Qualzucht in Nordrhein-Westfalen

Kleine Anfrage
vom 25.07.2023

Kleine Anfrage 2171

der Abgeordneten Zacharias Schalley, Andreas Keith und Enxhi Seli-Zacharias AfD

Qualzucht in Nordrhein-Westfalen

Unter Qualzucht wird das Züchten von Tieren eines bestimmten Phänotyps verstanden, der für die Tiere extrem negative gesundheitliche Auswirkungen mit sich bringt. Sehr häufig verbreitet ist die Qualzucht bei einzelnen Hunderassen. Dabei sind vor allem drei Merkmale am häufigsten anzutreffen:1

– Ein besonders kurzer Kopf mit kurzer Schnauze (Brachycephalie), der zu ständiger Atemnot führt

– Ein Auswärtsrollen des unteren Augenlides (Ektropium), durch das sich die Lider nicht richtig schließen lassen

– Fehlendes Fell bei Nackthunden, die oftmals unter Immunschwäche und Gebissfehlbildung leiden, leicht frieren oder Sonnenbrand bekommen

Qualzucht kommt aber nicht nur regelmäßig bei Hunden, sondern auch bei Katzen vor. Faltohrkatzen etwa leiden unter Knorpel- und Knochenschäden. Hybridkatzen, die aus der Verpaarung von Hauskatzen mit Wildkatzen entstehen, weisen bei der Geburt schwere Komplikationen auf. Weiße Katzen tragen ein bestimmtes Gen, das zur Ausbildung von Schwerhörigkeit bis zu Taubheit und Augenverletzungen führt.2 Daneben treten auch weitere Merkmale von Qualzucht wie Brachycephalie oder ein kurzer Schwanz auf.3

Der Grund für die bewusste Durchführung einer Qualzucht ist die positive Bewertung des erreichten Phänotyps durch den Menschen. So wird etwa ein besonders kurzer Kopf, der große hervortretende Augen mit sich bringt, gemäß dem Kindchenschema als besonders ansprechend wahrgenommen.4

Um gegen Qualzucht vorzugehen, wurde im Jahr 2022 die Tierschutz-Hundeverordnung neugefasst. Seitdem ist es nach § 10 TierSchHuV in Deutschland verboten, Hunde mit Qualzuchtmerkmalen an Ausstellungen oder sonstigen Veranstaltungen wie etwa Hundesportprüfungen teilnehmen zu lassen. Problematisch ist jedoch die Anwendung dieses Paragraphen, die bis dato uneinheitlich erfolgt und bei der die Auslegung umstritten ist.5 Dies zeigt sich schon an der Tatsache, dass nach § 11 TierSchHuV bereits seit Jahren das Züchten von Hunden verboten ist, bei denen „erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten“. Trotz dieser Bestimmung kommt es nach wie vor massenhaft zu Qualzuchten in Deutschland, da durch den Passus nicht alle möglichen Arten von Qualzuchten erfasst werden.

Im Jahr 2021 lebten in NRW laut Landeshundestatistik mehr als eine Million Hunde; die Zahl der Katzen kann nur geschätzt werden, dürfte aber ebenfalls in diesen Bereich gehen, wenn man die zahlreichen freilebenden Tiere mitzählt.6 Entsprechend groß ist auch die Anzahl der Züchter. Allein der Verband für das deutsche Hundewesen (VDH) zählt offiziell 8.000 Mitglieder.7 Nordrhein-Westfalen ist also eines der Bundesländer mit den meisten Haustieren und Züchtern. Unser Land muss daher gerade im Bereich des Tierschutzes und der Vermeidung von Qualzucht eine Führungsrolle einnehmen.

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Verstöße gegen die Tierschutz-Hundeverordnung wurden seit 2018 in Nordrhein-Westfalen ermittelt? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Art des Verstoßes und Sanktion)
  2. Wie viele offizielle Zuchten wurden in den Jahren seit 2018 durch die Behörden stillgelegt? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Ort, Tierart und Rasse)
  3. Wie viele illegale Zuchten bzw. Handel wurden in den Jahren seit 2018 durch die Behörden ermittelt? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Ort, Tierart und Rasse)
  4. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um gegen Qualzuchten vorzugehen?
  5. Wie steht die Landesregierung zu einer Reform des Landeshundegesetzes und dem damit verbundenen Verbot der Haltung einzelner Hunderassen, etwa des Mopses (nach Vorbild der Niederlande)?

Zacharias Schalley

Andreas Keith

Enxhi Seli-Zacharias

 

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1 https:// www .tierschutzbund.de/information/hintergrund/heimtiere/qualzucht/.

2 https:// www .tierschutzbund.de/information/hintergrund/heimtiere/qualzucht/.

3 https:// www .erna-graff-stiftung.de/qualzucht-katze/.

