Antrag
der Fraktion der AfD
Schluss mit der gesetzeswidrigen Abzocke an Ladestationen! Die Landesregierung muss eine eichrechtskonforme Ladeinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen sicherstellen.
I. Ausgangslage
Die Grundlage für die Tätigkeiten der Eichbehörden in Deutschland wird durch bundeseinheitliche eichrechtliche Vorschriften geschaffen. Insbesondere das Mess- und Eichgesetz (Mes-sEG)1 legt spezifische Vorgaben fest, die bei Messgeräten eingehalten werden müssen, um aktuellen technologischen Standards zu entsprechen und damit korrekte Messergebnisse und -verfahren zu gewährleisten.
Zuständig für die Überprüfung dieser rechtlichen Anforderungen ist in Nordrhein-Westfalen der Landesbetrieb Mess- und Eichwesen NRW (LBME NRW), dem zugleich auch die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten, insbesondere nach dem MessEG, übertragen ist. Zu den Aufgabenfeldern des LBME NRW zählen damit auch die Kontrolle und Überwachung von Messgeräten im „geschäftlichen Handel“.2
Für Verbraucher ist diese Transparenz in Form von Eichungen von herausragender Bedeutung. Gerade durch den Einsatz geeichter Waagen im Einzelhandel kann der Verbraucher sicher sein, dass Gewichtsangaben der Realität entsprechen. Dadurch erhält er genau das, wofür er bezahlt.
Aber auch im Bereich der Elektromobilität hat das Mess- und Eichrecht für Verbraucher einen erheblichen Stellenwert. Mit der Umsetzung der EU-Richtlinie 2014/94/EU des Europäischen Parlaments und Rates über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (Alternative Fuels Infrastructure Directive, AFID)3 im Jahr 2019 in das deutsche Mess- und Eichrecht wurden gesetzliche Vorschriften zur eichrechtskonformen Abrechnung des elektrischen Stroms an öffentlichen Ladestationen in das MessG und die Mess- und Eichverordnung (MessEV)4 kodifiziert.
Dabei sollen die Vorschriften insbesondere gewährleisten, dass die Messung der gelieferten Strommenge fehlerfrei erfolgt. Besonders beim Schnellladen ist dies von großer Bedeutung, da bei dieser Ladetechnologie aufgrund der hohen Stromstärken die Energieverluste im Ladekabel erheblich sind. Der Kunde soll jedoch lediglich die tatsächlich in sein Fahrzeug übertragene Strommenge bezahlen, vergleichbar mit der Abrechnung der Flüssigkeitsmenge an einer Tankstellenzapfsäule. Weil der Kunde jedoch nicht in der Lage ist, physikalische Größen eigenständig zu überprüfen, ist es entscheidend, dass er sich auf die Zähler verlassen kann. Dies gewährleistet gleichzeitig den Schutz des Betreibers vor möglichen Reklamationen.5
Doch die Realität sieht anders aus: Viele öffentliche Ladestationen liefern oft weniger Strom, als an der Säule angezeigt wird und der Kunde hinterher bezahlt.6
Laut Untersuchung des Handelsblatts unter Berufung auf Hersteller- und Betreiberangaben sowie auf Erhebungen der Fachgruppe Recht des Förderprojekts „IKT für Elektromobilität“ für das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) verstoßen Tausende öffentliche Schnellladesäulen (Gleichstrom, DC) gegen das Eichrecht und werden so illegal betrieben. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um Betreiber von großen Ladestationen wie EnBW, Allego oder auch Tesla7 handelt oder um mittelständische Unternehmen mit nur wenigen Ladesäulen. Gesetzesverstöße sind weit verbreitet und erstrecken sich über alle Gemeinden und Bundesländer. Zudem entsprechen nicht alle Normalladesäulen (Wechselstrom, AC) und Wallboxen den vorgeschriebenen Normen.8
