Schaut die Landesregierung bei illegalen Ladesäulen weg?

Kleine Anfrage
vom 29.09.2021

Kleine Anfrage 6003des Abgeordneten Christian Loose vom 29.09.2021

 

Schaut die Landesregierung bei illegalen Ladesäulen weg?

Für Verbraucher ist Transparenz in Form von Eichungen wichtig – nur so können Sie sicher sein, auch die Menge zu erhalten, die sie bezahlen. Was für den Ausschank von Kölsch und Altbier oder die Bemessung von Trinkwasserverbräuchen und vieler anderer Güter gilt, wird beim Verkauf von Strom an Ladesäulen, wie sie für im wesentlichen batterieelektrische Fahrzeuge genutzt werden, lässig nach Gutsherrenart gehandhabt.

Für nicht eichrechtskonforme Ladestationen – die selbstverständlich sofort stillzulegen wären wie jede andere nicht eichrechtskonforme Anlage auch – hat das Bundeswirtschaftsministerium mit der Ladeinfrastruktur-Branche eine Übergangsregelung beschlossen und dadurch eine etwaige Stilllegung von Ladestationen nach dem 31. März 2019 verhindert.

Während die Nutzer so weiterhin gezwungen werden, für unklaren Strombezug zu zahlen, haben die Betreiber der Ladesäulen vorbehaltlich der Vorlage eines Nachrüstplans für die Nachrüstung zu Lasten des Verbrauchers Zeit gewonnen.1 Offenbar stört es den Gesetzgeber und die Exekutive nicht, dass laut eines Berichts des Portals „elektroautonews.net“ tausende Ladesäulen in Deutschland illegal sind.2

Der Co-CEO von Compleo, Checrallah Kachouh, sagt dazu erhellend: „Eine nicht eichrechtskonforme Ladesäule umzurüsten kann teilweise aufwendiger sein, als eine neue Ladesäule aufzubauen“.3 Dies würde aber in offenkundigem Widerspruch zum Bestreben der Bundesregierung stehen, durch den sogenannten „Masterplan Ladesäuleninfrastruktur“ bis zum Jahre 2030 die Zahl der Ladepunkte von jetzt 47.000 auf eine Million zu steigern.4 Laut des Verbands der Automobilindustrie müssten hierzu in jeder Woche 2.000 neue Ladepunkte errichtet werden.5

In diesem Zusammenhang ist zu befürchten, dass die jetzt illegalen Ladesäulen in Deutschland weiter geduldet werden und dass der Verbraucher weiterhin im Unklaren darüber gelassen wird, ob er beim Laden einen fairen Preis für seine Stromabnahme zahlt. Tests des ADAC belegten die Ungenauigkeit von Ladestationen. Für das Laden eines Tesla Model X100D für 100 kWh mussten der Ladesäule 108,3 kWh entnommen werden.6

Ich frage die Landesregierung:

  1. Welche gesetzlichen Regelungen bestehen im Einzelnen für das Betreiben von Ladepunkten für E-Autos?
  2. Wie viele betriebene Ladepunkte in NRW entsprachen zum Stichtag 1. September 2021 nicht den Anforderungen der gesetzlichen Regelungen nach Beantwortung von Frage 1, d.h. insbesondere, wie viele der Ladepunkte erfüllen nicht die nach aktueller Rechtslage gültigen Regelungen zur Eichung?
  3. An wie vielen Ladepunkten in NRW wird dem Nutzer ein in der Vergangenheit, bis zum 31. März 2019, offenbar üblicher Abschlag von 20 Prozent oder in anderer Höhe für Wandlungsverluste vom Betreiber eingeräumt?
  4. Bis wann erwartet die Landesregierung, dass alle Ladepunkte in NRW eichrechtskonform sind?
  5. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung derzeit, um die Umsetzung der Gesetze, welche für Ladesäulen gelten, zu gewährleisten?

Christian Loose

 

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1 Vgl. https://www.electrive.net/2019/02/14/eichrecht-fristverlaengerung-fuer-nicht-konforme-lader/, abgerufen am 08.09.2021 um 20:50 Uhr.

2 Vgl. https://www.elektroauto-news.net/2021/ungeeicht-behoerden-dulden-tausende-illegale-ladesaeulen, abgerufen am 03.09.2021 um 9:50 Uhr.

3 https://www.electrive.net/2021/08/31/tausende-dc-ladesaeulen-noch-nicht-eichrechtskonform/, abgerufen am 03.09.2021 um 9:45 Uhr.

4 Vgl. https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/klimaschutz/verkehr-1672896, abgerufen am 03.09.2021 um 10:20 Uhr.

5 Vgl. https://www.br.de/nachrichten/wirtschaft/elektroautos-1-000-schnellladestationen-ausgeschrieben,SgF6AlF, abgerufen am 03.09.2021 um 11:20 Uhr.

6 Vgl. https://www.firmenauto.de/laden-von-elektroautos-warum-sie-mehr-bezahlen-als-sie-laden-10987264.html, abgerufen am 03.09.2021 um11:45 Uhr.


Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 6003 mit Schreiben vom 5. November 2021 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Verkehr beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Der Erfolg der Elektromobilität in Nordrhein-Westfalen hängt entscheidend von der Verfügbar­keit ausreichender Ladeinfrastruktur ab. Jede Anstrengung zum Aufbau einer leistungsstarken Ladeinfrastruktur ist daher zu begrüßen.

