Schlummernde Risiken in den Bilanzen der Sparkassen in Nordrhein-Westfalen – welche Auswirkungen ergeben sich für das Land und die Kommunen?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 175
der Abgeordneten Hartmut Beucker und Christian Loose vom 19.07.2022

 

Schlummernde Risiken in den Bilanzen der Sparkassen in Nordrhein-Westfalen welche Auswirkungen ergeben sich für das Land und die Kommunen?

Die Zeitschrift „Focus“ berichtet am 12. Juli 2022 auf ihrer Internetseite von möglichen Schieflagen bei den Sparkassen in Deutschland. Der Artikel trägt die alarmierende Überschrift „Schlimmer als Hedgefonds: Sparkassen nach Turbulenzen am Aktienmarkt in Not“.1

In diesem Artikel wird über eine Studie von einem Finanzwissenschaftler an der Frankfurter Universität für angewandte Wissenschaft – berichtet. Dieser untersucht die Bilanzen der deutschen Sparkassen und kommt zu dem Schluss, dass Marktturbulenzen an den Aktienmärkten einige Sparkassen in eine extreme Schieflage bringen könnten. Es wird sogar von möglichen „Insolvenzen“ gesprochen.

Das traditionelle Geschäft der Sparkassen – Einlagen- und Kreditgeschäft – wurde aufgrund der Negativzinspolitik durch die EU und der dadurch fehlenden sicheren Anlagemöglichkeiten fast vollständig zerstört. Manche Sparkasse hat deshalb wohl entgegen dem eigentlichen Auftrag – der Versorgung der Menschen und kleinen und mittelständischen Unternehmen mit geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen –2 angefangen, sich massiv im Wertpapierhandel zu engagieren. In dem Artikel wird zwar keine Sparkasse aus NRW genannt. Das heißt aber nicht, dass es in NRW nicht auch Schieflagen geben könnte.

Im Jahre 2020 waren zwei Sparkassen aus NRW unter den TOP 10 der Sparkassen gemessen an der Bilanzsumme.3

Verluste oder gar Insolvenzen würden die kommunalen Träger der Sparkassen hart treffen. Es käme zu Vermögensverlusten sowie steuerzahlerfinanzierten Rettungspaketen und das regionale Stiftungsengagement würde wahrscheinlich auch massiv zurückgefahren. Darüber hinaus würden Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen in Gewerbesteuererstattungen umgekehrt. Die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen würde massiv einschränkt werden. Des Weiteren wäre die Versorgung der lokalen Wirtschaft mit Krediten und Finanzdienstleistungen eingeschränkt. Das hätte desaströse Folgen für den Mittelstand. Gerade in Zeiten einer möglichen Wirtschaftskrise muss die Liquiditätsversorgung des Mittelstands sichergestellt sein.

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über mögliche Schieflagen bei den Sparkassen in NRW in Folge von Turbulenzen an den Wertpapiermärkten?
  2. Welche Stressszenarien-Berechnungen sind der Landesregierung für die NRW-Sparkassen mit Blick auf Turbulenzen an den Kapitalmärkten bekannt (Hier sei z.B. an mögliche Einschätzungen durch die BaFin, den Dachorganisationen der Sparkassen selbst, aber auch eigenen Bewertungen und Berechnungen aus dem Finanzministerium und von anderen erinnert)?
  3. Mit welchen Auswirkungen auf die Kommunen rechnet die Landesregierung, wenn einzelne Sparkassen in Schieflage geraten (Wir bitten bei dieser Frage reale Kenntnisse über Schieflagen und mögliche Szenario-Berechnungen zu berücksichtigen. Darüber hinaus bitten wir um eine Aufschlüsselung nach Kommune und Sparkasse.)?
  4. In welchem Umfang ist das Finanzministerium als Aufsichtsbehörde aufgrund von Verstößen z.B. bei der Erfüllung/Abweichung vom gesetzlichen Auftrag gegen einzelne Sparkassen in den letzten 5 Jahren vorgegangen (Wir bitten um eine Aufschlüsselung nach Jahr, Beschreibung des Sachverhalts und Nennung der Sparkasse)?
  5. In welchem Umfang plant die Landesregierung im anstehenden Nachtragshaushalt 2022 bzw. im Haushaltsentwurf für das Jahr 2023 Mittel für die Stabilisierung der Sparkassen einzustellen?