4 Lorenz, Konrad: Die angeborenen Formen möglicher Erfahrung. In: Zeitschrift für Tierpsychologie. Band 5, Heft 2, 1943, S. 274ff.

5 https:// www .vetline.de/das-ausstellungsverbot-fuer-qualzuchten.

6 https:// www.umwelt.nrw.de/fileadmin/redaktion/PDFs/landwirtschaft/tierhaltung_tierschutz/landeshundestatistik_nrw_bericht_ 2020_2021.pdf.

7 https:// www .vdh.de/das-vdh-guetesiegel/.


Die Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 2171 mit Schreiben vom 16. August 2023 namens der Landesregierung beantwortet.

  1. Wie viele Verstöße gegen die Tierschutz-Hundeverordnung wurden seit 2018 in Nordrhein-Westfalen ermittelt? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Art des Verstoßes und Sanktion)

Die Beantwortung der Frage geschieht unter Ansehung der Vorbemerkung der Kleinen An­frage und bezieht sich daher auf Verstöße im Zusammenhang mit dem Ausstellungsverbot für Hunde mit Qualzuchtmerkmalen.

Das in der Vorbemerkung genannte Ausstellungsverbot nach § 10 Nr. 2 Tierschutz-Hundever­ordnung (TierSchHuV) ist am 1. Januar 2022 in Kraft getreten. Daher kann für die Jahre 2018 bis 2021 keine Beantwortung erfolgen.

Von 2022 bis heute wurde in Nordrhein-Westfalen ein Verstoß gegen § 10 Abs. 2 TierSchHuV festgestellt. Der Hundehalter wurde durch die zuständige Behörde belehrt und sein Hund von Ausstellungen ausgeschlossen.

  1. Wie viele offizielle Zuchten wurden in den Jahren seit 2018 durch die Behörden stillgelegt? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Ort, Tierart und Rasse)

Bei der Beantwortung dieser Frage wird davon ausgegangen, dass diese im Kontext mit der Vorbemerkung im Hinblick auf „Qualzuchten“ steht. Weiterhin ist anzumerken, dass der zur Erläuterung des Hintergrundes der Fragestellung zitierte „§ 11 Tierschutz-Hundeverordnung“ nicht existiert.

In Bezug auf die Fragestellung und die in der Vorbemerkung geschilderte Problematik wird davon ausgegangen, dass hier auf die Regelungen zu „Qualzuchten“ in § 11 b Tierschutzge­setz (TierSchG) abgestellt wird. Dieser gewährt keine Möglichkeiten der „Stilllegung einer Zucht“.

Soweit § 11 b Abs. 4 TierSchG das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft er­mächtigt, durch eine entsprechende Rechtsverordnung das Züchten mit Wirbeltieren bestimm­ter Arten, Rassen oder Linien zu beschränken oder zu verbieten, hat dieses von der Ermäch­tigung keinen Gebrauch gemacht.

  1. Wie viele illegale Zuchten bzw. Handel wurden in den Jahren seit 2018 durch die Behörden ermittelt? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Ort, Tierart und Rasse)

In Deutschland gibt es derzeit kein Zucht- oder Handelsverbot für Wirbeltiere bestimmter Arten oder Rassen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen.

  1. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um gegen Qualzuchten vorzuge­hen?

Für entsprechende Maßnahmen hat der Bund von seiner Befugnis zum Erlass von Regelun­gen nach Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 20 GG Gebrauch gemacht. Dies entfaltet eine Sperr­wirkung für den Erlass weiterer Regelungen durch die Länder.

Um auf die Problematik von „Qualzuchten“ aufmerksam zu machen, Verbraucherinnen und Verbraucher über das Leid der betroffenen Tiere aufzuklären und dadurch die Nachfrage nach Tieren mit Qualzuchtmerkmalen zu reduzieren, hat die Landestierschutzbeauftragte Presse­mitteilungen und Social Media Beiträge veröffentlicht.

  1. Wie steht die Landesregierung zu einer Reform des Landeshundegesetzes und dem damit verbundenen Verbot der Haltung einzelner Hunderassen, etwa des Mopses (nach Vorbild der Niederlande)

Die Rechtslage in den Niederlanden unterliegt nicht der Bewertung durch die Landesregie­rung. In Deutschland hat der Bund von seiner Befugnis zum Erlass von Rechtsvorschriften in Bezug auf Qualzuchten Gebrauch gemacht. Dies entfaltet für die Länder eine Sperrwirkung im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz (vgl. die Antwort auf die Frage 4). Das Landeshunde-gesetz NRW dient allein der Gefahrenabwehr. Der Gesetzeszweck besteht darin, die durch Hunde und den unsachgemäßen Umgang des Menschen mit Hunden entstehenden Gefahren abzuwehren und möglichen Gefahren vorsorgend entgegenzuwirken. Dies schließt es aus, eine Verbotsregelung aufzunehmen, die ersichtlich allein dem Tierschutz dient.

 

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