Pudelwohl im fremden Land! Endlich wirksame Bekämpfung von invasiven Neobiota ermöglichen und heimische Ökosysteme schützen!

Antrag
vom 19.11.2019

Antragder AfD-Fraktion vom 19.11.2019

 

Pudelwohl im fremden Land! Endlich wirksame Bekämpfung von invasiven Neobiota ermöglichen und heimische Ökosysteme schützen!

I. Ausgangslage

Am 16. April 2014 hat das Europäische Parlament eine neue Verordnung zur besseren Kon­trolle, Eindämmung und Bekämpfung invasiver Arten beschlossen. Mit dieser Verordnung wurde der Einsatz einer Expertengruppe festgelegt. Diese soll Mitgliedstaaten und EU-Kom­mission darin beraten, welche Arten in die Liste aufgenommen werden und wie diese am bes­ten bekämpft werden können. Außerdem werden die Mitgliedstaaten zu intensiveren Kontrol­len an den EU-Außengrenzen, zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und zur gegen­seitigen Information über weitere Probleme verpflichtet.

Die Vertragsstaaten der Konvention über biologische Vielfalt (Convention on Biological Diver-sity, CBD), darunter auch Deutschland und die anderen Mitgliedstaaten der EU sowie die EU insgesamt, haben sich bereits im Jahre 1992 dazu verpflichtet, die Einwanderung neuer inva-siver Arten zu verhindern sowie bereits eingewanderte Arten besser zu kontrollieren und, wenn nötig, zu eliminieren.

Die Europäische Union hat die Liste der invasiven Neobiota im Jahre 2017 um zwölf Arten erweitert. Die Bundesregierung kam am 29. Juni 2017 mit Änderungen im Bundesnaturschutz­gesetz und im Bundesjagdgesetz ihrer sich daraus ergebenden unionsrechtlichen Verpflich­tungen nach. Im Gesetz heißt es zu invasiven Arten unter anderem, dass sie „[…] eine der größten globalen Bedrohungen für die Biodiversität und die damit verbundenen Ökosystem-leistungen [sind].“

In Deutschland kommen mindestens 1100 gebietsfremde Tierarten vor. Davon gelten etwa 260 Arten als etabliert, darunter 30 Wirbeltierarten. Bei den invasiven Neophyten, also den Pflanzenarten, gelten über 200 Arten als etabliert. Viele gebietsfremde Arten wurden gezielt oder fahrlässig durch den Menschen eingeführt. Im Schlepptau des weltweiten Warenverkehrs dringen entlang der großen Fernhandelsstraßen und ausgehend von internationalen Häfen mit ihren großen Warenumschlagplätzen aus immer mehr gebietsfremde Arten in etablierte Ökosysteme vor und stören deren Gleichgewicht. Auch wurden sich besonders invasiv ausbrei­tende Arten vom Menschen gezielt angesiedelt, wie etwa der Waschbär, der bereits Mitte des letzten Jahrhunderts ausgesetzt wurde, um „die heimische Fauna zu bereichern“.

Auch der Ochsenfrosch wurde in Europa durch den Menschen eingeführt. Bis vor wenigen Jahren konnten Teich- und Aquarienfreunde die riesigen Kaulquappen des nordamerikani­schen Ochsenfroschs im Zoohandel kaufen. Die ausgewachsenen Tiere suchten sich dann neue Lebensräume oder wurden von ihren Besitzern einfach im nächsten Tümpel ausgesetzt. Die invasiven Schmuckschildkröten und der Ochsenfrosch, die durch Aussetzung in die Natur gelangen, dürfen gemäß Verordnung (EG) 359/2009 zur Aussetzung der Einfuhr nicht mehr in die Länder der EU eingeführt werden (Art. 4, Abs. 6d).

Invasive Neozoen, wie amerikanischer Waschbär, Marderhund und Mink haben sich im Zeit­raum von 2006 bis 2015 sprunghaft vermehrt, wie Wissenschaftler dem Wildtier-Informations­system der Länder (WILD) entnommen haben. Diese Kleinräuber fressen heimische Kleintiere und haben als Nesträuber erheblichen Einfluss auf die Bestände bedrohter Vogelarten. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz listet außerdem unter den problema­tischsten invasiven Neobiota verschiedene amerikanische Flusskrebsarten, die eine Pilzinfek­tion eingeschleppt haben („Krebspest“), die fast zur Ausrottung des europäischen Edelkrebses führte, und die zudem den heimischen Edelkrebs zu verdrängen drohen.

