Sachstand „Windstrom“anbindung NRW und „Windstrom“verbindung durch NRW hindurch

Große Anfrage
vom 23.04.2020

Große Anfrage 24der AfD-Fraktion vom 23.04.2020

 

Sachstand „Windstrom“anbindung NRW und „Windstrom“verbindung durch NRW hindurch

A. Vorbemerkung

Im deutschen Stromnetz kommt dem Bundesland Nordrhein-Westfalen eine zentrale Stellung zu. In NRW wird nicht nur über ein Viertel des deutschen Stroms erzeugt; das Bundesland ist als bedeutender Industrie- und Wirtschaftsstandort auch ein wichtiges Energieverbraucherland.1 In Nordrhein-Westfalen wird nicht nur Elektrizität hergestellt und genutzt; sie wird auch durch das Bundesland hindurchgeleitet.

Verursacht durch die seitens der Bundesregierung angestrebte sogenannte Energiewende wird die Bedeutung Nordrhein-Westfalens als Transitland für Strom zunehmen. So sind unter anderem in der Nordsee mehrere Windparks gebaut worden. Mit Stichtag 30.06.2019 beträgt die Nennleistung der dort installierten Windkraftanlagen 5.582 Megawatt.2 Der dort erzeugte Strom soll mittels Seekabeln zum Festland und dann im wesentlichen in den Süden Deutschlands weitergeleitet werden.

Problematisch erweist sich bei diesen Plänen der physikalische Effekt, dass Wechselstrom nur mit Verlusten per Kabel über größere Strecken zu transportieren ist. Ab ca. 40 km Übertragungsweg sind die kapazitären Verluste dann so groß, dass eine Übertragung des „Windstroms“ in Form von Wechselstrom zum Festland nicht mehr sinnvoll ist. Wählt man für die Übertragung Gleichstrom, fallen diese Verluste nicht bzw. in nur geringerem Maße an. Allerdings muss dazu der auf See erzeugte „Windstrom“ erst in Form von Gleichstrom bereitgestellt werden.

Diese Umwandlung des in einem Windpark erzeugten „Windstroms“ in Gleichstrom geschieht auf See mittels eines sogenannten Konverters, der sich nahe des Windparks auf einer eigenen Plattform befindet. Auf dem Festland wird dieser Gleichstrom dann mit einem weiteren Konverter wieder in Wechselstrom umgewandelt werden, um ihn in das Verbundnetz einspeisen zu können.

Problematisch ist, dass der von Windrädern erzeugte Strom sehr stark von dem durch Generatoren erzeugten Strom mit konstantem Sinus und einer dauerhaften Schwingung von 50 Hertz abweicht. Diese Abweichungen – sogenannte Oberschwingungen – lassen sich nur sehr schwer beherrschen und erhitzen den Konverter so stark, dass Konverterbrände drohen3. Zur Verhinderung dieser Brandgefahr wird zu einer Behelfslösung gegriffen, die nicht im Sinne der Befürworter der sogenannten Energiewende sein kann: Die von See an den an Land befindlichen Konverter geleitete Menge Strom wird durch Abschalten oder Verminderung der eigentlich zur Verfügung stehenden Leistung der Offshore-Windkraftanlagen verringert. Die Kosten hierfür übernimmt der Stromkunde, indem er seitens des Windparkbetreibers bzw. seines Versorgers für die auf See zur Verfügung gestellte „Windstrom“-Menge zur Kasse gebeten wird und nicht etwa für die tatsächlich an Land gelieferte Strommenge.

Um den Strom-Transit in Richtung Süden zu gewährleisten, werden u. a. zwei Stromübertragungsleitungen geplant:

  1. Die „A-Nord“-“Windstrom“verbindung zwischen Emden in Niedersachen und Osterath in NRW.
  2. Die mit „Ultranet“ bezeichnete Verbindung zwischen Osterath und Philippsburg in Baden-Württemberg.4

Beide Vorhaben werden als sogenannte Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) ausgeführt werden. „A-Nord“ ist ein Neubauvorhaben und soll 2025 als Erdkabel mit einer Länge von rund 300 Kilometern in Betrieb genommen werden. „Ultranet“ soll bei einer Gesamtlänge von rund 340 Kilometern größtenteils über bestehende Masten geführt werden; die Inbetriebnahme ist für 2023 geplant. „Ultranet“ soll rund 2.000 Megawatt elektrische Leistung von Osterath nach Baden-Württemberg übertragen, „A-Nord“ ist vorgesehen zur Übertragung der elektrischen Leistung von Emden nach Osterath.5

Die Wichtigkeit dieser Vorhaben zum Transport der Strommengen betonen Landesregierung und Bundesregierung gleichermaßen.