Es liegt in der Verantwortung der Wirtschaft, die Anforderungen des Mess- und Eichrechts bei der Konzeption ihrer Angebote umzusetzen. Insbesondere bei den sog. DC-Ladesäulen, die mit Gleichstrom arbeiten, ist dies eine besondere technische Herausforderung. Inzwischen gibt es zahlreiche konformitätsbewertete AC-Ladesäulen, die im Rahmen des Mess- und Eich-rechts ordnungsgemäß verwendet werden können. Die Umrüstung des Bestandes ist gut vo­rangekommen und es werden nach hiesiger Kenntnis nur noch eichrechtskonforme Ladesäu­len neu installiert.

Die Bereitschaft der Landeseichbehörden, einen gewissen Übergangszeitraum bis zur Errei­chung einer flächendeckend eichrechtskonformen Ladeinfrastruktur in Deutschland zu tolerie­ren, wird erfahrungsgemäß von allen Marktteilnehmern begrüßt. Aus Sicht der Landesregie­rung wäre es kontraproduktiv gewesen, den Weiterbetrieb bestehender, noch nicht umgerüs­teter Ladesäulen in einer Phase zu untersagen, in der noch ein erheblicher Mangel an öffent­licher Ladeinfrastruktur bestand.

Bis Ende März 2019 haben Eichbehörden gegen Gleichstromschnelllade-systeme (auch über 50 kW) keine Maßnahmen ergriffen, bei denen (noch) nicht eine DC-Messung (Gleichstrom), sondern eine AC-Messung (Wechselstrom) unmittelbar vor der Wandlung des Ladestroms in Gleichstrom vorgenommen wird. Dies war abhängig von definierten Bedingungen, die der Be­treiber einhalten musste.

Dass die Entwicklung von eichrechtskonformen DC-Ladesäulen der Entwicklung von eich-rechtskonformen AC-Ladesäulen hinterherläuft, ist u. a. darauf zurückzuführen, dass man bei der Entwicklung von AC-Ladesäulen auf bereits eichrechtskonforme AC-Messtechnik zurück­greifen konnte, da diese schon als Massenware (E-Zähler) verfügbar war. Die Messung von Gleichstrom (DC) hat im Anwendungsbereich des Eichrechts in den vergangenen Jahrzehnten keine Rolle gespielt, so dass solche Produkte zunächst neu entwickelt werden mussten.

  1. Welche gesetzlichen Regelungen bestehen im Einzelnen für das Betreiben von Ladepunkten für E-Autos?

Hier sind die Ladesäulenverordnung, das Mess- und Eichgesetz, die Mess- und Eichverord-nung, das Energiewirtschaftsgesetz sowie die Preisangabenverordnung zu beachten. Wenn der Ladepunkt mit Technologien zur Erzeugung erneuerbarer Energien gekoppelt wird, ist fer­ner das Erneuerbare-Energien-Gesetz anzuwenden.

  1. Wie viele betriebene Ladepunkte in NRW entsprachen zum Stichtag 1. September 2021 nicht den Anforderungen der gesetzlichen Regelungen nach Beantwortung von Frage 1, d.h. insbesondere, wie viele der Ladepunkte erfüllen nicht die nach aktueller Rechtslage gültigen Regelungen zur Eichung?
  2. An wie vielen Ladepunkten in NRW wird dem Nutzer ein in der Vergangenheit, bis zum 31. März 2019, offenbar üblicher Abschlag von 20 Prozent oder in anderer Höhe für Wandlungsverluste vom Betreiber eingeräumt?

Die Fragen 2 und 3 werden gemeinsam beantwortet. Hierzu liegen der Landesregierung keine Informationen vor.

  1. Bis wann erwartet die Landesregierung, dass alle Ladepunkte in NRW eichrechts-konform sind?

Das hängt im Wesentlichen davon ab, wie zügig die Wirtschaftsakteure – insbesondere im Hinblick auf die noch wenig verbreitete Art der Schnellladesäule weitere technische Lösungen entwickeln und am Markt anbieten werden. Ich gehe davon aus, dass die Betreiber die Um­setzung schnellstmöglich realisieren werden.

  1. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung derzeit, um die Umsetzung der Gesetze, welche für Ladesäulen gelten, zu gewährleisten?

Nach Ablauf einer bundeseinheitlichen Übergangsregelung für die Betreiber nicht eichrechts-konformer Ladesäulen Ende März 2019 werden die Prüfungen durch die Vollzugsbehörden entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen durchgeführt und individuell entschieden.

Bei diesen Einzelfallentscheidungen haben die Vollzugsbehörden des Mess- und Eichwesens den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Es ist insoweit bei jeder Anordnung ab­zuwägen, ob die konkrete Maßnahme im Einzelfall angemessen ist. Dabei ist das Interesse der Allgemeinheit an vorhandener Ladeinfrastruktur mit zu berücksichtigen. Ferner hat der Betreiber einer Ladesäule u.a. schlüssig darzulegen, warum ihm eine Umrüstung einer Lade­säule im Einzelfall noch nicht möglich war.

 

Antwort als PDF

Beteiligte:
Christian Loose