Rechtswidrige Verwaltungs- und Genehmigungspraxis von Windkraftanlagen

Kleine Anfrage
vom 21.12.2017

Kleine Anfrage 651
des Abgeordneten Dr. Christian Blex AfD

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Der dramatische Artenverlust unserer heimischen Vogelwelt durch Windkraftanlagen (WKA) ist evident.1 Nach Art. 20a Grundgesetz gilt das sogenannte Schutzgebot:

„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“

Diese Staatszielbestimmung verpflichtet den Gesetzgeber in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere zu schützen. Sollte der Gesetzgeber bei klimapolitischen Regelungen die Anforderungen an den Schutz von Natur und Tieren nicht angemessen berücksichtigen, so verstößt er gegen die Verfassung. Dass der Klimaschutz einen höheren Schutzrang genießt als der Natur- und Tierschutz ist aus der Verfassung nicht zu entnehmen. Dieses Berücksichtigungsgebot wurde auch bei der Normsetzung des Erneuerbare-Energien-Gesetz nicht beachtet. Vor dem Hintergrund der wahrscheinlichen Zieluntauglichkeit für die Ziele des Klimaschutzes überwiegen die Nachteile für die Natur- und Tierwelt deutlich.

In dem Landesentwicklungsplan des Landes Nordrhein-Westfalens (LEP NRW) ist in Ziel 10.2­2 festgelegt, dass die Regionalplanung Vorranggebiete für die Windenergienutzung auszuweisen hat. Da damit außerhalb dieser Gebiete keine Ausschlusswirkung für WKA vorliegen, sind Gemeinden gezwungen eigene Planung zur Steuerung der Windenergienutzung in ihrem Gemeindegebiet vorzunehmen.

„Regionalplanerisch festgelegte Vorranggebiete und bauleitplanerisch dargestellte Konzentrationszonen außerhalb von Vorranggebieten tragen insgesamt zum Erreichen der eingangsgenannten Ausbauziele für die Windenergie bei.“ S.152, LEP NRW

Diese Vorgaben sind nicht über einen Windenergieerlass aufzuheben.

In dem Antrag von CDU und FDP (Drucksache 17/526) hat der Landtag beschlossen, den Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen so zu ändern, dass die Verpflichtung zur Ausweisung von Windvorrangzonen und die Privilegierung der Windenergieerzeugung im Wald aufgehoben werden. Die Beschlussfassung im zweiten Spiegelstrich des Antrags ist missverständlich und lässt viele Fragen über die gesetzgeberische und gestalterische Zielrichtung zum Windenergieausbau unbeantwortet.

1 https://www.bmub.bund.de/themen/natur-biologische-vielfalt-arten/artenschutz/vogelschutz/windkraftanlagen-und-greifvoegel/

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Auf welche Gesetze oder Rechtsprechung stützt die Landesregierung ihre Auffassung, dass beim Ausbau von Windkraftanlagen für den Klimaschutz höhergewichtige Belange als der Natur- und Umweltschutzgebot nach Art. 20a Grundgesetz vorliegen?
  2. Welche Kriterien muss eine Windkraftanlage nach Auffassung der Landesregierung erfüllen, damit ihr Betrieb auch im Sinne des Natur- und Tierschutzes gerechtfertigt bzw. nicht gerechtfertigt ist?
  3. Wie will die Landesregierung die Gemeinden zur Bauleitplanung mit dem Ziel der Ausweisung von Konzentrationszonen für die Windenergienutzung verpflichten?
  4. Warum beabsichtigt die Landesregierung die Abstandsregelung zwischen Windkraftanlagen und Wohngebiete über einen Erlass zu regeln statt über eine neue Zielvorgabe im beabsichtigten Verfahren zur Teilfortschreibung des LEP NRW?
  5. Inwiefern ist aus der Sicht der Landesregierung das Erneuerbare-Energien-Gesetz für die Verhinderung des menschengemachten Klimawandels zieltauglich?

Dr. Christian Blex

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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,

namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage 651 im Einvernehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung sowie der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur-und Verbraucherschutz wie folgt:

1. Auf welche Gesetze oder Rechtsprechung stützt die Landesre­gierung ihre Auffassung, dass beim Ausbau von Windkraftanlagen für den Klimaschutz höhergewichtige Belange als der Natur- und Umweltschutzgebot nach Art. 20a Grundgesetz vorliegen?

Die Landesregierung vertritt die Auffassung, dass der Ausbau der Windenergie den Zielen des Art. 20a Grundgesetz (GG) entspricht, der den Staat zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere verpflichtet. Nach herrschender Rechtsauffassung umfasst der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen u.a. auch das Klima und den Klima­schutz (siehe auch Antwort auf Frage 2).

