Schleuserskandal weitet sich aus. Geht es auch um Spionage? Welche Rolle spielen die Kontakte der Berliner Lobbyfirma „Republic Affairs“ zu ehemaligen hohen Parteifunktionären und einem der derzeit hauptbeschuldigten Anwälte?

Kleine Anfrage
vom 17.05.2024

Kleine Anfrage 3847

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD

Schleuserskandal weitet sich aus. Geht es auch um Spionage? Welche Rolle spielen die Kontakte der Berliner Lobbyfirma „Republic Affairs“ zu ehemaligen hohen Parteifunktionären und einem der derzeit hauptbeschuldigten Anwälte?

Ein Schleuserskandal erschüttert derzeit die Politszene in NRW. Neben einem SPD-Funktionär aus Düren, der derzeit in U-Haft sitzt, zählt u. a. ein ehemaliger CDU-Landrat aus dem Rhein-Erft-Kreis zu den Beschuldigten.1

Maßgeblich an der Einschleusung überwiegend reicher Chinesen waren zudem wohl zwei Anwälte aus Frechen bzw. Köln beteiligt. Wie die WELT herausfand, ist der verhaftete Anwalt aus Köln, der in der Vergangenheit als Spender der CDU auftrat, zugleich Miteigentümer der Berliner Lobbyfirma „Republic Affairs“. Seine Kanzlei werbe laut Informationen der WELT zudem damit, dass sie beim Kampf gegen den „Fachkräftemangel“ und bei der Beschaffung von Visum, Aufenthaltserlaubnis oder Einbürgerung helfen könne. In Testimonials zitiert sie auf ihrer Website auch das Lob zweier chinesischer Kunden.2

Die Büros von „Republic Affairs“ befinden sich an der Friedrichstraße in Berlin, in unmittelbarer Nähe der Bundesgeschäftsstelle der FDP. Ein Sprecher der Lobbyfirma streitet jegliche Verbindung zum derzeitigen Schleuserskandal über den Kölner Anwalt ab.

Des Weiteren recherchierte die WELT dann irritierende Verbindungen nach China. So heißt es im Artikel: „Vor der Festnahme [des Kölner Rechtsanwalts] fand sich auf dem Türschild von „Republic Affairs“ überdies das Logo eines Deutsch-Chinesischen Presseclubs (DCP). Er wird vom Verlag Rommerskirchen getragen, der laut Presseberichten auch bereits mit der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xionhua zusammengearbeitet hat. Die Organisation Reporter ohne Grenzen bezeichnet Xinhua als die „größte Propaganda-Agentur der Welt“. Inzwischen ist das DCP-Logo vom Eingang bei „Republic Affairs“ verschwunden.“3

Zu den indirekten Anteilseignern bei „Republic Affairs“ soll bis vor Kurzem auch ein deutscher Staatsbürger offenbar chinesischer Abstammung gezählt haben. Dieser soll einer der „führenden Köpfe einer Firmengruppe im rheinischen Frechen [sein], die sich dort auch eine Anschrift mit dem Zweitsitz [des beschuldigten Anwalts] teilt.“ Diese Firma soll dann über Kontakte nach China verfügen. Des Weiteren soll es Verbindungen zu einer vom beschuldigten Anwalt geführten Firma in Kerpen geben.4

Auf der Homepage der Berliner Lobbyfirma „Republic Affairs“ finden sich zahlreiche (ehemalige) Partei-Funktionäre. Die geschäftsführende Gesellschafterin war nach eigener Angabe von 2010 bis 2013 als wissenschaftliche Mitarbeiterin für eine Abgeordnete der CDU/CSU-Bundestagsfraktion aus Nordrhein-Westfalen tätig. Zum Partnernetzwerk zählen u. a. Dirk Fischer (CDU), vormals Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft sowie des Deutschen Bundestages, Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP), ehemaliger stellvertretender Ministerpräsident in Hessen, Prof. Dr. Hubert Kleinert (Grüne), ehemaliger parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion sowie Landesvorsitzender der Grünen in Hessen, Oda Scheibelhuber (CDU), ehemalige Staatssekretärin im Hessischen Ministerium des Innern, Ernst Schwanhold (SPD), ehemaliger Minister für Wirtschaft, Mittelstand, Technologie und Verkehr in Nordrhein-Westfalen, Dr. Martin Schwanholz (SPD), ehemaliger Bundestagsabgeordneter, ein ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter von Lars Klingbeil, sowie Dr. Christean Wagner (CDU), u. a. ehemaliger Staatssekretär im Bundesumweltministerium.5

