Schutz gegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen – „Upskirting“ muss bestraft werden!

Antrag
vom 14.05.2019

Antragder AfD-Fraktion vom 14.05.2019

 

Schutz gegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen – „Upskirting“ muss bestraft werden!

I. Ausgangslage

Als „Upskirting“ (deutsch „unter den Rock fotografieren“) wird eine meist voyeuristische Praktik bezeichnet, bei der in der Regel männliche Täter einer Frau mit einer Kamera unter den Rock filmen. Häufig werden solche Fotos ohne das Wissen oder gar das Einverständnis der betroffenen Frau gemacht.

Das heimliche Fotografieren des Intimbereichs einer anderen Person scheint auf den ersten Blick problemlos als vom Strafrecht umfassend sanktioniert. Doch das ist keineswegs der Fall.

Der 2014 eingeführte Paragraf 201a des Strafgesetzbuches betrifft die „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“. Dieser vergleichsweise neue Straftatbestand zum Schutz des persönlichen Lebens- und Geheimnisbereichs vor unbefugten Bildaufnahmen und vor der Möglichkeit eines Bildtransfers sollte eine Gesetzeslücke schließen. Er erfasst jedoch ausschließlich Bildaufnahmen, welche vom Betroffenen in seinem persönlichen Rückzugsbereich und also insbesondere in seiner Wohnung oder einem sonst besonders geschützten Raum hergestellt werden1. Der Begriff des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ ist im Strafgesetzbuch neu und beschränkt nach dem Willen des Gesetzgebers den Straftatbestand auf den Bereich privater Lebensgestaltung, in dem eine Abwägung zwischen dem Interesse der Allgemeinheit und dem Schutzinteresse des Einzelnen, wie sie bei dem Eingriff in den sonstigen persönlichen Lebensbereich erforderlich ist, nicht stattfindet2. Allerdings sind demnach heimliche Aufnahmen nur dann strafbar, wenn sie in privaten oder geschlossenen Räumen aufgenommen werden, hierunter subsumiert werden beispielsweise Wohnungen, öffentlichen Toiletten oder Umkleidekabinen.

In § 201 a Absatz 1 Nummer 1-3 StGB sind das Herstellen und Übertragen von Bildaufnahmen (Absatz 1 Nr. 1), das Gebrauchmachen oder einem Dritten zugänglich machen (Absatz 1 Nr. 2) und das Zugänglichmachen an Dritte (Absatz 1 Nr. 3) verboten. Das zeigt, dass die bloße unbefugte Beobachtung ohne Herstellung von Abbildungen nicht unter Strafe gestellt ist.

Der höchstpersönliche Lebensbereich orientiert sich mangels Legaldefinition inhaltlich an dem durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verwendeten und näher ausgeformten Begriffs der Intimsphäre, die den letzten unantastbaren Bereich menschlicher Freiheit umfasst und diejenige Distanz zu Mitmenschen schafft, welche die Voraussetzung und Kennzeichnung jeder Kultur ist3. Zum Inhalt dieser Intimsphäre gehört unter anderem die Sexualität4. Der Begriff des „öffentlichen Raums“ umfasst aber auch danach keinesfalls den höchstpersönlichen Lebensbereich.

Wenn jemand demzufolge auf der Straße oder auf einem Konzert unter den Rock fotografiert und das Bild einfach behält, ist dieses Vorgehen nicht gesetzlich strafbewehrt. Ein solches Handeln verstößt damit zwar immer noch gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht, kann aber strafrechtlich nicht ohne weiteres geahndet werden. Zwar ist es strafbar, ein Foto, das geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, einer dritten Person zugänglich zu machen. Für das Veröffentlichen dieser „Upskirting“-Fotos im Internet bzw. für die Weitergabe des Fotos an Dritte könnte man also möglicherweise belangt werden – für die Speicherung auf dem eigenen Smartphone aber nicht.

Zwar hätte die Betroffene theoretisch verschiedene zivilrechtliche Ansprüche gegenüber dem Täter, es ist jedoch nicht hinzunehmen, dass der Staat ein solches Verhalten nicht umfassend sanktioniert und sich letztlich die betroffene Person (also meist eine Frau) vor Gericht eine Entschädigung als einzig mögliche Sanktion erstreiten muss. Vielmehr wäre es Aufgabe des Gesetzgebers, diese Lücke zu schließen und ein Gesetz zu schaffen, das auch „Upskirting“ und andere Formen des „Spannens“, der sexuellen Ausbeutung und Belästigung von Frauen unter Strafe stellt.

So hat auch die Landesregierung NRW am 09.05.2019 einen Bericht veröffentlicht, in welchem sie ihre Rechtsauffassung und Zahlen darlegt, nach denen im Jahre 2017 1620 Fälle und im Jahre 2018 bereits 2023 Fälle nach §201 a StGB erfasst wurden5.

Der Gesetzgeber hat zudem die Aufgabe, der sich aus den neuen technischen Möglichkeiten ergebenden erhöhten Verletzbarkeit der Persönlichkeit entgegenzutreten. So hat auch der EGMR aus aktuellen Anlass darauf hingewiesen, dass „protecting private life from the point of view of the developement of every human being´s personalityis of fundamental importance. Everyone, including people known to the public, have to have a legitimate expectation that his or her private life shall be protected6.“

Der Staat muss seinen Schutzpflichten den Bürgern gegenüber nachkommen, und das Recht darf sich in diesem Punkt der technischen Entwicklung nicht beugen7.

II. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

eine Bundesratsinitiative zu starten mit dem Ziel, einen Gesetzesentwurf anzustoßen, auf dessen Grundlage eine strafrechtliche Ahndung der sogenannten „Upskirting“-Fälle möglich wird. Hierzu ist vor allem eine abschließende Aufzählung und Definition, welche Lebensbereiche zu der absolut geschützten Intimsphäre gehören, gesetzlich zu manifestieren.

Dr. Martin Vincentz
Markus Wagner
Andreas Keith

und Fraktion

 

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1 Schutz gegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, Professor Dr. Norbert P. Flechsig (Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht 2004, 605)

2 BT-Dr. 15/2466

3 Burkhardt, in: Wenzel, Urheberrecht für die Praxis, 5. Auflage

4 BGHSt 11,67,71

5 LT NRW, Vorlage 17/2044

6 EGMR – v. Hannover vs. Deutschland, Urteil vom 24.06.2004, Application No. 59320/00, Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht 2004, 651

7 BGH NJW 1966,2353