Schwarzarbeit und illegale Beschäftigungen in Nordrhein-Westfalen seit 2017

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 120
der Abgeordneten Andreas Keith und Dr. Martin Vincentz vom 08.07.2022

 

Schwarzarbeit und illegale Beschäftigungen in Nordrhein-Westfalen seit 2017

Im Kampf gegen Schwarzarbeit haben im Oktober 2021 landesweite Aktionstage stattgefunden. Über 600 Einsatzkräfte waren an den Kontrollen beteiligt. Die gemischten Kontrollteams überprüften landesweit insgesamt 132 Baustellen mit 692 Arbeitgebern sowie rund 1.900 Beschäftigten. Insgesamt stellten die Baustellenkontrolleure der Arbeitsschutzverwaltung über 2.000 Verstöße fest. Für die Bediensteten der Zollverwaltung ergaben sich in 112 Fällen Hinweise darauf, dass die vorgeschriebenen Mindestlöhne nicht gezahlt werden. In 74 Fällen wird geprüft, ob Sozialversicherungsbeiträge nicht bzw. nicht in richtiger Höhe abgeführt wurden. Darüber hinaus wurden in 90 Fällen Anhaltspunkte für aufenthaltsrechtliche Verstöße, in 33 Fällen Anhaltspunkte für eine Scheinselbstständigkeit, in 34 Fällen Leistungsmissbrauch sowie in 3 Fällen Anhaltspunkte für eine illegale Arbeitnehmerüberlassung festgestellt.1

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Gegen wie viele Tatverdächtige wurde in Nordrhein-Westfalen seit dem Jahr 2017 ein Verfahren wegen Verdacht auf illegale Beschäftigung, Leistungsmissbrauch bzw. Mindestlohnverstöße eingeleitet? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren und Tatbestand)
  2. Wie viele Gewerbetreibende haben im Zuge von Corona-Maßnahmen seit 2020 gegen die verordneten Hygieneregeln verstoßen? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren)
  3. Wie viele Gewerbetreibende haben im Zuge der Corona-Lockdowns gegen die verordneten Geschäftsschließungen verstoßen? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren)
  4. Wie hoch war die festgestellte Schadenssumme durch Schwarzarbeit seit dem Jahr 2017? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren)
  5. Wie hoch war die Summe an Geldbußen, Verwarnungsgeldern und Verfallbeträgen seit dem Jahr 2017? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren)

Andreas Keith
Dr. Martin Vincentz

 

Anfrage als PDF

 

1 https://www.land.nrw/pressemitteilung/gemeinsam-gegen-schwarzarbeit-und-illegale-beschaeftigung-1


Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 120 mit Schreiben vom 9. August im Einvernehmen mit der Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie, dem Minister des Innern und dem Minister der Justiz namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Der Landesregierung ist die Bekämpfung der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung ein besonders wichtiges Anliegen. Die Zusammenarbeit der zuständigen Behörden des Landes und des Bundes wird in einer Interministeriellen Arbeitsgruppe koordiniert. Es finden regelmäßige gemeinsame Aktionstage in wechselnden Branchen statt.

1. Gegen wie viele Tatverdächtige wurde in Nordrhein-Westfalen seit dem Jahr 2017 ein Verfahren wegen Verdacht auf illegale Beschäftigung, Leistungsmissbrauch bzw. Mindestlohnverstöße eingeleitet? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren und Tatbestand)

4. Wie hoch war die festgestellte Schadenssumme durch Schwarzarbeit seit dem Jahr 2017? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren)

5. Wie hoch war die Summe an Geldbußen, Verwarnungsgeldern und Verfallbeträgen seit dem Jahr 2017? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren)

Die Fragen 1., 4. und 5. werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Soweit der Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz betroffen ist, haben die Generalstaatsanwältin in Hamm und die Generalstaatsanwälte in Düsseldorf und Köln übereinstimmend berichtet, eine Beantwortung sei ihnen in Ermangelung einer gesonderten statistischen Erfassung der einschlägigen Ermittlungsverfahren nicht möglich. Die dazu erforderliche manuelle Auswertung aller in Betracht kommenden Vorgänge sei in der Kürze der für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten.

Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) Nordrhein-Westfalen

Als Datenbasis für die Beantwortung der Fragen 1 und 4 dient daher insbesondere die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) Nordrhein-Westfalen. Die Erfassung von Fällen, Tatverdächtigen und Opfern in der PKS erfolgt nach bundeseinheitlichen, jährlich abgestimmten Richtlinien. Bei der PKS handelt es sich um eine Ausgangsstatistik. Die statistische Erfassung erfolgt erst bei Abgabe des Vorgangs an die Staatsanwaltschaft. Infolgedessen kann ein Fall in die Statistik eines Berichtsjahres eingehen, obwohl der Tatzeitraum ein oder mehrere Jahre zurückliegt.

Ordnungswidrigkeiten, beispielsweise Verstöße nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG), werden in der PKS nicht erfasst.

Zur Beantwortung der Fragen 1 und 4 werden die nachfolgend genannten PKS-Erfassungsschlüssel herangezogen:

  • 522000: Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt; § 266a StGB
  • 713010: Verleihen nichtdeutscher Arbeitnehmer ohne Arbeitserlaubnis; § 15 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
  • 713030: Beschäftigung von Ausländern ohne Genehmigung oder ohne Aufenthaltstitel und zu ungünstigen Arbeitsbedingungen; § 10 SchwarzArbG

Die Anzahl der Tatverdächtigen für den Zeitraum von 2017 bis 2021 beträgt 6.994. In diesem Zusammenhang wird auf die sogenannte Echttatverdächtigenzählung hingewiesen. Danach ist jeder Tatverdächtige für jedes Berichtsjahr, unabhängig von der Anzahl der ihm zugeordneten Fälle, nur einmal zu zählen.

Die Schadenssumme derjenigen Straftaten, die gemäß den genannten Erfassungsschlüsseln summiert für den Zeitraum von 2017 bis 2021 vorliegen, beträgt 93.628.959,- EUR.

Zuständigkeitsbereich der Zollbehörden

Zu Frage 1 wurde ergänzend die zuständige Generalzolldirektion des Bundes – Direktion VII (Finanzkontrolle Schwarzarbeit) befragt. Die aufgeschlüsselte Statistik zu den Bußgeld- und Strafverfahren, die von den Zollbehörden eingeleitet wurden, findet sich in der Tabelle in Anlage 1.

Zuständigkeitsbereich der kommunalen Ordnungsbehörden

Dem Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie obliegt die Aufsicht über die kommunalen Schwarzarbeitsbekämpfungsbehörden. Diese wurden angehalten, ab dem Jahr 2018 die wirtschaftlichen Schadenssummen zu ermitteln und statistisch festzuhalten. Hierbei handelt es sich um die Summen, die der Berechnung für die Bußgeldhöhe zu Grunde gelegt werden.

Für die handwerks- und gewerberechtlichen Verstöße wurde in den Jahren 2018 bis 2021 eine wirtschaftliche Schadenssumme in Höhe von insgesamt 35.729.237,14 Euro ermittelt:

Jahre Höhe der wirtschaftlichen Schadenssumme in Euro
2018 5.685.797,92
2019 11.830.575,30
2020 8.172.630,67
2021 10.040.233,25

 

Bußgelder und Verfallbeträge

Im Folgenden ist die Höhe der rechtskräftig gewordenen Bußgelder sowie der angeordneten Verfall- bzw. Einziehungsbeträge nach § 29a OWiG aufgeführt. Statistische Daten über Verwarnungsgelder liegen dem Wirtschaftsministerium nicht vor.

