Scharia-Polizei an unseren Schulen – wie groß ist die Gefahr wirklich?

Kleine Anfrage
vom 29.01.2024

Kleine Anfrage 3211

des Abgeordneten Dr. Christian Blex AfD

Scharia-Polizei an unseren Schulen wie groß ist die Gefahr wirklich?

An einer Neusser Gesamtschule soll sich laut Presse- und Ministeriumsberichten eine Gruppe Schüler bereits im März 2023 zur islamischen Sittenpolizei aufgespielt haben.1 Sie versuchten Druck auf Mitschüler auszuüben, islamischen Regeln, wie sie auch in der Scharia Anwendung finden, Folge zu leisten. Zudem sollen sie sich für drakonische Strafen, etwa Steinigungen, und im Allgemeinen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung ausgesprochen haben.2

Angaben zufolge konvertierten sogar einige Schüler auf Druck der selbsternannten Scharia-Polizei zum Islam,3 was evident für den Einfluss auf die gesamte Schülerschaft ist und nicht nur jene mit muslimischer Religionszugehörigkeit betrifft. Besonders im Kontext steigender Fallzahlen von Bombendrohungen, antisemitisch motivierten Sachbeschädigungen und Gewaltdelikten an Schulen sind diese Meldungen höchst bedenklich. Fraglich ist ebenfalls der Einfallvektor dieser extremistischen Entwicklungen. Die Ursachen, Quellen und bisher geleisteten Verhinderungsversuche müssen umfangreich aufgeklärt und aufgearbeitet werden, um unsere Schüler vor derartigen antiwestlichen und radikalen Islamisten zu schützen.

Erste Aufarbeitungen durch das Ministerium für Schule und Bildung sowie die Berichterstattung im zuständigen Ausschuss auf Antrag der AfD-Fraktion ergaben unbefriedigende Ergebnisse. Es konnte nicht umfangreich über sämtliche Details berichtet werden. Von Steinigungsfantasien und konvertierten Schülern war keine Rede. Diese nachträglich eintreffenden Informationen machen die Lage nur ernster. Es gilt dringend zu prüfen, ob weitere Tatbestände zusammengekommen sind und ob das Netzwerk aus radikalislamischen Schülern nicht größer als erwartet ist. Zudem ist der Vorfall in Neuss nicht der erste seiner Art. An einer Burscheider Schule4 plante ein Schüler Anschläge auf Leverkusener Weihnachtsmärkte, in Bonn drangsalierten Muslime andere Schüler während der Unterrichtszeit.5

An etlichen Schulen wird islamischer Religionsunterricht angeboten. Demnach müssten viele der ca. 470.000 muslimischen Schüler in NRW6 die Möglichkeit haben, in einem aufgeklärten und sicheren Rahmen ihre Religion als Unterrichtsfach zu verarbeiten. Inwiefern dort Präventionsarbeit stattfindet, muss genauer betrachtet werden.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Wie ordnet die Landesregierung die in der Presse genannten Vorfälle an der Gesamtschule Neuss von zum Beispiel geforderten Steinigungen, Nötigungen, Geschlechtertrennungen im Unterricht, Ablehnung der Demokratie, Forcierung von islamischen Kleidervorschriften und Einhaltung von Scharia-Regeln ein? (Aufschlüsselung nach Datum, Art des Vorfalls, betroffenen oder geschädigten Personen sowie Tätern)
  2. Welche weiteren Vorfälle im schulischen Kontext sind der Landesregierung im Zusammenhang mit Islamismus bekannt? (Aufschlüsselung nach Datum, Art des Vorfalls, betroffenen oder geschädigten Personen sowie Täter)
  3. Wie sehen die Täterprofile aus? (Bitte aufschlüsseln nach Alter, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei deutschen Tatverdächtigen und Tatmotiv)
  4. Welche konkreten Maßnahmen bzw. Konsequenzen wurden gegen die verantwortlichen Schüler ergriffen?
  5. Nahmen die betroffenen muslimischen Schüler an einem islamischen Religionsangebot bzw. am islamischen Religionsunterricht der Schule Teil?