Überprüfungen des Allgemeinen Deutschen Automobil-Club e. V. (ADAC) ergaben eine Mehrabrechnung von bis zu 20 Prozent. Unter der Annahme einer ähnlichen Toleranz bei Treibstofftankstellen wäre der Unterschied in einem Beispielfall so, als würde man bei einem Tankvorgang 8,6 Liter Diesel mehr bezahlen müssen, als tatsächlich getankt worden wäre.9
Folgerichtig spricht sich daher der Verbraucherzentrale Bundesverband für einen Preisnachlass von 20 Prozent an den Ladestationen aus. Kunden sollen von diesem Rabatt so lange profitieren, bis sämtliche Ladestationen die festgelegten Standards erfüllen. Alternativ könnten Betreiber auch in Betracht ziehen, Strom zu verschenken.10
Jedoch im Gegenteil ist eine sorgfältige Überprüfung des Ladesäulenmarktes durch staatliche Eichbehörden, wie es ihre eigentliche Aufgabe wäre, gerade nicht erkennbar. Ebenso werden in diesem Zusammenhang keine Ordnungswidrigkeiten geahndet oder verfolgt, obwohl Bußgelder bei gesetzeswidrigen Ladesäulen bis zu 50.000 Euro betragen können.11
Der LBME NRW führt gegenüber dem TV-Magazin auto mobil dagegen an: Würden alle Schnellladesäulen abgeschaltet, die nicht dem Eichrecht entsprechen, hätte das für das deutsche Ladenetz „fatale“ Folgen. Diese Folgen würden laut der Eichbehörde insgesamt schwerer wiegen als Schnellladesäulen, die nicht ganz exakt abrechnen.12 Die Einschätzung der „fatalen“ Folgen bezieht die Behörde auf das rein politisch-ideologische Ziel des landesweiten Ausbaus der Ladeinfrastruktur. Aus der Eigenbeschreibung der Eichbehörde und ihrer Aufgaben ist eine solche Verpflichtung zur Unterstützung solcher politisch-ideologischer Ziele nicht zu entnehmen; die Aufgabenstellung des Amtes ist allein und eindeutig bestimmt durch die Sicherstellung der Messsicherheit und eines fairen Wettbewerbs.13 Eine mögliche Übervorteilung des Bürgers zu decken und zu tolerieren, gehört gerade nicht zu den Aufgaben der Eich-behörde.
Auch wenn dem Land NRW bezüglich des Vollzugs des Eichrechts pflichtgemäßes Ermessen eingeräumt ist, überzeugt die ideologisch motivierte Abwägungsentscheidung der Landesregierung zugunsten eines „möglichst breiten Angebot von Ladeinfrastruktur“ gegenüber der „Gefahr wirtschaftlicher Nachteile durch falsche Messwerte“ umso weniger.14
Denn nicht nur der Verbraucherschutz wurde zulasten der politisch-ideologischen Zielsetzung der Landesregierung außer Acht gelassen. Auch der Gesichtspunkt eines freien lauteren Wettbewerbs bleibt insoweit unberücksichtigt.
Denn „wenn ein Betreiber Ladesäulen kauft, die nicht dem Mess- und Eichrecht genügen und mehrere Tausend Euro billiger sind als diejenigen, die dem Eichrecht genügen, dann könnte das den fairen Wettbewerb beeinträchtigen“, so selbst die Eichbehörden in NRW.15
II. Der Landtag stellt daher fest:
- Das Mess- und Eichrecht schafft die Grundlage dafür, dass Messergebnisse korrekt angezeigt und abgerechnet werden.
- Die Einhaltung von eichrechtskonformen Ladevorgängen an öffentlichen Ladesäulen entspricht den Interessen der Verbraucher sowie dem freien lauteren Wettbewerb.
- Ideologische Motive genießen keinen Vorrang vor rechtswidrigen Verhältnissen.
- Die politisch veranlasste Duldung widerrechtlicher Zustände untergräbt die Akzeptanz sowie das Vertrauen der Bürger in den Staat.