Bußgelder:

Jahre Höhe der rechtskräftig ge-wordenen Bußgelder in Euro
2017 2.960.632,00
2018 1.388.852,50
2019 1.499.936,98
2020 1.859.682,19
2021 2.642.569,47
Insgesamt 10.351.673,14

 

Verfall- bzw. Einziehungsbeträge:

Jahre Höhe der rechtskräftig gewordenen Verfall- bzw.
Einziehungsbeträge in Euro
2017 301.123,00
2018 362.086,00
2019 386.994,00
2020 157.510,16
2021 1.245.556,42
Insgesamt 2.453.269,58

 

  1. Wie viele Gewerbetreibende haben im Zuge von Corona-Maßnahmen seit 2020 gegen die verordneten Hygieneregeln verstoßen? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren)
  2. Wie viele Gewerbetreibende haben im Zuge der Corona-Lockdowns gegen die verordneten Geschäftsschließungen verstoßen? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren)

Die Fragen 2. und 3. werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Zuständigkeitsbereich der Arbeitsschutzverwaltung

Während der Corona-Pandemie wurden durch die Arbeitsschützer des Landes Nordrhein-Westfalen gezielt Betriebe auf die Einhaltung der zum jeweiligen Zeitpunkt geltenden Corona-Arbeitsschutzmaßnahmen kontrolliert. Die Arbeitsschutzverwaltung (ASV) hat sich bei den Besichtigungen auf die Kontrolle der Arbeitsschutzmaßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie konzentriert. Eine differenzierte Aussage zu Gewerbebetrieben ist auf der vorhandenen Datenbasis nicht möglich.

In der nachfolgenden Tabelle ist die Anzahl der hinsichtlich der Corona-Arbeitsschutzmaßnahmen kontrollierten Betriebe sowie die Anzahl der Betriebe, bei denen Mängel festgestellt wurden, nach Jahren aufgeschlüsselt dargestellt:

Jahre Anzahl kontrollierter Betriebe durch ASV Anzahl der Betriebe mit Mängeln in Corona-Arbeitsschutzmaßnahmen
2020 14.879 7.678
2021 21.027 10.491

 

Zuständigkeitsbereich der kommunalen Ordnungsbehörden

Von Seiten der ebenfalls für die Überprüfung von Corona-Maßnahmen sowie von Corona-Lockdowns zuständigen kommunalen Ordnungsbehörden war innerhalb der Kürze der Zeit keine vollständige Rückmeldung möglich. Es wurden jedoch von ca. 70% der zuständigen Behörden Daten übermittelt.

 

Jahre Anzahl der Gewerbetreibenden, die im Zuge von Corona-Maßnahmen seit 2020 gegen die verordneten Hygieneregeln verstoßen haben Anzahl der Gewerbetreibenden, die im Zuge der Corona-Lockdowns gegen die verordneten Geschäftsschließungen verstoßen haben
2020

1.666

368
2021

1.822

145

 

Von vielen Behörden kam die Rückmeldung, dass aufgrund der in den letzten zwei Jahren oft an die sehr dynamische Infektionslage anzupassenden Regelungen in der Corona-Schutz-Verordnung zunächst bei den im Rahmen der Kontrollen festgestellten Verstößen mündliche Verwarnungen ausgesprochen wurden und bei Verstößen gegen Regelungen, die schon länger bekannt waren, eine Anzeige aufgenommen wurde. Viele Verstöße wurden zunächst seitens des Außendienstes vor Ort geregelt und nicht im Rahmen eines Ordnungswidrigkeiten-Verfahrens und finden deshalb in den dargestellten Zahlen keine Berücksichtigung.

In verschiedenen Kommunen gibt es noch laufende Bußgeldverfahren, die bisher noch nicht abgeschlossen sind.

In einer größeren Stadt gab es keine Aufschlüsselung hinsichtlich der Bußgeldtatbestände und somit wurden die Gesamtzahlen der festgestellten Verstöße von Gewerbetreibenden im Zuge der Corona-Maßnahmen nach Jahren aufgeschlüsselt mitgeteilt.

Diese waren in 2020: 212 Bußgeldverfahren und in 2021: 286 Bußgeldverfahren.

Aus drei größeren Städten liegen keine statistischen Auswertungen unterschieden nach Privatpersonen und Gewerbetreibenden vor, weshalb diese Daten in der Darstellung nicht berücksichtigt wurden.

 

Antwort samt Anlage als PDF