Dr. Christian Blex

 

MMD18-7878

 

1 https://www.welt.de/debatte/kommentare/article249651360/Schule-Gegen-Salafisten-reichen-paedagogische-Gespraeche-nicht.html

2 https://www.bild.de/regional/duesseldorf/duesseldorf-aktuell/islamismus-eklat-an-gesamtschule-in-neuss-scharia-schueler-drohten-mit-steinigun-86795300.bild.html

3 https://www.bild.de/regional/duesseldorf/duesseldorf-aktuell/scharia-eklat-an-schule-erste-schueler-konvertierten-bereits-zum-islam-86817796.bild.html

4 https://www.ksta.de/region/leverkusen/burscheid/islamist-aus-burscheid-soll-anschlag-auf-weihnachtsmarkt-geplant-haben-693049

5 https://www.bild.de/regional/koeln/koeln-aktuell/wegen-angeblich-falscher-kleidung-muslime-sollen-andere-schueler-mobben-84338356.bild.html
6 https://www.schulministerium.nrw/islamischer-religionsunterricht#:~:text=In%20NRW%20leben%20%C3%BCber%20470.400,Recht%20auf%20e inen%20staatlichen%20Religionsunterricht.


Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 3211 mit Schreiben vom 12. März 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration beant­wortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Radikalisierungen und Extremismus haben keinen Platz an unseren Schulen. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie politisch oder religiös motiviert sind. Unsere Schulen sind Orte, an denen sich junge Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion begegnen. Jeder junge Mensch muss sich hier akzeptiert, gut aufgehoben und sicher fühlen können.

  1. Wie ordnet die Landesregierung die in der Presse genannten Vorfälle an der Ge­samtschule Neuss von zum Beispiel geforderten Steinigungen, Nötigungen, Ge­schlechtertrennungen im Unterricht, Ablehnung der Demokratie, Forcierung von islamischen Kleidervorschriften und Einhaltung von Scharia-Regeln ein? (Auf­schlüsselung nach Datum, Art des Vorfalls, betroffenen oder geschädigten Perso­nen sowie Tätern).

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung für das Land Nord­rhein-Westfalen regeln die Rechte und Pflichten der Bürgerinnen und Bürger sowie aller Men­schen im Land, schützen die Menschenwürde, Freiheit und Gleichheit sowie die freie Entfal­tung der Persönlichkeit. Alle Aktivitäten, die dieser freiheitlichen demokratischen Grundord­nung entgegenstehen, sind zu verurteilen.

Niemand kann und darf in der Schule gezwungen werden, seine Religion in einer bestimmten Art und Weise auszuüben. Sowohl die freiheitliche demokratische Grundordnung als auch die im Schulgesetz festgelegte Koedukation als die Regelform des Unterrichts sind unumstößliche Grundlagen schulischen Handelns.

Die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Positionen im Rahmen eines schulischen Un­terrichtsdiskurses gehört zu dem Kernbereich von Schule, ist aber auch eine gesamtgesell­schaftliche Aufgabe, zu der unsere Schulen bereits heute einen wichtigen Beitrag leisten. Je­dem Einzelfall wird nachgegangen und auch im aktuellen Fall steht die Schulaufsicht der Ge­samtschule in Neuss unterstützend und beratend zur Seite.

Nach Rücksprache des Ministeriums des Innern mit der Staatsanwaltschaft Düsseldorf besteht derzeit kein Anfangsverdacht einer Straftat. Dementsprechend wurde durch die Polizei Nord­rhein-Westfalen kein Ermittlungsverfahren gegen die handelnden Personen eingeleitet.

Die Personalien der handelnden Personen sind bekannt. Zu allen Personen wurde ein Prüffall gemäß „Handlungskonzept der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen zur Früherkennung des politisch motivierten Extremismus und Terrorismus sowie der Politisch motivierten Krimi­nalität“ angelegt. Die hierbei vorzunehmenden Überprüfungen sind bereits abgeschlossen.

