Kleine Anfrage 4752
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Markus Wagner AfD
Regierungspräsidenten richten sich in einem gemeinsamen elfseitigen Brandbrief an Ministerin Josefine Paul – Reaktion der Ministerin auf die gescheiterte Rückführung des späteren Solingen-Attentäters nach Bulgarien im Sommer 2023 wird „zerpflückt“
Wie aus einem Bericht der WAZ1 hervorgeht, haben sich die fünf Regierungspräsidenten bereits am 20. September in einem gemeinsamen elfseitigen Schreiben an Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Grüne) gewandt. Dabei haben sie laut WAZ deren Reaktion auf die gescheiterte Rückführung des späteren Solingen-Attentäters nach Bulgarien im Sommer 2023 „zerpflückt“.
In dem Schreiben meldeten die Regierungspräsidenten angeblich Zweifel an den Maßnahmen der Landesregierung zur Steigerung der Erfolgsquote bei Dublin-Überstellungen an.
In einem Erlass vom 30. August hätte Ministerin Paul die Bezirksregierungen aufgefordert, „die bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten in Bezug auf Dublin-Überstellungen künftig konsequenter und effizienter zu nutzen“. Mit dem Erlass forderte die Ministerin von den fünf Zentralen Ausländerbehörden in Bielefeld, Coesfeld, Essen, Köln und Unna, dass „künftig die Anwesenheit von ausreisepflichtigen oder zur Festnahme ausgeschriebenen Asylbewerbern in den Landeseinrichtungen systematischer erfasst werden müsse. Es sei stets zu prüfen, ob ein zweiter Überstellungsversuch von Dublin-Fällen unternommen werden kann.“
Wie aus dem Bericht der WAZ hervorgeht, wollen die Regierungspräsidenten allerdings ihren Ausländerbehörden nicht die Verantwortung für gescheiterte Rückführungen zuschieben lassen. Aufgrund der Größe der Landeseinrichtungen sei eine lückenlose Ein- und Auslasskontrolle durch die Sicherheitsdienstleister nicht zu gewährleisten.2
Kritik wurde auch am Buchungssystem DiAS geübt. Es sei „kein, die relevanten Prozessabläufe der Flüchtlingsunterbringung funktional abbildendes Fachverfahren, aus dem sich die Informationen zur Erfüllung der bestehenden Kontrollnotenwendigkeiten gewinnen lassen“, hieße es in dem Schreiben. Angeblich gäbe es „Schnittstellenprobleme mit örtlichen Zugangssystemen der Landesflüchtlingseinrichtungen“ sowie „einen Formularkrieg mit pdf-Dokumenten“. Aus dem Brandbrief soll zudem hervorgehen, dass „teilweise die Einrichtungsleitungen gar nicht wissen könnten, welche Bewohner ausreisepflichtig sind und wer genau sich einer Abschiebung entzogen hat, da nicht jeder Flüchtling den Mitarbeitern bekannt sei“. Weiter heißt es: „Insofern kann auch nicht nachvollzogen werden, wann ein Bewohner nach einer kurzfristigen Abwesenheit wieder in der Einrichtung ‚gesichtet‘ worden ist.“3
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Welche weiteren Kritikpunkte gehen aus dem Brandbrief der Regierungspräsidenten hervor? (Bitte in diesem Zusammenhang der Antwort auf die Kleine Anfrage das Schreiben der Regierungspräsidenten in voller Länge hinzufügen)
- In welcher Form hat die Landesregierung auf den Brandbrief reagiert? (Bitte etwaige Antwortschreiben der Landesregierung der Antwort auf die Kleine Anfrage hinzufügen)
- Wie positionierte sich die Landesregierung insbesondere auf die vorgebrachte Kritik der Regierungspräsidenten am Erlass vom 30. August 2024? (Bitte den betreffenden Erlass der Antwort auf die Kleine Anfrage hinzufügen)
- Wie positioniert sich die Landesregierung im Zusammenhang mit der vorgebrachten Kritik am Buchungssystem DiAS?
