Raubserie von Jugendlichen erschüttert Gelsenkirchen – Selbst Jugendarrest völlig wirkungslos

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1459

der Abgeordneten Markus Wagner und Enxhi Seli-Zacharias vom 02.03.2023

Raubserie von Jugendlichen erschüttert Gelsenkirchen Selbst Jugendarrest völlig wirkungslos

Bereits seit Monaten sieht sich insbesondere Gelsenkirchen als Stadt im Ruhrgebiet mit jugendlichen Intensivtätern konfrontiert, die bis Anfang Februar 2023 knapp 117 polizeibekannte Raubüberfälle begingen. Am Freitag, den 3. Februar 2023, war es der Polizei möglich, einen weiteren Tatverdächtigen festzunehmen. In den frühen Morgenstunden vollstreckten die eingesetzten Polizeibeamte den Untersuchungshaftbefehl gegen einen 15 Jahre alten Jungen, der bereits polizeibekannt ist. Ihm werden mindestens „ein halbes Dutzend Straftaten“ zur Last gelegt, darunter auch schwerer Raub.1

Nach Angaben der Polizei war der tatverdächtige Jugendliche in der Vergangenheit bereits wegen mehrerer Delikte zu einer Jugendfreiheitsstrafe von vier Wochen Jugendarrest verurteilt worden. In dieser Zeit wurde er während eines Arresturlaubs sowie am Tag seiner Entlassung am 10. Januar 2023 erneut straffällig. Nur wenige Stunden nach der Haftentlassung raubte er in der Mittagszeit einen zwölfjährigen Jungen aus.2

Dem polnischstämmigen Jugendlichen werden „räuberischer Diebstahl und Erpressung sowie mehrere schwere Raube“ vorgeworfen. Wie die WAZ berichtet, habe der Tatverdächtige bei einem Raubzug am 10. Oktober 2022 „sogar einen Hammer“ benutzt, um seinen Opfern zu drohen und zuzuschlagen.

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu der oben geschilderten Festnahme? (Bitte Vorstrafen des Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften des Tatverdächtigen, seit wann der Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, Vornamen des deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über den Tatverdächtigen nennen.)
  2. Welche (Er-)Kenntnisse liegen hinsichtlich der Erziehungsberechtigten des festgenommenen 15-jährigen Jugendlichen vor? (Bitte Vorstrafen der Erziehungsberechtigten, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Erziehungsberechtigten, seit wann die Erziehungsberechtigten im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen der Erziehungsberechtigten und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Erziehungsberechtigten nennen.)
  3. Werden gegen die Eltern der Tatverdächtigen zivilrechtliche Ansprüche und eine etwaige strafrechtliche Verantwortung geprüft und durchgesetzt?
  4. Wie viele Jugendliche werden in Gelsenkirchen seit 2010 als Intensivtäter geführt? (Bitte nach Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit aufschlüsseln. Bei deutschen Staatsangehörigen die Vornamen nennen.)
  5. Wie viele Jugendliche werden in Nordrhein-Westfalen seit 2010 als Intensivtäter geführt? (Bitte nach Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit aufschlüsseln. Bei deutschen Staatsangehörigen die Vornamen nennen.)

Markus Wagner
Enxhi Seli-Zacharias

 

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1 Vgl. htt p s :/ / www. W a z .de/staedte/gelsen k i r c h e n/teenager-raeuber-po lizei-n i m m t – intensiv taeter-f e s t-15-id 23 7 5 63 2 55.h t m l.

2 Ebenda.


Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 1459 mit Schreiben vom 30. März 2023 na­mens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration beantwortet.

  1. Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu der oben geschilderten Festnahme? (Bitte Vorstrafen des Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften des Tatverdächtigen, seit wann der Tat­verdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, Vornamen des deut­schen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über den Tatver­dächtigen nennen.)

Die Leitende Oberstaatsanwältin in Essen hat dem Ministerium der Justiz unter dem 08.03.2023 unter anderem berichtet, bei ihrer Behörde werde derzeit ein Ermittlungsverfahren gegen einen sich in dieser Sache seit dem 03.02.2023 in Untersuchungshaft befindenden Ju­gendlichen wegen gemeinschaftlicher räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverlet­zung und Bedrohung geführt, in welchem unter dem 23.02.2023 Anklage vor dem Jugend­schöffengericht Gelsenkirchen erhoben worden sei.

