Selbsttötung unter Polizisten – Wie hilft die Landesregierung den Beamten und deren Familien?

Kleine Anfrage
vom 02.08.2018

Kleine Anfrage 1349des Abgeordneten Thomas Röckemann vom 31.07.2018

 

Selbsttötung unter Polizisten – Wie hilft die Landesregierung den Beamten und deren Familien?

Der Beruf des Polizisten ist einer der stressigsten überhaupt und geht mit hoher psychischer und physischer Belastung einher. Allerdings steigt diese ohnehin schon hohe Belastung durch herrschende Personalnot, Überstunden und zunehmende Gewalt gegen Einsatzkräfte massiv an.

In den vergangenen Jahren hatte sich die CDU durch mehrere Kleine Anfragen dieses Themas angenommen. In der Regierungsverantwortung muss die CDU-geführte Landesregierung auf die Worte Taten folgen lassen.

Ich frage daher die Landesregierung:

1. Wie viele Polizisten haben in den letzten 5 Jahren Suizid begangen? (Bitte aufschlüsseln nach Kreispolizeibehörde, Datum, Todesart und Ort)

2. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Motive der Polizisten?

3. Gibt es statistische Korrelationen zwischen Kreispolizeibehörden mit starkem Personalmangel, erhöhten Überstunden oder besonders vielen Übergriffen auf Polizisten und Suiziden durch Beamte dieser Kreispolizeibehörden?

4. Welche psychologischen Betreuungsmöglichkeiten gibt es in Nordrhein-Westfalen für Polizeibeamte und deren Familien?

5. Wie hat sich die Zahl der Polizisten in den letzten 5 Jahren entwickelt, die eines der internen Angebote der Polizei NRW zur psychologischen Betreuung wahrgenommen haben?

Thomas Röckemann

 

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Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 07.09.2018

 

Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 1349 mit Schreiben vom 7. September 2018 namens der Landesregierung beantwortet.

1. Wie viele Polizisten haben in den letzten 5 Jahren Suizid begangen? (Bitte aufschlüsseln nach Kreispolizeibehörde, Datum, Todesart und Ort)

In den Jahren 2013 bis 2018 sind in Nordrhein-Westfalen 33 Polizeivollzugsbeamtinnen und – beamte (PVB) durch Suizid aus dem Leben geschieden. Im Einzelnen stellt sich das wie folgt dar:

Datum Behörde Örtlichkeit Motiv
2013
02.01. LKA NRW Dienstgebäude nicht bekannt
04.02. KPB Märkischer Kreis Wohnumfeld nicht bekannt
27.02. PP Bonn Öffentlicher Raum nicht bekannt
17.05. PP Essen Wohnumfeld privat
25.05. PP Bochum Dienstgebäude nicht bekannt
27.05. PP Bonn Öffentlicher Raum privat
04.09. PP Wuppertal Wohnumfeld privat
03.10. KPB Bergisch-
Gladbach
Öffentlicher Raum privat
08.10. KPB Rhein-Kreis
Neuss
Öffentlicher Raum nicht bekannt
27.11. PP Köln Öffentlicher Raum nicht bekannt
28.11. PP Köln Öffentlicher Raum nicht bekannt
2014
17.02. PP Düsseldorf Öffentlicher Raum privat
01.03. PP Köln Wohnumfeld privat
27.07. KPB Rhein-Erft-Kreis Wohnumfeld privat
13.11. PP Köln Öffentlicher Raum privat
2015
09.06. KPB Steinfurt Wohnumfeld nicht bekannt
13.10. PP Aachen Wohnumfeld nicht bekannt
14.10. KPB Märkischer Kreis Öffentlicher Raum privat
2016
14.02. PP Münster Öffentlicher Raum nicht bekannt
29.02. KPB Siegen- Wittgenstein Wohnumfeld nicht bekannt
11.04. PP Wuppertal Wohnumfeld nicht bekannt
27.04. KPB Warendorf Öffentlicher Raum privat
03.06. KPB Düren Öffentlicher Raum nicht bekannt
21.07. PP Bochum Wohnumfeld privat
13.09. LKA NRW Wohnumfeld nicht bekannt
2017
17.03. KPB Soest Wohnumfeld nicht bekannt
17.07. PP Recklinghausen Öffentlicher Raum nicht bekannt
02.11. PP Münster Öffentlicher Raum privat
2018
16.01. PP Wuppertal Wohnumfeld nicht bekannt
26.01. PP Recklinghausen Öffentlicher Raum privat
01.02. KPB Rhein-Erft-Kreis Öffentlicher Raum nicht bekannt
27.02. PP Aachen Wohnumfeld privat
03.06. KPB Heinsberg Dienstgebäude privat

 

2. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Motive der Polizisten?