Die Landesregierung betont, so etwa in ihrer Publikation „Energieversorgungsstrategie Nordrhein-Westfalen“, dass sowohl für die Umsetzung des Kohleausstiegs als auch für die Umsetzung der sogenannten Energiewende ein Ausbau der Stromnetze erforderlich sei und damit auch die Einrichtung dieser beiden Stromübertragungsleitungen, die über NRW-Landesgebiet verlaufen.6

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erklärt dazu: „Die neue Erzeugungslandschaft mit Strom aus wachsenden Anteilen von erneuerbaren Energien schafft neue Herausforderungen für das Netz: Strom muss teilweise über weite Strecken von den Stromerzeugern zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern gelangen. So wird etwa der erneuerbare Strom aus Windenergie vorrangig im Norden und Osten sowie auf See erzeugt, wo der Wind besonders stark weht. Die größten Stromverbraucher – allen voran große Industriebetriebe – befinden sich aber im Süden und Westen Deutschlands. Der im Norden erzeugte Windstrom muss also dorthin transportiert werden.“7

Der schleppende Fortgang des Ausbaus entsprechender Leitungen veranlasste bereits im August 2018 das HANDELSBLATT zu dem trockenen Kommentar: „Die Realität ist deprimierend. Der Ausbau der Netze schreitet nur schleppend voran. Das bestehende Netz kommt immer häufiger an seine Grenzen. Die vier Übertragungsnetzbetreiber – 50Hertz, Amprion, Tennet und TransnetBW – müssen immer häufiger in den Netzbetrieb eingreifen, um die Stabilität zu gewährleisten.“8

Der Ausbau verzögert sich offenbar weiterhin. Mit Stand 31.12.2019 sind noch für keinen einzigen der vier Abschnitte von „A-Nord“ die Unterlagen nach § 8 Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz bei der Bundesnetzagentur eingereicht worden; entsprechende Fristen mussten verlängert werden.9

Planmäßig verlief bisher allein die Abschaltung des Kernkraftwerks Philippsburg II zum 31.12.2019.

B. Fragenkatalog

Zum aktuellen Stand der Arbeiten im Zusammenhang mit den Projekten „A-Nord“ und „Ultranet“ und mit Blick auf zukünftige Entwicklungen und Realisierungen dieser beiden Projekte fragen wir die Landesregierung bezüglich der HGÜ-Leitung „A-Nord“:

1. Welche Spannung wird die geplante HGÜ-Leitung haben?

2. In welchen Städten, Gemeinden oder Gemarkungen wird die aus Niedersachsen in Richtung Süden geführte HGÜ-Leitung den Boden von Nordrhein-Westfalen erreichen?

3. Durch welche Gemeinden wird die Trasse der HGÜ-Leitung von der nordrhein-westfälischen Landesgrenze aus nach Osterath verlaufen?

4. Auf welche Breite erstreckt sich diese geplante Trasse?

5. Innerhalb welcher Breite wird innerhalb dieser geplanten Trasse später dauerhaft Raum in Anspruch genommen, in dem das HGÜ-Kabel verlegt ist?

6. Wie viele Bäume müssen für den geplanten Trassenausbau gefällt werden?

7. Wie groß ist die nach Frage 5. in Anspruch genommene Fläche der Trasse in Hektar?

8. Wird es auf dieser Fläche der Trasse nach Frage 5. möglich sein, den Boden nach dem Bau der HGÜ-Leitung wieder durch Land- oder Forstwirtschaft (Anbau von Nutzpflanzen, Weidegrund, Wald) zu nutzen?

9. Welche Fläche wird dauerhaft durch die Trassenführung für eine Bepflanzung mit Tiefwurzlern unbrauchbar gemacht?

10. Sollten die Flächen nach Frage 5. nicht mehr zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung zur Verfügung stehen:

11. In welcher Höhe werden Entschädigungen hierfür zu zahlen sein und

12. inwieweit und in welcher Höhe werden die Stromkunden – zum Beispiel über Netzentgelte – mit diesen Entschädigungsaufwendungen belastet?

13. Erfordert die Trasse nach Frage 5. weitere Inanspruchnahmen durch Flächen in Form von bspw. einer dauerhaft eingerichteten Versorgungsstraße, und wie groß ist diese Flächeninanspruchnahme?

14. Wie groß ist die Fläche, die dauerhaft durch Versorgungswege entlang der Strecke versiegelt wird?

15. Mit welcher Grundwasserabsenkung ist im Zuge der Bauarbeiten durch die offenbar geplante Rheinquerung bei Rees im Kreis Kleve zu rechnen?

16. Wie werden die Anwohner entlang der Trassenführung in die Planungen einbezogen, und wie werden sie darüber informiert?

17. Welche Länge wird die Kabelführung von ihrem Eintritt ins nordrhein-westfälische Landesgebiet bis nach Osterath haben?