  1. Welche weiteren Vorfälle im schulischen Kontext sind der Landesregierung im Zu­sammenhang mit Islamismus bekannt? (Aufschlüsselung nach Datum, Art des Vorfalls, betroffenen oder geschädigten Personen sowie Täter).

Bei dem oben genannten Vorfall aus Neuss sowie ähnlich gelagerten Vorfällen in Nordrhein-Westfalen handelt es sich um Sachverhalte, die nicht zwingend meldepflichtig im Sinne des Erlasses „Meldung wichtiger Ereignisse“ [(MBl.NRW.) Ausgabe 2018 Nr. 29 vom 30.11.2018 Seite 625-658] sind. Dies hat zur Folge, dass insbesondere niederschwellige Vorfälle gegebe­nenfalls nicht mittels Wichtiger-Ereignis-Meldung (WE-Meldung) an das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen, das Ministerium des Innern oder an andere Ministerien des Landes be­richtet werden.

Um auch bei niedrigschwelligen Vorfällen gleichwohl eine umfassende Verdachtsgewinnung zur Früherkennung von Radikalisierung und Anschlagsvorbereitungen zu gewährleisten, fer­tigt die Polizei Nordrhein-Westfalen zu jedem Vorfall und zu jeder Person Prüffälle nach dem „Handlungskonzept der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen zur Früherkennung des poli­tisch motivierten Extremismus und Terrorismus sowie der Politisch motivierten Kriminalität“.

Diese Prüffälle werden aufgrund von Indizien erfasst, die auf eine radikalisierte bzw. extremis­tische Einstellung und daraus resultierende Gefahren hinweisen können. Soweit die durchge­führten Erhebungen einen Gefahrenverdacht oder den Anfangsverdacht einer Straftat nicht begründen, sind die Inhalte am Ende des darauffolgenden Kalenderjahres zu löschen. Ein Rückgriff auf die gewonnenen Erkenntnisse ist daher nur für die Jahre 2022 und 2023 möglich.

Aus den noch vorliegenden, händisch ausgewerteten Prüffällen, wurden insgesamt 112 Vor­fälle an nordrhein-westfälischen Schulen im o.g. Zeitraum bekannt. Hiervon sind 31 Vorfälle vergleichbare bzw. ähnlich gelagerte Sachverhalte wie der Sachverhalt der Neusser Gesamt­schule.

  1. Wie sehen die Täterprofile aus? (Bitte aufschlüsseln nach Alter, Staatsbürger­schaften der Tatverdächtigen, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei deutschen Tatverdächtigen und Tatmotiv).

Da es sich bei den handelnden Personen im „Kontext Schule“ um Kin-der bzw. Jugendliche
handelt, können aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes keine weiteren Angaben erfolgen.

  1. Welche konkreten Maßnahmen bzw. Konsequenzen wurden gegen die verantwort­lichen Schüler ergriffen?

Ein Schüler wurde gemäß § 53 Abs. 3 SchulG für fünf Schultage vom Unterricht suspendiert. Mit allen Schülern wurden erzieherische und pädagogische Gespräche durch die Oberstufen-leiterin sowie durch die Mitarbeitenden der Schulsozialarbeit geführt.

Darüber hinaus ist das schulische Leben durch die konzentrierte Berichterstattung in den Me­dien stark beeinflusst worden. Die gesamte Schulgemeinschaft erhält Unterstützung und Auf­klärung durch die Schulaufsicht, Expertinnen und Experten von „Wegweiser“ sowie durch eine fachwissenschaftliche Beratung.

  1. Nahmen die betroffenen muslimischen Schüler an einem islamischen Religions­angebot bzw. am islamischen Religionsunterricht der Schule teil?

An der Gesamtschule Nordstadt wird islamischer Religionsunterricht nicht unterrichtet.

 

MMD18-8455