2. Welche Kriterien muss eine Windkraftanlage nach Auffassung der Landesregierung erfüllen, damit ihr Betrieb auch im Sinne des Natur- und Tierschutzes gerechtfertigt bzw. nicht gerechtfertigt ist?

Für den Betrieb einer Windenergieanlage sind die naturschutzrechtli­chen Bestimmungen des Artenschutzes gemäß §§ 44 ff Bundesnatur­schutzgesetz (BNatSchG) und des Habitatschutzes gemäß §§ 34 ff BNatSchG einschlägig. In diesem Zusammenhang hat das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MULNV) im November 2017 den Leitfaden „Um­setzung des Arten- und Habitatschutzes bei der Planung und Genehmi­gung von Windenergieanlagen in Nordrhein-Westfalen“ veröffentlicht (LT-Vorlage 17/251), der alle diesbezüglich relevanten Anforderungen und Kriterien beinhaltet.

3. Wie will die Landesregierung die Gemeinden zur Bauleitplanung mit dem Ziel der Ausweisung von Konzentrationszonen für die Windenergienutzung verpflichten?

Das Aufstellen und Ändern von Bauleitplänen obliegt den Gemeinden im Rahmen der ihnen verfassungsrechtlich garantierten Planungshoheit. Eine grundsätzliche Verpflichtung zur Ausweisung von Konzentrations­zonen für die Windenergie besteht nicht.

Gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 Baugesetzbuch (BauGB) sind Windenergiean­lagen im Außenbereich privilegiert zulässig. Mit der Einführung der Privi­legierung für Windenergieanlagen ist gleichzeitig der sogenannte Pla­nungsvorbehalt ins BauGB aufgenommen worden. Hierunter wird die Möglichkeit verstanden, u.a. die Windenergienutzung im Außenbereich zu steuern. Nach § 5 in Verbindung mit § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB kön­nen die Gemeinden im Flächennutzungsplan „Konzentrationszonen für Windenergieanlagen“ darstellen. Eine solche Darstellung hat das Ge­wicht eines öffentlichen Belanges, der einer Windenergieanlage an an­derer Stelle in der Regel entgegensteht.

Wie im Koalitionsvertrag angekündigt, verfolgt die Landesregierung auf Bundesebene die Abschaffung der baurechtlichen Privilegierung von Windenergieanlagen.

4. Warum beabsichtigt die Landesregierung die Abstandsregelung zwischen Windkraftanlagen und Wohngebiete über einen Erlass zu regeln statt über eine neue Zielvorgabe im beabsichtigten Verfah­ren zur Teilfortschreibung des LEP NRW?

Im Rahmen des Entfesselungspakets II wurde das Scopingverfahren zur Änderung des nordrhein-westfälischen Landesentwicklungsplans (LEP) eingeleitet. Es ist vorgesehen, die Möglichkeit der Errichtung von Wind­energieanlagen im Wald einzuschränken und die Verpflichtung zur Fest­legung von Vorranggebieten für die Windenergie in Regionalplänen zeitnah aufzuheben. Außerdem soll der Grundsatz, mit dem der Umfang der Flächenfestlegungen für Windenergie in den Regionalplänen gere­gelt wird, ganz entfallen. Die Landesregierung wird darüber hinaus prü­fen, inwieweit neben diesen Änderungen und der Novelle des Wind­energie-Erlasses ein landesplanerischer Vorsorgeabstand rechtssicher umgesetzt werden kann.

5. Inwiefern ist aus der Sicht der Landesregierung das Erneuerba­re-Energien-Gesetz für die Verhinderung des menschengemachten Klimawandels zieltauglich?

Das EEG hat im Interesse des Klimaschutzes mehrere Ziele. So sollen neben den technologischen Zielen eine nachhaltige Energieversorgung ermöglicht und die Kosten auch unter Berücksichtigung externer Effekte langfristig verringert werden. Durch eine rein nationalstaatliche Rege­lung in Deutschland wird der Klimawandel allerdings nicht verhindert werden können.

Die 002-Emissionen der Stromerzeugung sind in Deutschland gegen­ über 1990 um rd. 20 % gesunken. Demgegenüber stehen Vergütungsansprüche nach dem EEG in Höhe von aktuell rd. 30 Mrd. Euro jährlich, die in der Vergangenheit zu hohen CO2-Vermeidungskosten führten.

Die Zieltauglichkeit des EEG wird von der Bundesregierung evaluiert, die dem Deutschen Bundestag bis zum 30. Juni 2018 einen Bericht zur Erreichung der Ausbauziele, den eingesparten fossilen Brennstoffen sowie der Reduzierung von Treibhausgasen vorlegt.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Andreas Pinkwart

Beteiligte:
Christian Blex