Kleine Anfrage 3829
des Abgeordneten Dr. Christian Blex AfD
Recht auf Teilnahme an Wahlveranstaltungen
Wahlveranstaltungen, politische Podiumsdiskussionen und Vorstellungsrunden sind fester Bestandteil der politischen Bildung an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen. Unter Rücksichtnahme auf das Überwältigungsverbot des Beutelsbacher Konsens tragen sie zur Willensbildung sowie zur Aufklärung bei und sollen den Parteien die demokratische Möglichkeit bieten, sich in einem seriösen und angemessenen Rahmen vorzustellen. Dabei schaffen sie zudem Raum für ernsthafte politische Debatten. Auch Abgeordnete, Wahlkandidaten und weitere politisch tätige Personen sollen so die Möglichkeit erhalten, ihre Wahlprogramme sowie ihre Parteien zu repräsentieren.
Leider wird das demokratische Grundrecht auf Gleichbehandlung aller Parteien regelmäßig mit Füßen getreten.1 Immer häufiger kommt es vor, dass einzelne Veranstalter einzelne Parteien beispielsweise von Podiumsdiskussionen ausladen.2 Ob das aus Angst vor der Konfrontation mit der Opposition, Furcht vor Kontaktschuld oder schlicht und ergreifend aus politischem Kalkül geschieht, spielt eine geringere Rolle als der grundlegende Ausschluss selbst.
Schulen sind nach allgemeiner Rechtsauffassung nichtrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts, was zur Folge hat, dass öffentliche Schulen durch die Vorschriften des öffentlichen Rechts gebunden und verpflichtet sind, die Grundrechte natürlicher und juristischer Personen zu wahren. Diese Grundrechte werden u. a. durch das Grundgesetz sowie das Parteiengesetz definiert. Ein Bruch dieser Grundrechte durch den Ausschluss oder die Ausladung von einer Wahlveranstaltung stellt somit eine erhebliche Verletzung unserer Demokratie dar.3
Unter diesen Gesichtspunkten frage ich die Landesregierung:
- Wie viele politische Wahlveranstaltungen, wie z. B. Podiumsdiskussionen, haben in den Jahren 2023/24 an Schulen öffentlicher Trägerschaft Nordrhein-Westfalens unter Teilnahme der im Landtag vertretenen Parteien stattgefunden? (Bitte nach Einrichtung, Art der Veranstaltung, Teilnehmern und Thema der Veranstaltung aufschlüsseln)
- Wie bewertet die Landesregierung den Ausschluss der AfD EU-Kandidatin Irmhild Boßdorf von einer Podiumsdiskussion Anfang März an einem Aachner Gymnasium, vor allem hinsichtlich etwaiger dienstrechtlicher Konsequenzen für Lehrerkräfte an der Schule?
- Nach welcher Rechtsgrundlage können Einrichtungen einzelne Parteien oder Fraktionen von politischen Veranstaltungen ausschließen?
- Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, wenn widerrechtliche Ausschlüsse stattgefunden haben?
- Welche Maßnahmen wurden bisher in diesem Kontext ergriffen? (Bitte nach Einrichtung, Anlass der Maßnahme und ausgeschlossener Partei aufschlüsseln)
Dr. Christian Blex
1 https://www.gew-berlin.de/fileadmin/media/publikationen/be/Schule/Aktiv-gegen-Rechts/Resolution-junge-GEW-AfD-ausladen.pdf
2 https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/tuebingen/afd-ausgeladen-schulleiter-nach-kurzfristiger-absage-in-kritik-100.html
3 https://afd.ac/afd-von-podiumsdiskussion-an-aachener-gymnasium-ausgeladen/
Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 3829 mit Schreiben vom 25. Juni 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und der Ministerin für Kultur und Wissenschaft beantwortet.
- Wie viele politische Wahlveranstaltungen, wie z. B. Podiumsdiskussionen, haben in den Jahren 2023/24 an Schulen öffentlicher Trägerschaft Nordrhein-Westfalens unter Teilnahme der im Landtag vertretenen Parteien stattgefunden? (Bitte nach Einrichtung, Art der Veranstaltung, Teilnehmern und Thema der Veranstaltung aufschlüsseln)
Es wird darauf hingewiesen, dass es sich bei schulisch organisierten Podiumsdiskussionen nicht um politische Wahlveranstaltungen, sondern um Veranstaltungen im Rahmen des Bil-dungs- und Erziehungsauftrages der Schule handelt.