Hartmut Beucker
Christian Loose

 

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1 https://www.focus.de/finanzen/news/schlimmer-als-hedgefonds-sparkassen-nach-turbulenzen-am-aktienmarkt-in-not_id_114581604.html, abgerufen am 13.07.2022.

2 Vgl. § 2 Sparkassengesetz Nordrhein-Westfalen.

3 Vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/187716/umfrage/sparkassen-ranking-nach-bilanzsummen-in-deutschland/, abgerufen am 13.07.2022


Der Minister der Finanzen hat die Kleine Anfrage 175 mit Schreiben vom 22. August 2022 namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Sparkassen müssen nach den bankaufsichtsrechtlichen Vorgaben sicherstellen, dass ihre Liquidität jeweils für 30 Tage mit hochliquiden Aktiva gedeckt wird. Als hochliquide Aktiva halten Sparkassen vor allem Zentralbankguthaben, liquide Wertpapiere von Zentral- und Regionalregierungen, von öffentlichen Stellen und von Unternehmen sowie gedeckte Schuldverschreibungen. Diese machen den weit überwiegenden Teil der Eigenanlagen aus, auch wenn sie über Spezialfonds gehalten werden, die eine professionelle Verwaltung durch eigens dazu abgestellte Experten, vorwiegend von der Sparkassentochter DekaBank Deutsche Girozentrale, beinhalten.

  1. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über mögliche Schieflagen bei den Sparkassen in NRW in Folge von Turbulenzen an den Wertpapiermärkten?

Die Landesregierung hat darüber keine Kenntnis.

  1. Welche Stressszenarien-Berechnungen sind der Landesregierung für die NRW-Sparkassen mit Blick auf Turbulenzen an den Kapitalmärkten bekannt (Hier sei z.B. an mögliche Einschätzungen durch die BaFin, den Dachorganisationen der Sparkassen selbst, aber auch eigenen Bewertungen und Berechnungen aus dem Finanzministerium und von anderen erinnert)?

Der Landesregierung ist hierzu nichts bekannt.

  1. Mit welchen Auswirkungen auf die Kommunen rechnet die Landesregierung, wenn einzelne Sparkassen in Schieflage geraten (Wir bitten bei dieser Frage reale Kenntnisse über Schieflagen und mögliche Szenario-Berechnungen zu berücksichtigen. Darüber hinaus bitten wir um eine Aufschlüsselung nach Kommune und Sparkasse.)?

Etwaige Schieflagen nordrhein-westfälischer Sparkassen werden zu keinen Konsequenzen für die jeweiligen Kommunen führen.

Die Sparkassenverbände in Nordrhein-Westfalen Rheinische Sparkassen- und Giroverband und Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe haben für die in ihrem jeweiligen Verbandsgebiet befindlichen Sparkassen einen Sparkassenstützungsfonds errichtet. Ein Stützungsfall im Rahmen der Instituts- und Einlagesicherung, also einer drohenden oder bestehenden wirtschaftlichen Schwierigkeit, insbesondere wenn eine Sparkasse aus eigener Kraft nicht in der Lage ist, einen den eigenen Bestand gefährdenden Verlustausweis oder eine Zahlungseinstellung zu vermeiden, ist nicht abzusehen.

  1. In welchem Umfang ist das Finanzministerium als Aufsichtsbehörde aufgrund von Verstößen z.B. bei der Erfüllung/Abweichung vom gesetzlichen Auftrag gegen einzelne Sparkassen in den letzten 5 Jahren vorgegangen (Wir bitten um eine Aufschlüsselung nach Jahr, Beschreibung des Sachverhalts und Nennung der Sparkasse)?

Das Ministerium der Finanzen ist als Aufsichtsbehörde in den letzten fünf Jahren gegen keine Sparkasse aufgrund von Verstößen vorgegangen.

  1. In welchem Umfang plant die Landesregierung im anstehenden Nachtragshaushalt 2022 bzw. im Haushaltsentwurf für das Jahr 2023 Mittel für die Stabilisierung der Sparkassen einzustellen?

Die Landesregierung wird im anstehenden Nachtragshaushalt 2022 und im Haushaltsentwurf für das Jahr 2023 keine entsprechenden Mittel einstellen.

 

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