Im Lobbyregister von „Republic Affairs“ findet sich schließlich einer der Hauptbeschuldigten des Schleuserskandals als vertretungsberechtigte Person.6 Als Interessen- und Vorgabebereiche werden u. a. Ausländer- und Aufenthaltsrecht; Integration sowie Sonstiges im Bereich „Migration, Flüchtlingspolitik und Integration“ angegeben. Als Auftraggeber wird u. a. eine Firma aus Bochum benannt.7

Wie aus einem Bericht der Bild hervorgeht, hat „Republic Affairs“ Name und Foto des verdächtigen Rechtsanwalts mittlerweile aus dem Internetauftritt entfernt.8

Weitere Recherchen der Bild haben ergeben, dass es sich möglicherweise nicht nur um einen Schleuser-Skandal handelt. So hat eine chinesische Staatsbürgerin offenbar dem beschuldigten Rechtsanwalt Ende 2020 eine Generalvollmacht ausgestellt. Dieser habe im Namen der Chinesin am Kauf eines „Freudenhauses“ in Köln mitgewirkt. Laut Bild soll aus Ermittlungsakten, E-Mail und Chatnachrichten hervorgehen, dass die Chinesin anscheinend nur die ‚Strohfrau‘ in einer Schleuser- und Spionage-Affäre sei.9

Weiter heißt es dann: „Noch bevor die Chinesin die Vollmacht Ende 2020 ausgestellt hatte, führte B. bereits Gespräche zum Kauf des Kölner Laufhauses. Interne Mails und Chat-Nachrichten belegen: Bei einer ersten Begehung war der Kölner Anwalt mit einem mutmaßlichen Co-Schleuser, dem chinesischstämmigen X., vor Ort. Dabei gaben sie laut E-Mail vor, eine ‚Investorengruppe‘ zu vertreten. Die Verbindung zwischen Anwalt B. und dem umtriebigen Unternehmer X. dürften bei den Ermittlungen noch von großem Interesse sein. Im Kölner Umland teilen sich beide Büroanschriften. In Berlin sind sie direkt und indirekt seit 2021 Anteilseigner der Lobby-Firma ‚Republic Affairs‘, die in einem Gebäude mit dem Deutsch-Chinesischen Presseclub (DCP) an der Friedrichstraße residiert. Der DCP arbeitet laut Medienberichten mit der staatlichen Propaganda-Agentur Xionhua zusammen. ‚Republic Affairs‘ stellte für den Presseclub Räume und Catering zur Verfügung.“10

Ermittler schließen angeblich einen Spionage-Hintergrund nicht aus. Dafür spricht die umgebaute 9. Etage im ‚Freudenhaus‘. Vermutet wird hier die diskrete Beherbergung chinesischer Agenten, sogenannter Recruiter, die in Deutschland neue Spione anwerben sollen.11 Der beschuldigte Rechtsanwalt soll dem heutigen Betreiber des ‚Freudenhauses‘ seinerzeit geschrieben haben: „Das könnte der Deal für die nächsten 20 Jahre Unterhalt werden“.