Am 02.01.2023 habe der Angeschuldigte mit zwei weiteren – strafunmündigen – Mittätern ei­nen – ebenfalls jugendlichen – Geschädigten zunächst vergeblich zur Herausgabe seiner Geldbörse aufgefordert, woraufhin einer der Täter an dieser gerissen habe. Als der Geschä­digte auch die Herausgabe seines Mobiltelefons verweigert habe, sollen der Angeschuldigte und seine Mittäter auf den Geschädigten eingeschlagen und -getreten haben. Im Anschluss hieran habe einer der Täter unter Androhung der Verwendung eines unbekannten Gegenstan­des als Stichwerkzeug die Herausgabe des Mobiltelefons und des Pullovers des Geschädigten gefordert. Aus Angst habe der Geschädigte ein Mobiltelefon und eine Geldbörse mit 8 Euro Bargeld übergeben.

Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat ergän­zend hierzu mitgeteilt, der Angeschuldigte habe die deutsche und die polnische Staatsange­hörigkeit. Seit wann er im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit sei, ließe sich den Akten nicht entnehmen.

Von der Mitteilung weiterer personenbezogener Angaben einschließlich etwaiger strafrechtli­cher Vorerkenntnisse des Angeschuldigten wird unter Abwägung des parlamentarischen In­formationsinteresses mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrechten des Jugendlichen und mit Blick auf die dem entsprechende gesetzliche Wertung des § 48 Abs. 1 JGG sowie der Un­schuldsvermutung abgesehen.

  1. Welche (Er-)Kenntnisse liegen hinsichtlich der Erziehungsberechtigten des fest­genommenen 15-jährigen Jugendlichen vor? (Bitte Vorstrafen der Erziehungsbe­rechtigten, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Erziehungsberechtigten, seit wann die Erziehungsberechtigten im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen der Erziehungsberechtigten und sonstige polizeiliche Erkennt­nisse über die Erziehungsberechtigten nennen.)

In ihrem vorbezeichneten Bericht hat die Leitende Oberstaatsanwältin in Essen ausgeführt, dass zu der Erziehungsberechtigten des Anschuldigten keine weiteren Erkenntnisse vorlägen, da das Verfahren bisher keinen Anlass zur Erhebung entsprechender Daten gegeben habe.

Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat hierzu mitgeteilt, die Erziehungsberechtigte habe die polnische Staatsangehörigkeit.

  1. Werden gegen die Eltern der Tatverdächtigen zivilrechtliche Ansprüche und eine etwaige strafrechtliche Verantwortung geprüft und durchgesetzt?

Der Generalstaatsanwalt in Hamm hat dem Ministerium der Justiz am 13.03.2023 unter ande­rem berichtet, dass sich konkrete Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten der Erziehungs­berechtigten des Angeschuldigten bislang nicht ergeben hätten.

  1. Wie viele Jugendliche werden in Gelsenkirchen seit 2010 als Intensivtäter geführt? (Bitte nach Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit aufschlüsseln. Bei deut­schen Staatsangehörigen die Vornamen nennen.)

Der nachfolgenden Tabelle bitte ich die Anzahl der jeweils im laufenden Kalenderjahr von der Kreispolizeibehörde Gelsenkirchen als jugendliche Intensivtäterin und jugendlicher Intensivtä­ter geführten Personen zu entnehmen. Personen, die über einen mehrjährigen Zeitraum als jugendliche Intensivtäterin oder jugendlicher Intensivtäter geführt wurden, werden dabei mehr­fach gezählt. Die Anzahl für das Jahr 2022 liegt zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vor.

 

2010 2011 2012 2013 2014 2015
3 8 7 3 6 4

 

2016 2017 2018 2019 2020 2021
4 5 7 8 8 5

 

  1. Wie viele Jugendliche werden in Nordrhein-Westfalen seit 2010 als Intensivtäter geführt? (Bitte nach Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit aufschlüsseln. Bei deutschen Staatsangehörigen die Vornamen nennen.)

Der nachfolgenden Tabelle bitte ich die Anzahl der jeweils im laufenden Kalenderjahr von den Kreispolizeibehörden in Nordrhein-Westfalen als jugendliche Intensivtäterin oder jugendlicher Intensivtäter geführten Personen zu entnehmen. Personen, die über einen mehrjährigen Zeit­raum als jugendliche Intensivtäterin oder jugendlicher Intensivtäter geführt wurden, werden dabei mehrfach gezählt. Die Anzahl für das Jahr 2022 liegt zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vor.

 

2010 2011 2012 2013 2014 2015
672 624 604 590 601 533

 

2016 2017 2018 2019 2020 2021
538 749 740 576 502 463

 

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