III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
- umgehend den weiteren rechtswidrigen Betrieb von nicht eichrechtskonformen Ladesäulen zu untersagen, um so eine Ladeinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen herzustellen, die mit dem Mess- und Eichrecht im Einklang steht;
- sich auf allen Ebenen für eine Meldepflicht seitens der Betreiber von nicht eichrechts-konformen Ladesäulen gegenüber den Eichbehörden einzusetzen.
Christian Loose
Klaus Esser
Dr. Martin Vincentz
Andreas Keith
und Fraktion
1 Vgl. https://www.gesetze-im-internet.de/messeg/, zuletzt abgerufen am 30.11.2023 um 10:00 Uhr.
2 Vgl. https://www.lbme.nrw.de/ueber-uns, zuletzt abgerufen am 30.11.2023 um 10:10 Uhr.
3 Vgl. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014L0094, zuletzt abgerufen am 30.11.2023 um 13:15 Uhr.
4 Vgl. https://www.gesetze-im-internet.de/messev/, zuletzt abgerufen am 30.11.2023 um 13:30 Uhr.
5 Vgl. https://www.handelsblatt.com/mobilitaet/elektromobilitaet/elektromobilitaet-tausende-schnellla-desaeulen-in-deutschland-sind-noch-illegal-in-betrieb/27562014.html, zuletzt abgerufen am 30.11.2023 um 20:45 Uhr.
6 Vgl. https://www.merkur.de/wirtschaft/ladesauele-e-autos-deutschland-eichrecht-konform-verbrau-cher-zentrale-bundesverband-90952663.html, zuletzt abgerufen am 30.11.2023 um 16:45 Uhr.
7 Vgl. https://www.welt.de/wirtschaft/article240460783/Tesla-Motors-Ladestationen-verstossen-gegen-deutsches-Eichrecht.html, zuletzt abgerufen am 30.11.2023 um 15:20 Uhr.
8 Vgl. https://www.handelsblatt.com/mobilitaet/elektromobilitaet/elektromobilitaet-tausende-schnellla-desaeulen-in-deutschland-sind-noch-illegal-in-betrieb/27562014.html, zuletzt abgerufen am 30.11.2023 um 20:45 Uhr.
9 Vgl. https://www.focus.de/auto/news/viele-saeulen-nicht-geeicht-stecker-gate-wie-elektroauto-fahrer-an-der-ladesaeule-betrogen-werden_id_37003761.html, zuletzt abgerufen am 30.11.2023 um 23:00 Uhr.
10 Vgl. https://www.merkur.de/wirtschaft/ladesauele-e-autos-deutschland-eichrecht-konform-verbrau-cher-zentrale-bundesverband-90952663.html, zuletzt abgerufen am 30.11.2023 um 19:40 Uhr.
11 Vgl. https://www.handelsblatt.com/mobilitaet/elektromobilitaet/elektromobilitaet-tausende-schnellla-desaeulen-in-deutschland-sind-noch-illegal-in-betrieb/27562014.html, zuletzt abgerufen am 30.11.2023 um 20:45 Uhr.
12 Vgl. https://efahrer.chip.de/news/schlampige-abrechnung-an-ladesaeulen-wie-sie-damit-jetzt-schluss-machen_106599, zuletzt abgerufen am 30.11.2023 um 22:20 Uhr.
13 Vgl.https://www.lbme.nrw.de/ueber-uns, zuletzt abgerufen am 30.11.2023 um 23:30 Uhr.
14 Vgl. Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1028 vom 6. Januar 2023, Drucksache 18/3062, https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD18-3062.pdf.
15 https://www.handelsblatt.com/mobilitaet/elektromobilitaet/elektromobilitaet-tausende-schnelllade-saeulen-in-deutschland-sind-noch-illegal-in-betrieb/27562014.html, zuletzt abgerufen am 30.11.2023 um 20:45 Uhr.