Kleine Anfrage 3933
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias, Markus Wagner, Carlo Clemens und Klaus Esser AfD
Schleuserskandal in NRW – das deutsche Generalkonsulat im südchinesischen Kanton hatte bereits im März 2018 Alarm geschlagen. Warum griffen die Behörden erst 6 Jahre später ein?
Wie aus einem Bericht des Kölner Stadtanzeigers hervorgeht, soll einer der Hauptverdächtigen des aktuellen Schleuserskandals eingeräumt haben, dass das ursprüngliche Schleusermodell über eine Offene Handelsgesellschaft (OHG) in Solingen begonnen worden sei. Des Weiteren habe das deutsche Generalkonsulat im südchinesischen Kanton bereits im März 2018 bei einer Überprüfung der Solinger Vorgänge Alarm geschlagen hat. Dies gehe aus einem Papier des deutschen Generalkonsulats hervor. Dabei wurde detailliert eine der Maschen beschrieben, mit denen die Chinesen anfangs nach Deutschland gebracht wurden. Sogar der Frechener Anwalt B. wurde bereits zum damaligen Zeitpunkt als mutmaßlicher Drahtzieher genannt.1
Im Detail wird die „Masche“ – das Investorenmodell – im Kölner Stadtanzeiger wie folgt beschrieben: „Der Jurist soll damals mit der Hilfe von Komplizen Scheinfirmen gegründet haben, mit denen die Ausreisewilligen nach Deutschland gelotst wurden. Über Werbekampagnen generierte seine Kanzlei in Köln und später in Frechen meist reiche Chinesen, die ausreisen wollten. Die „Kunden“ firmierten als angebliche Investoren, die in den Firmen bis zu einer halben Million Euro einbringen und dadurch das Recht zum Deutschland-Aufenthalt erwerben wollten.“
In einer zweiten Phase sollen die mutmaßlichen Schleuser die Chinesen durch gefälschte Arbeitsverträge und Lebensläufe nach Deutschland geholt haben – u. a. mit dem Argument eines Fachkräftemangels.
Bei der Überprüfung der damaligen Situation [im Jahr 2018] sei zudem die Homepage einer chinesischen Firma aufgefallen, die „fast schon reißerisch“ für eine „kostengünstige Möglichkeit“ einer dauerhaften Übersiedlung nach Deutschland geworben habe.2
Weiter heißt es: „Wer eine Gebühr von 350.000 Euro zahle, dem könne nach der Einreise in die Bundesrepublik nach weiteren drei Jahren sogar eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis garantiert werden. Nachweise über Sprachkenntnisse, Finanzierungsquellen, Vorstrafen oder berufliche und akademische Qualifikationen seien zudem nicht nötig, so die Werbebotschaft. Auch eine „Einwanderungsaufsicht“ gebe es in Deutschland nicht, hätten die mutmaßlichen Schleuser versprochen. Und selbstverständlich gebe es auch die Möglichkeit, Familienmitglieder nachzuholen.“
Der Umstand, dass die Behörden bereits 2018 Verdacht schöpften und klare Beweise vorlagen, wirft die Frage auf, warum der Zugriff erst 6 Jahre später erfolgte.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Welche Bundesbehörden – nach Kenntnis der Landesregierung – bzw. Landesbehörden in NRW wurden – wie im Artikel des Kölner Stadtanzeigers beschrieben – seit März 2018 durch das Generalkonsulat im südchinesischen Kanton über mögliche Unregelmäßigkeiten informiert?
- Welche Informationen wurden seinerzeit im Detail übermittelt?
- Inwiefern wurden bereits zum damaligen Zeitpunkt durch die zuständigen Behörden Ermittlungen aufgenommen?
- Was haben diese Ermittlungen seinerzeit im Detail ergeben?
- Wie erklärt sich der Umstand, dass die zuständigen Behörden erst 6 Jahre später den Schleuserring zerschlagen und umfangreiche Ermittlungen aufgenommen haben?
Enxhi Seli-Zacharias
Markus Wagner
Carlo Clemens
Klaus Esser
2 Ebd.
Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 3933 mit Schreiben vom 10. Juli 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Gemäß § 6a Absatz 5 des Haushaltsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (HHG NRW) unterrichtet das Ministerium der Finanzen den Haushalts- und Finanzausschuss des Landtags zum 31. März des Folgejahres über die in den Ressorts im Vorjahr erfolgte Projektumsetzung. Auf die Vorlage 18/1083 für das Jahr 2022 und die Vorlage 18/2366 für das Jahr 2023 wird verwiesen.
- Welche Bundesbehörden – nach Kenntnis der Landesregierung – Landesbehörden in NRW wurden – wie im Artikel des Kölner Stadtanzeigers beschrieben – seit März 2018 durch das Generalkonsulat im südchinesischen Kanton über mögliche Unregelmäßigkeiten informiert?
- Welche Informationen wurden seinerzeit im Detail übermittelt? Die Fragen 1 und 2 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Die Leitende Oberstaatsanwältin in Düsseldorf hat dem Ministerium der Justiz unter dem 14.06.2024 im Wesentlichen berichtet, dass das Geralkonsulat Kanton mit einem an das Auswärtige Amt gerichteten Schreiben vom 17.12.2018 am Beispiel von Anträgen einer Kölner Rechtsanwaltskanzlei auf eine mögliche Beteiligung deutscher Anwaltskanzleien an Visums-anträgen nach § 21 AufenthG zur Umgehung aufenthaltsrechtlicher Regelungen hingewiesen habe. Auf den Bericht der Landesregierung für die Sitzung des Innenausschusses am 27.06.2024 (LT-Vorlage 18/2771) wird Bezug genommen. Weitere Informationen und Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen nicht vor.
- Inwiefern wurden bereits zum damaligen Zeitpunkt durch die zuständigen Behörden Ermittlungen aufgenommen?
Die Bundespolizei begann dem in der Antwort auf die Fragen 1 und 2 benannten Bericht der Leitenden Oberstaatsanwältin in Düsseldorf zufolge aufgrund des dort geschilderten Hinweises mit der Prüfung des Tatvorwurfes und legte am 20.11.2020 der Staatsanwaltschaft Düsseldorf einen Anzeigevorgang vor.
- Was haben diese Ermittlungen seinerzeit im Detail ergeben? Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf dauern an.
- Wie erklärt sich der Umstand, dass die zuständigen Behörden erst 6 Jahre später den Schleuserring zerschlagen und umfangreiche Ermittlungen aufgenommen haben?
Dem in der Antwort auf die Fragen 1 und 2 benannten Bericht zufolge stellt der Zeitraum der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen angesichts der dreistelligen Anzahl der mutmaßlich Tatbeteiligten, der Komplexität und des Umfangs der Tatvorwürfe sowie unter Berücksichtigung des bei Gericht erforderlichen Zeitrahmens zur Prüfung des jeweils erforderlichen Verdachtsgrades hinsichtlich der Vielzahl der beantragten Beschlüsse eine dort übliche Verfahrensdauer im Bereich der Organisierten Kriminalität dar.