18. Aus wie vielen einzelnen Teilstücken an Kabeln wird die Gesamtleitung in etwa zusammengesetzt sein?

19. Welche Dimension in Form von Gewicht und Abmessungen hat ein einzelnes Teilstück Kabel?

20. Welche Art von Tiefladern, Sattelzügen o.ä. mit welchem dann notwendigen Gesamtgewicht sind notwendig, um die einzelnen Teilstücke an den Ort ihrer Nutzung zu verbringen?

21. Inwieweit sind Straßen, Brücken und Unterführungen entlang der Trassenführung geeignet, die Lasten nach Frage 16. aufzunehmen oder von ihrer räumlichen Abmessung her die Durchfahrt zu ermöglichen?

22. Sind mit dem Transport der Teilstücke und deren Gewicht außergewöhnliche Bodenverdichtungen zu erwarten?

23. Wie viele sogenannte Muffenhäuser werden notwendig sein, um die einzelnen Teilstücke zu der Gesamtlänge der HGÜ-Leitung innerhalb Nordrhein-Westfalens zu verbinden?

24. Welche Abmessungen werden solche Muffenhäuser haben?

25. Welche Flächen werden durch die Muffenhäuser in Anspruch genommen?

26. Welche Temperaturentwicklung ist in den Muffenhäusern zu erwarten?

27. Welche Art von eigener Versorgung in Form von Strom, Zugangssicherung, Schutz vor Grundwasser, Internet und Klimatisierung erfordern diese Muffenhäuser?

28. Wie schätzt die Landesregierung die Blackout-Gefahr durch Sabotage von Muffenhäusern ein?

29. Wie schätzt die Landesregierung die gesundheitlichen Gefahren für Personen ein, die ein Muffenhaus betreten?

30. Welche Wärme wird das im Erdreich verlegte Kabel entwickeln und wie werden die Auswirkungen dieser Temperatur auf Bewirtschaftungsmöglichkeiten des Bodens, seiner möglichen Austrocknung und auf im Boden oder bodennah lebende Tiere sein?

31. Wie schätzt die Landesregierung die gesundheitlichen Einschränkungen von Personen ein, die sich auf dem Boden über dem HGÜ-Kabel aufhalten?

32. Welche Fläche wird die Errichtung der notwendigen Konverterhalle in Osterath nebst allen Nebengebäuden insgesamt in Anspruch nehmen?

33. Welche Abmessungen wird die Konverterhalle selbst haben?

34. Wie wird der Hitzeentwicklung in der Konverterhalle begegnet werden und welche Leistungsdaten ca. wird die notwendige Klimatisierung/Kühlung haben?

35. Welche zusätzlichen Schaltanlagen in Form von Leistungstransformatoren werden zusätzlich zu der Konverterhalle auf dem Gelände notwendig sein?

36. Welche Geräuschentwicklung ist von Konverterhalle und Transformatoren zu erwarten?

37. Mit welchem Betrag in Euro ist die Herstellung der Konverterhalle nebst Nebengebäuden und -aggregaten, Anschaffungskosten des Grundstückes und aller damit verbundenen Kosten angesetzt?

38. Wie hoch sind typischerweise die Leitungsverluste einer gleichartigen HGÜ über eine Länge von 100 Kilometern?

39. Wie hoch sind die Leitungsverluste dieser HGÜ über die Gesamtlänge der Trasse innerhalb NRWs?

Markus Wagner
Andreas Keith
Christian Loose
Herbert Strotebeck

und Fraktion

 

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1 Vgl. https://www.wirtschaft.nrw/sites/default/files/asset/document/evs_nrw_version_veroeffentlichung_final.  pdf, abgerufen am 09.01.2020.

2 Vgl. https://www.wind-energie.de/fileadmin/redaktion/dokumente/pressemitteilungen/2019/Status_des_Offshore-Windenergieausbaus_Halbjahr_2019.pdf, abgerufen am 06.12.2019.

3 https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-128859921.html, abgerufen am 17.01.2020.

4 Vgl. https://www.amprion.net/Netzausbau/Interaktive-Karte/, abgerufen am 31.10.2019.

5 Vgl. ebenda.

6 Vgl. https://www.wirtschaft.nrw/sites/default/files/asset/document/evs_nrw_version_veroeffentlichung_fin  al.pdf, Seite 31ff, abgerufen am 31.10.2019.

7 Vgl. https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/netze-und-netzausbau.html, abgerufen am 31.10.2019.

8 Vgl. https://www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/altmaier-stellt-aktionsplan-vor-energiewende-in-gefahr-ausbau-des-strom netzes-ist-katastrophal-in-verzug/22911316.html?ticket=ST-61387040-Md0kJKMiuE4Oxj6NCAG5-ap4, abgerufen am 17.10.2019.

9 Vgl. https://www.netzausbau.de/leitungsvorhaben/bbplg/01/de.html;jsessionid=FEC81643FBBAF8F15E5 C50318C19D185?cms_vhTab=2, abgerufen am 22.04.2020.