Andere Arten können erhebliche ökonomische Schäden anrichten, wie etwa die bereits in Nordrhein-Westfalen heimische spanische Wegschnecke, die umfangreiche Fraßschäden an Gemüse- und Rebenkulturen verursacht. Besonders hohe finanzielle Schäden und eine Ge­fahr für den Hochwasserschutz können die Bauten von Nutria und Bisam darstellen, wenn diese Deiche und Uferbauwerke unterminieren.1 Auch direkt vor den Toren des Landtags ha­ben sich in den Düsseldorfer und Neusser Gewässern verschiedene fremde Gänsearten (Ka­nadagänse) niedergelassen, die nicht nur die Parks und städtischen Erholungsgebiete verko-ten, sondern auch den Flugverkehr am nahen Flughafen gefährden.2 Die ökonomischen Fol­gen der Ausbreitung von Neobiota auf aquatische und terrestrische Verkehrswege, sowie die Schäden in Forst-, Land- und Fischereiwirtschaft werden immer noch unterschätzt. Gerade die Kommunen werden im Kampf gegen Neobiota immer noch im Stich gelassen.

Besonders invasive Neophyten, also invasive Pflanzenarten, stellen eine Gesundheitsgefahr für den Menschen dar, wie der aus dem Kaukasus stammende Riesenbärenklau oder die nordamerikanische Beifuß-Ambrosie, deren Pollen für Allergiker gefährlich sind. Angesichts jüngerer Zahlen, die alleine die gesundheitlichen Folgekosten der Beifuß-Ambrosie in Deutschland auf jährlich 200 Millionen bis 1 Milliarde Euro schätzen, scheinen die Zahlen der EU-Kommission, welche die ökonomischen und medizinischen Folgekosten invasiver Arten EU-weit auf mindestens 12 Milliarden Euro jährlich schätzt, sogar zu niedrig angesetzt.3

Auch die Kräusel-Jagdspinne hat gesundheitsschädliche Folgen für den Menschen, da ihr Biss sehr schmerzhaft ist und vorübergehende Lähmungen und Ödeme erzeugen kann. Erstmals nachgewiesen wurde sie 2006 in Köln. Aufgrund der großen Entfernung zu ihrem natürlichen Lebensraum im Mittelmeerraum muss mindestens ein trächtiges Weibchen per Transport nach NRW gelangt sein.4

Es zeigt sich, dass invasive Neobiota nicht nur Auswirkungen auf unsere heimische Natur haben, sondern auch konkrete finanzielle und gesundheitliche Schäden verursachen.

In der Jagdstrecke der vergangenen fünf Jahre zeigt sich, dass es an Anreizen fehlt, um die Bejagung invasiver Neozoen zu steigern. Lediglich die Anzahl an erlegten Waschbären wurde kontinuierlich gesteigert, während der invasive Marderhund und der amerikanische Mink auf sehr niedrigem, teilweise einstelligem Niveau erlegt wurden. In der Jagdstrecke des Jahres 2017/2018 könnte sich ein für unsere heimischen Ökosysteme gefährlicher Trendwechsel zei­gen, da die Anzahl an erlegten Bisamratten, Minks und Kanadagänsen im Vergleich zum Vor­jahr sogar gesunken ist.

In der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage nach den Maßnahmen gegen invasive Neobiota (Drucksache 17/1646) zeigt sich, dass in Nordrhein-Westfalen nur Symp­tome bekämpft werden. Anstatt entschlossen die Wiederherstellung des Gleichgewichts in un­seren Ökosystemen zu forcieren, sagt die Landesregierung lediglich: „Die bereits etablierten, zum Teil bereits weit verbreiteten Arten sollen -soweit möglich- eingedämmt werden, ihre ne­gativen Auswirkungen auf Flora und Fauna sollen nach Möglichkeit gemindert werden.“

Auch ist es lediglich gelungen, eine einzige invasive Art, den Ochsenfrosch, aus einem einzi­gen Gewässer zu entfernen. Bei anderen Maßnahmen zur Entfernung begnügt man sich mit der „starken Zurückdrängung, sodass eine spontane Ausbreitung […] bisher ausgeblieben ist.“ Auf dem Neobiota-Portal des LANUV, welches die Maßnahmen gegen die zahlreichen invasi-ven Arten auflisten soll, zeigt sich, dass meist nur Kontrollen durchgeführt werden. Proaktive Maßnahmen werden selten und wenn, dann nur lokal durchgeführt.