Bezüglich der Geldflüsse heißt es im Bericht der Bild: „Laut Ermittlungsakten sammelte der Schleuser-Ring zwischen 2015 und 2024 mindestens 9,2 Millionen Euro ein – überwiegend von Chinesen. Mit einem Teil davon finanzierte die Bande die nötigen Legenden der Ausländer – Scheinfirmen und Scheinwohnsitze. Zudem wurde laut Staatsanwaltschaft ein Amtsträger mit rund 300.000 Euro in bar bestochen, um Aufenthaltsgenehmigungen zu erhalten. Der Rest soll in den Taschen der Beschuldigten versickert sein.“12

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Welche Rolle spielte nach derzeitigem Ermittlungstand die Berliner Lobbyfirma „Republic Affairs“ im Schleuser- und ggf. Spionage-Skandal?
  2. Inwiefern steht das Partnernetzwerk von „Republic Affairs“ mit zahlreichen ehemaligen, teils hohen Parteifunktionären derzeit im Fokus der Ermittlungen?
  3. Welche Rolle im Schleuser-Netzwerk spielten nach derzeitigem Ermittlungsstand die oben erwähnten, vermuteten Kontakte von „Republic Affairs“ nach China bzw. zu chinesischen Geschäftspartnern?
  4. Welche Rolle spielt der geschilderte Kauf des ‚Freudenhauses‘ in Köln, insbesondere in Verbindung mit der „diskrete[n] Beherbergung chinesischer Agenten“, beim aktuellen Schleuser-Skandal?
  5. Welche Verbindungen zur Politik sind der Landesregierung beim vermuteten zusätzlichen Spionage-Skandal derzeit bekannt?

Enxhi Seli-Zacharias

 

MMD18-9290

 

1 Vgl. NRW-Schleuserbande holte Migranten nach Deutschland – mittendrin ein SPD-Mann – FOCUS online

2 Vgl. Geschäftsführer einer Berliner Lobbyfirma als Schleuser unter Verdacht – WELT

3 Ebd.

4 Ebd.

5 Vgl. https://republic-affairs.com/team/

6 Vgl. https://www.lobbyregister.bundestag.de/suche/R002773 und

https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/schleuser-netzwerk-bestechungsverdacht-politiker-100.html

7 Ebd.

8 Vgl. https://www.bild.de/politik/inland/mit-strohfrau-aus-china-schleuser-bande-kaufte-pascha-bordell-6630fa8f16081911efea637e

9 Ebd.

10 Ebd.

11 Ebd.

12 Ebd.


Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 3847 mit Schreiben vom 24. Juni 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern beantwortet.

  1. Welche Rolle spielte nach derzeitigem Ermittlungstand die Berliner Lobbyfirma „Republic Affairs“ im Schleuser- und ggf. Spionage-Skandal?
  2. Inwiefern steht das Partnernetzwerk von „Republic Affairs“ mit zahlreichen ehemaligen, teils hohen Parteifunktionären derzeit im Fokus der Ermittlungen?
  3. Welche Rolle im Schleuser-Netzwerk spielten nach derzeitigem Ermittlungsstand die oben erwähnten, vermuteten Kontakte von „Republic Affairs“ nach China bzw. zu chinesischen Geschäftspartnern?

Die Fragen 1 bis 3 werden wegen Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet:

Die Leitende Oberstaatsanwältin in Düsseldorf hat dem Ministerium der Justiz unter dem 29.05.2024 im Wesentlichen berichtet, dass die Firma „Republic Affairs“ nach derzeitigem Er­mittlungsstand keine Rolle bei den verfahrensgegenständlichen Taten spiele.

  1. Welche Rolle spielt der geschilderte Kauf des ‚Freudenhauses‘ in Köln, insbesondere in Verbindung mit der „diskrete[n] Beherbergung chinesischer Agenten“, beim aktuellen Schleuser-Skandal?
  2. Welche Verbindungen zur Politik sind der Landesregierung beim vermuteten zusätzlichen Spionage-Skandal derzeit bekannt?

Die Fragen 4 und 5 werden wegen Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet:

Dem genannten Bericht der Leitenden Oberstaatsanwältin in Düsseldorf zufolge ist der ange­sprochene Sachverhalt Gegenstand der laufenden Ermittlungen. Anhaltspunkte für eine Be­herbergung chinesischer Agenten liegen nach der Berichtslage bislang nicht vor.

 

MMD18-9706