Die erfragten Daten zu durchgeführten Schulveranstaltungen liegen der Landesregierung nicht vor und können innerhalb des für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeitraums auch nicht erhoben werden. Eine Ermittlung der durchgeführten Veranstaltungen an Schulen würde eine Abfrage bei sämtlichen öffentlichen Schulen erfordern. Schulen gestalten den Unterricht im Rahmen der Rechts- und Verwaltungsvorschriften in eigener Verantwortung (§ 3 Absatz 1 SchulG). Es besteht keine Anzeigepflicht zu geplanten oder durchgeführten Schulveranstaltungen.
- Wie bewertet die Landesregierung den Ausschluss der AfD EU-Kandidatin Irmhild Boßdorf von einer Podiumsdiskussion Anfang März an einem Aachner Gymnasium, vor allem hinsichtlich etwaiger dienstrechtlicher Konsequenzen für Lehrerkräfte an der Schule?
Die Schulaufsicht hat die Schule hinsichtlich ihrer Neutralitätspflicht belehrt und auf das Fehlverhalten hingewiesen. Die Schule hat zugesichert, das Neutralitätsgebot zu beachten.
- Nach welcher Rechtsgrundlage können Einrichtungen einzelne Parteien oder Fraktionen von politischen Veranstaltungen ausschließen?
Das Ministerium für Schule und Bildung weist die Schulaufsichtsbehörden regelmäßig im Vorfeld von Wahlen auf den Grundsatz schulischer Neutralität und Unparteilichkeit gemäß § 2 Absätze 7 und 8 Schulgesetz NRW hinsichtlich des Besuchs oder der Organisation von Veranstaltungen, den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien und die entsprechenden Ausführungen im Bildungsportal des Ministeriums (https://www.schulministe-rium.nrw.de/docs/Recht/Aktuelle-rechtliche-Themen/Schulen-Politik.pdf) hin. Es bittet die Schulaufsichtsbehörden, die Schulen darüber in geeigneter Form zu informieren. Dies ist anlässlich der am 9. Juni 2024 anstehenden Wahl zum Europäischen Parlament mit Runderlass vom 24. Januar 2024 erfolgt.
Im Hinblick auf die Durchführung von Podiumsdiskussionen enthalten die vorgenannten Hinweise im Bildungsportal seit dem Jahr 2010 unverändert folgende Ausführungen:
„Schulen können auch zu Podiumsdiskussionen einladen, um einer interessierten Schülerschaft die Argumente verschiedener Parteienvertreter zu bestimmten politischen Themen vorzustellen. Es dürfen allerdings nicht nur Vertreter einzelner Parteien eingeladen werden (es besteht aber andererseits auch kein Anspruch jeder politischen Gruppierung auf Einladung). Die Veranstaltung sollte einen gewissen zeitlichen Abstand vor der Wahl einhalten (etwa sechs Wochen) und sich thematisch auf Politikbereiche beziehen, die einen sachlichen Bezug zur Schülerschaft haben.“
Schulrechtlich entscheidend ist insoweit die Herstellung von Pluralität und Ausgewogenheit. Ob eine konkrete Veranstaltung diese Anforderungen erfüllt, ist eine Frage des Einzelfalls.
- Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, wenn widerrechtliche Ausschlüsse stattgefunden haben?
Disziplinarmaßnahmen sind grundsätzlich anhand der Bewertung der Umstände des Einzelfalles auszusprechen. Daher ist eine pauschale Aussage zur Verhängung von Disziplinarmaßnahmen bei Verstößen gegen das Neutralitätsgebot in Schulen durch Lehrkräfte oder Schulleitungen nicht möglich.
- Welche Maßnahmen wurden bisher in diesem Kontext ergriffen? (Bitte nach Einrichtung, Anlass der Maßnahme und ausgeschlossener Partei aufschlüsseln)
Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Im Übrigen sind der Landesregierung keine Maßnahmen im Sinne der Fragestellung im Bezugszeitraum der Kleinen Anfrage bekannt.