von der staatlichen Kirchenfinanzierung profitiert haben, wurden in den letzten zehn Jahren (2009 bis 2019) in NRW entweiht? (Bitte nach Jahr, Kirchenname, Konfession – evangelisch/katholisch – und Ort aufschlüsseln)
- Wie viele angemeldete Mitglieder der beiden großen Kirchen, ob als Kirchensteuerzahler oder nicht zahlungspflichtiges Mitglied, gab es in den Jahren 2009 bis 2019 jeweils in NRW? (Bitte nach Jahr und Konfession – evangelisch/katholisch – aufschlüsseln)
- Aus welchen Gründen wurden diese sogenannten Staatsleistungen neben der Kirchensteuer und den Zahlungen für die Arbeit im sozialen Sektor an die Kirchen, die von der staatlichen Kirchenfinanzierung profitieren bzw. profitierten, in den Jahren von 2009 bis 2019 in jährlich steigender Höhe bezahlt? (Bitte nach Jahr, Aufwendungsgrund und Höhe aufschlüsseln)
Iris Dworeck-Danielowski
1 https://www1.wdr.de/nachrichten/kirchenaustritte-nrw-steigen-100.html
2 https://ruhrkultour.de/manheim-der-letzte-macht-die-tuer-zu/
Der Ministerpräsident hat die Kleine Anfrage 4718 mit Schreiben vom 30. Dezember 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen und der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung beantwortet.
- Wie viele Kirchen, die von der staatlichen Kirchenfinanzierung profitierten, wurden in NRW in den letzten zehn Jahren (2009 bis 2019) entweiht? (Bitte nach Jahr und Konfession – evangelisch/katholisch – aufschlüsseln)
- Welche Begebenheiten oder Entwicklungen werden als Gründe für eine Profanie-rung bzw. Entweihung einer Kirche, die von der staatlichen Kirchenfinanzierung profitiert bzw. profitierte, in NRW aufgeführt?
- Welche Kirchen, die von der staatlichen Kirchenfinanzierung profitiert haben, wurden in den letzten zehn Jahren (2009 bis 2019) in NRW entweiht? (Bitte nach Jahr, Kirchenname, Konfession – evangelisch/katholisch – und Ort aufschlüsseln)
Die Fragen 1 bis 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Die Profanierung von Kirchengebäuden ist ein innerkirchlicher Vorgang. Das Land hält keine diesbezüglichen Daten vor.
- Wie viele angemeldete Mitglieder der beiden großen Kirchen, ob als Kirchensteuerzahler oder nicht zahlungspflichtiges Mitglied, gab es in den Jahren 2009 bis 2019 jeweils in NRW? (Bitte nach Jahr und Konfession – evangelisch/katholisch – aufschlüsseln)
Die Mitgliederverwaltung unterliegt dem grundgesetzlich geschützten Selbstbestimmungsrecht der Kirchen. Das Land hält keine diesbezüglichen Daten vor.
- Aus welchen Gründen wurden diese sogenannten Staatsleistungen neben der Kirchensteuer und den Zahlungen für die Arbeit im sozialen Sektor an die Kirchen, die von der staatlichen Kirchenfinanzierung profitieren bzw. profitierten, in den Jahren von 2009 bis 2019 in jährlich steigender Höhe bezahlt? (Bitte nach Jahr, Aufwen-dungsgrund und Höhe aufschlüsseln)
Dem Land Nordrhein-Westfalen obliegen gegenüber der katholischen Kirche und den evangelischen Landeskirchen zahlreiche, auf unterschiedliche Weise begründete Verpflichtungen zur Zahlung der Staatsleistungen. Hierbei handelt es sich in der Regel um Ausgleichsverpflichtungen als Folge von Säkularisation, die in Staatsverträge übernommen wurden und auf welche die Kirchen einen Rechtsanspruch besitzen, oder um gewohnheitsrechtliche Verpflichtungen. Das im Jahr 1871 aus der Katholischen Kirche herausgelöste Katholische Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland partizipiert gewohnheitsrechtlich an den vertraglichen Regelungen mit der Katholischen Kirche.
Im Einzelnen untergliedern sich die Staatsleistungen in die Dotationen, die Beihilfen zur Pfar-rerbesoldung und zur Versorgung der Ruhestandspfarrer sowie die Zuschüsse nach dem Kataster.
Die Dotationen an die Evangelische Kirche beruhen auf staatsrechtlichen Verpflichtungen gegenüber der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Evangelischen Kirche von Westfalen aufgrund des Artikels 5 des Vertrages der Evangelischen Landeskirchen mit dem Freistaat Preußen vom 11. Mai 1931 (GS. S. 107) und des Artikels 1 des Vertrages des Landes Nordrhein-Westfalen mit der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 9. September 1957 und gegenüber der Lippischen Landeskirche aufgrund des Artikels 5 des Vertrages des Landes Nordrhein-Westfalen mit der Lippischen Landeskirche vom 6. März 1958. Die Dotationen an die Katholische Kirche beruhen auf der staatsrechtlichen Verpflichtung aufgrund des Vertrages des Freistaats Preußen mit dem Hl. Stuhl vom 14. Juni 1929 (GS. S. 151) und des Vertrages des Landes Nordrhein-Westfalen mit dem Hl. Stuhl vom 19. Dezember 1956.
Bei den Beihilfen zur Pfarrerbesoldung und zur Versorgung der Ruhestandspfarrer handelt sich jeweils um Bedarfszuschüsse, zu deren Leistung das Land gewohnheitsrechtlich verpflichtet ist.
Bei den Zuschüssen nach dem Kataster handelt es sich um persönliche und sächliche Zuschüsse an bestimmte, vor allem linksrheinische Kirchengemeinden, die in Auswirkung der Säkularisation aufgrund des Artikels 6 des Vertrages des Freistaates Preußen mit den Evangelischen Landeskirchen vom 11. Mai 1931 bzw. aufgrund des Artikels 5 des Vertrages des Freistaats Preußen mit dem Hl. Stuhl vom 14. Juni 1929 zu leisten sind.
Die Höhe der Dotationen ist dynamisiert und wird an die Erhöhung der Beamtenbesoldung angepasst. Daraus ergeben sich die jährlichen Steigerungen bei den Staatsleistungen insgesamt. Der erhöhte Auszahlungsbetrag 2015 im Unterschied zum Jahr 2016 beruhte auf einer Nachzahlung aus den Jahren 2013 und 2014 aufgrund der damaligen Besoldungsanpassung.
Jahr | Staatsleistungen an ev., kath. und Alt-Kath. Kirche (Euro – gerundet) |
2009 | 20.475.000,00 |
2010 | 20.631.000,00 |
2011 | 20.842.000,00 |
2012 | 21.040.000,00 |
2013 | 21.061.000,00 |
2014 | 21.085.000,00 |
2015 | 21.990.000,00 |
2016 | 21.814.000,00 |
2017 | 22.136.000,00 |
2018 | 22.431.000,00 |
2019 | 22.473.000,00 |