- Inwiefern trifft es zu, dass die Einrichtungsleitungen in den Landeseinrichtungen nicht wissen, welche Bewohner ausreisepflichtig sind?
Enxhi Seli-Zacharias
Markus Wagner
2 Ebd.
3 Ebd.
Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 4752 mit Schreiben vom 30. Dezember 2024 im Einvernehmen mit dem Minister des Innern namens der Landesregierung beantwortet.
- Welche weiteren Kritikpunkte gehen aus dem Brandbrief der Regierungspräsidenten hervor? (Bitte in diesem Zusammenhang der Antwort auf die Kleine Anfrage das Schreiben der Regierungspräsidenten in voller Länge hinzufügen)
Die genannten sind die wesentlichen Aspekte, die im Schreiben der Regierungspräsidentin und Regierungspräsidenten vom 20.09.2024 angesprochen werden.
- In welcher Form hat die Landesregierung auf den Brandbrief reagiert? (Bitte etwaige Antwortschreiben der Landesregierung der Antwort auf die Kleine Anfrage hinzufügen)
Das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration (MKJFGFI) hat schriftlich geantwortet und mit der Regierungspräsidentin und -präsidenten Gespräche geführt, die in weiteren Gesprächen auf verschiedenen Fachebenen vertieft wurden. Es bestand dabei Konsens, dass über alle staatlichen Verwaltungsebenen hinweg alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergriffen werden müssen, um die Erfolgsquote bei Dublin-Überstellungen zu steigern.
- Wie positionierte sich die Landesregierung insbesondere auf die vorgebrachte Kritik der Regierungspräsidenten am Erlass vom 30. August 2024? (Bitte den betreffenden Erlass der Antwort auf die Kleine Anfrage hinzufügen)
Die Bezirksregierungen und das MKJFGFI haben ein gemeinsames Verständnis der Ausgangssituation und kurz-, mittel- und langfristig zu ergreifende Maßnahmen im Hinblick auf Dublin-Überstellungen entwickelt und die Verantwortlichkeiten hierfür festgelegt.
- Wie positioniert sich die Landesregierung im Zusammenhang mit der vorgebrachten Kritik am Buchungssystem DiAS?
Bei der Software Digitales Asylverfahren NRW (DiAs NRW) handelt es sich um ein einheitliches elektronisches Landesfachverfahren zur Registrierung, Unterbringung, Versorgung und Zuweisung sowie für das Transfer- und Rückkehrmanagement von Asylsuchenden. Da es sich bei DiAs NRW nicht um ein Buchungssystem handelt, werden auch die An- und Abwesenheiten nicht in Echtzeit erfasst.
Es ist geplant, ein einheitliches Fachverfahren für die Dienstleister in den Landeseinrichtungen einzuführen, welches auf deren Bedürfnisse angepasst ist und im direkten Datenaustausch medienbruchfrei mit den bestehenden Fachverfahren des Asylsystems kommuniziert. Hierdurch wird eine verlässliche digitale Aussage zu den An- und Abwesenheiten ermöglicht. Im Haushaltsentwurf 2025 sind daher Mittel in Höhe von rd. 6 Millionen Euro für die Verbesserung der Datenverarbeitung vorgesehen. Insbesondere für den verbesserten Datenaustausch zwischen den Behörden, die Einführung einer zentralen Übersicht der abzuschiebenden Personen, die Erleichterung von Identitätsprüfungen und ein einheitliches IT-Verfahren für die Zentralen Ausländerbehörden.
- Inwiefern trifft es zu, dass die Einrichtungsleitungen in den Landeseinrichtungen nicht wissen, welche Bewohner ausreisepflichtig sind?
Grundsätzlich sind diese Daten für die Einrichtungsleitungen einsehbar; derzeit ist dafür erforderlich, dass die Einrichtungsleitungen alle Datensätze auf entsprechende Eintragungen regelmäßig überprüfen. Zukünftig soll ihnen eine automatisierte Gesamtübersicht im Fachverfahren DiAs NRW bereitgestellt werden.