Insbesondere bei Neophyten hat man beobachtet, dass die Individuenzahlen nach der ersten Einschleppung über einen längeren Zeitraum niedrig und scheinbar stabil bleiben, bis sie in die Phase der exponentiellen Vermehrung eintreten. Es gilt daher beim ersten Auftreten ein­geschleppter Arten eine weitere Ausbreitung entschlossen zu verhindern, indem die Art aus dem Ökosystem dauerhaft entfernt wird.

In der EU-Verordnung über die Prävention und das Management der Einbringung und Aus­breitung invasiver gebietsfremder Arten heißt es daher in Artikel 24: „Nach der Einbringung einer invasiven gebietsfremden Art sind Maßnahmen zur frühzeitigen Erkennung und soforti­gen Beseitigung unabdingbar, um deren Etablierung und Ausbreitung zu verhindern. Die wirk­samste und kosteneffizienteste Maßnahme ist häufig die schnellstmögliche Beseitigung der Population, solange die Anzahl der Exemplare noch begrenzt ist.“

In Nordrhein-Westfalen hat man jedoch scheinbar den Kampf gegen invasive Neobiota bereits aufgegeben. Auf der Internetseite des LANUV heißt es, dass „[…] eine Bekämpfung mit dem Ziel der völligen Tilgung nicht mehr erfolgversprechend“ sei. Ein achselzuckendes „Jetzt sind sie halt da“ kann beim Schutz unserer heimischen Ökosysteme nicht akzeptiert werden!

Der Schutz der heimischen Ökosysteme stellt einen öffentlichen Auftrag dar, dem nachgekom­men werden muss. Dieser wird allerdings meist unentgeltlich von Naturschutzvereinen oder Jägern erbracht. Dementsprechend sollte ein öffentlicher Auftrag auch mit öffentlichen Mitteln gefördert werden. Dies könnten Zuschüsse für Fallen und elektronische Fallenmelder oder Fahrtgeld sein.

Auch präventive Maßnahmen vor der Einschleppung möglicher invasiver Arten sollten ver­schärft werden. Insbesondere vor dem Hintergrund der Einschleppungshistorie des Ochsen­froschs sollten die in diesem Jahr gehäuften Fälle von entflohenen Kriechtieren in Nordrhein-Westfalen ein Alarmsignal sein. Bisher sind mit Besitz- und Vermarktungsverboten in Deutsch­land nur 4 Tierarten belegt, das Grauhörnchen (Sciurus carolinensis), die Schnappschildkröte (Chelydra serpentina), der Amerikanische Biber (Castor canadensis) und die Geierschildkröte (Macroclemys temminckii). Unter präventiven Aspekten sollten zukünftig auch weitere Arten von Einfuhr-, Besitz- und Vermarktungsverboten erfasst werden.

II. Der Landtag stellt fest,

–      dass invasive Neobiota eine massive Gefährdung der heimischen Ökosysteme dar­stellen;

–      dass bisherige Maßnahmen zur dauerhaften Entfernung invasiver Arten nicht ausrei­chend waren;

–      dass die Jägerschaft einen wichtigen Beitrag zur Bewahrung unserer heimischen Na­tur leistet.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

–      der unionsrechtlichen Verpflichtung zur Entfernung eingeschleppter Arten aus unse­rem heimischen Ökosystem ernsthaft nachzukommen;

–      die Schonzeiten für invasive Arten aufzuheben, ein Anreizsystem für Jäger zu schaf­fen, um gezielt invasive Neozoen zu bejagen und eine flächendeckende Bejagung invasiver Neozoen in Naturschutzgebieten und befriedeten Bezirken nach § 6a BJagdG zu forcieren;

–      sich mit einer Bundesratsinitiative dafür einzusetzen, dass eine invasive Eigenschaft als Entnahmegrund im § 4 des Tierschutzgesetzes aufgenommen wird.

Dr. Christian Blex
Markus Wagner
Andreas Keith

und Fraktion

 

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1 https://www.express.de/duesseldorf/nutria-alarm-in-neuss-stadt-laesst-plagegeister-im-park-jagen-32236852

2 https://www.wz.de/nrw/duesseldorf/duesseldorf-wenn-der-fruehling-im-gaensington-park-aus-bricht_aid-36952583

3 https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/artenschutz/invasive-arten/neobiota.html

4 https://www.focus.de/wissen/natur/tiere-und-pflanzen/sie-kommt-aus-italien-20-mm-stark-behaart-und-bissig-kraeuseljagdspinne-verbreitet-sich-in-deutschland_id_7761906.html