Aktuelle Stunde
auf Antrag der Fraktion der AfD
Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) veröffentlicht den Jahresbericht 2024 zu antisemitischen Vorfällen in NRW – Wie begegnet die Landesregierung der dramatischen Entwicklung?
60 Jahre nach der Aufnahme der deutsch-israelischen Beziehungen und 20 Monate nach dem terroristischen Angriff der Hamas auf ein Musikfestival in Israel ist leider auch in NRW ein dramatischer Anstieg antisemitischer Vorfälle zu verzeichnen. Das geht aus dem Jahresbericht 20241 der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) hervor.
Die bereits für das Jahr 2023 konstatierte Entwicklung, dass sich die Judenfeindschaft an Universitäten, Schulen und in weiten Teilen der Zivilgesellschaft seit dem 7. Oktober 2023 erheblich gesteigert hat, sollte sich im Jahr 2024 leider fortsetzen. Hierbei handelt es sich insbesondere um den israelbezogenen Antisemitismus.
Im Berichtsjahr 2024 wurden ein Fall von extremer Gewalt, 18 Angriffe, 22 Bedrohungen, 61 gezielte Sachbeschädigungen, 56 Massenzuschriften, 228 Versammlungen, fünf Diskriminierungen sowie 549 Fälle von verletzendem Verhalten registriert. Die Anzahl der erfassten Vorfälle stieg auf 940. Dies entspricht einer Steigerung von 42 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (664 Vorfälle). In 2 von 3 Fällen handelte es sich dabei um israelbezogenen Antisemitismus, oftmals in Kombination mit dem Post-Schoa-Antisemitismus (148 Vorfälle) und dem antisemitischen Othering (129 Vorfälle). Dies ist vor allem auf den Charakter vieler antiisraelischer Versammlungen zurückzuführen, bei denen immer wieder Gleichsetzungen oder Relativierungen des Gaza-Krieges mit der Schoa vorgenommen wurden. Die meisten Vorfälle ereigneten sich auf der Straße (327 Vorfälle, ein Anstieg um 63 Prozent) und in Bildungseinrichtungen (142 Vorfälle, ein Anstieg um 95 Prozent).
Eine Betrachtung des politisch-weltanschaulichen Hintergrunds belegt, dass der antiisraelische Aktivismus diese Liste mit großem Abstand anführt und sich von 85 Fällen (2023) auf 261 Fälle (2024) mehr als verdreifacht hat.
Wie auch in anderen Ländern verlagert sich der Antisemitismus vermehrt ins Umfeld der Hochschulen, mit zahlreichen antiisraelischen Veranstaltungen, worunter insbesondere jüdische Studenten leiden, die für die Vorgänge in Israel/Gaza in Mithaftung genommen werden – so weit, dass sie quasi gezwungen sind ihre Religion zu verleugnen und keinesfalls offen zur Schau zu stellen.
Wie aus dem RIAS-Jahresbericht hervorgeht, vereinen sich an den Hochschulen vor allem linke/antiimperialistische und islamische/islamistische Akteure. So wird beispielsweise von der Ruhr-Universität Bochum berichtet: „Eine islamische/islamistische Gruppe aus Bochum rief zu einer Kundgebung an der Ruhr-Universität Bochum auf. Geschlechtergetrennt standen die Demonstrationsteilnehmer am Eingang der Universität Spalier und skandierten Sprechchöre wie „Wir sind eine Umma“. Auf einem Plakat einer Teilnehmerin wurde der Terror der Hamas relativiert und Israel dämonisiert: „Alles begann am 7. Okt. 1948“.
Auch die dem antiisraelischen Aktivismus zuzurechnende antisemitische „Boycott, Divestment and Sanctions (BDS)“-Kampagne spielte in acht Vorfällen an Hochschulen eine Rolle.
Eine starke Zunahme erfuhren erneut die antiisraelischen Aufmärsche in NRW, sowohl in Bezug auf deren Anzahl als auch auf die Teilnehmerzahlen. Zu einem kuriosen Vorfall sollte es am Rande der Gegendemonstrationen zum AfD-Bundesparteitags in Essen kommen: „Bei einer Gegendemonstration zum AfD-Parteitag wurde ein Gegendemonstrant, der eine Kufiya (das sogenannte Palästinensertuch) trug, von der Polizei abgeführt. Ein anderer Teilnehmer der Gegendemonstration kommentierte die Situation und sagte zu seinem Freund, dass er eigentlich nicht mit solchen Leuten gegen die AfD demonstrieren wolle, ihm aber wohl nichts anderes übrigbleibe. Kurz darauf kam eine Gruppe von vier Personen, die den Kommentar gehört hatten, auf die Person zu und brüllten bedrohlich los. Einer aus der Gruppe fragte mehrfach aggressiv auf Arabisch, ob er Jude sei. Eine weitere Person aus der Gruppe sagte, dass die Großeltern des Angesprochenen Juden vergast hätten und die Deutschen heute den nächsten Genozid duldeten.“
Als Zwischenfazit heißt es im Bericht: „Die bereits seit dem 7. Oktober 2023 zu beobachtende Entwicklung, dass sich diese drei politisch-weltanschaulichen Milieus, also das linke/antiimperialistische, das antiisraelische und das islamisch/islamistische Milieu, über den geteilten Hass auf Israel zu gemeinsamen politischen Aktivitäten zusammenfinden, setzte sich auch im Jahr 2024 fort.“
Schließlich wird im Bericht die Forderung erhoben, dass „politisierte Islamverbände, die von religiös-autokratischen Staaten beeinflusst oder bestimmt werden, welche selbst staatlichen Antisemitismus verbreiten, keine Partner von Staatsverträgen sein oder Aufgaben in der religiösen Bildung, Hochschulbildung und politischen Bildung übernehmen sollten.“
Die im RIAS-Jahresbericht dokumentierte drastische Zunahme antisemitischer Vorfälle in Nordrhein-Westfalen stellt eine alarmierende Entwicklung dar, die das gesellschaftliche Zusammenleben und die demokratische Kultur unseres Landes in ihrem Kern berührt. Angesichts des Ausmaßes, der Dynamik und der politischen Dimension der beschriebenen Vorfälle ist es unerlässlich, dass sich der Landtag in einer Aktuellen Stunde mit dem Thema auseinandersetzt. Der Landtag darf angesichts dieser bedrohlichen Entwicklung nicht schweigen, sondern muss öffentlich sichtbar Verantwortung übernehmen. Die Landesregierung ist gefordert, dem Parlament konkrete Maßnahmen vorzustellen, mit denen sie dem fortschreitenden Antisemitismus in NRW wirksam begegnen will. Eine politische Bewertung und offene Aussprache im Landtag ist in der aktuellen Lage unabdingbar.
Enxhi Seli-Zacharias
Dr. Martin Vincentz
Christian Loose
und Fraktion