Zu den Suiziden bei der Polizei Nordrhein-Westfalen liegen für den erfragten Zeitraum die in der Tabelle zu Frage 1 dargestellten Daten vor. Die Motive liegen entweder im privaten Bereich oder sind nicht näher bekannt.

3. Gibt es statistische Korrelationen zwischen Kreispolizeibehörden mit starkem Personalmangel, erhöhten Überstunden oder besonders vielen Übergriffen auf Polizisten und Suiziden durch Beamte dieser Kreispolizeibehörden?

Keine Aussage möglich, weil die genannten Kategorien „starker Personalmangel“, „erhöhte Überstunden“ und „besonders viele Übergriffe“ nicht eindeutig sind und daher keine Daten vorliegen.

4. Welche psychologischen Betreuungsmöglichkeiten gibt es in Nordrhein-Westfalen für Polizeibeamte und deren Familien?

5. Wie hat sich die Zahl der Polizisten in den letzten 5 Jahren entwickelt, die eines der internen Angebote der Polizei NRW zur psychologischen Betreuung wahrgenommen haben?

Die Fragen 4 und 5 werden im Sachzusammenhang beantwortet.

PVB erleben häufig besondere Belastungssituationen. Neben dem Umgang mit Gewalt, Verletzung und Tod gehört auch der physisch und psychisch fordernde Dienst mit Schichtdienst, Wochenenddiensten und Überstunden zum polizeilichen Alltag. Das Land Nordrhein-Westfalen ist sich seiner Verantwortung bewusst und stellt für PVB eine Vielzahl an Hilfsangeboten zur Verfügung.

Schon in der Ausbildung werden Bildungsinhalte in Nordrhein-Westfalen auch darauf ausgerichtet, Werteorientierung und Ethik stabilisierend zu vermitteln. Dieser primärpräventive Ansatz ist etwa im Zentrum für ethische Bildung und Seelsorge der Polizei Nordrhein-Westfalen (ZeBuS), das im November 2011 in Selm vom damaligen Innenminister und den Kirchen gegründet wurde, zentrales Anliegen. Mit acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kümmert man sich hier um entsprechende Ansätze für Ausbildung und Weiterbildung.

Benötigen PVB bei konkreten Anlässen Unterstützung, gibt es verschiedene Möglichkeiten, die sich je nach Problematik und Anlass anbieten. Diese Angebote werden geschätzt und wahrgenommen, es wird aber weitestgehend darauf verzichtet, die Nachfrage nach solchen Angeboten landesweit zentral zu erfassen und zu dokumentieren, auch um einen niederschwelligen Zugang zu ermöglichen. Insbesondere innerhalb des Kollegenkreises soll eine schnelle und unbürokratische Hilfestellung möglich sein.

Innerhalb der Polizeibehörden werden dazu Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sogenannten Sozialen Ansprechpartnerinnen und -partner (SAP) fortgebildet. Für ca. 200 Beschäftigte ist landesweit je ein SAP vorgesehen. Ihre Aufgabe ist, Kolleginnen und Kollegen als Ansprechpartnerinnen oder -partner zu dienen, mit denen Probleme besprochen werden können und die Hilfe zur Selbsthilfe geben können. Sie können als Beraterinnen oder Berater in Suchtfragen fungieren oder vermitteln bei Bedarf an weitergehende Einrichtungen oder Ärztinnen bzw. Ärzte. Sie stehen auch bei persönlichen Krisensituationen an der Seite der Kolleginnen und Kollegen und fungieren als Ansprechpartnerinnen bzw. -partner gegenüber Behördenleitungen. Darüber hinaus sensibilisieren sie für die Thematik, indem sie Präventionsarbeit anregen und Informationsveranstaltungen durchführen.

Daneben stehen in Nordrhein-Westfalen den PVB insgesamt 24 Polizeiseelsorgerinnen oder -seelsorger zur Seite, die in der Regel über eine Ausbildung im psychosozialen Bereich und in der Krisenintervention verfügen. Sie betreuen Polizeiangehörige insbesondere nach belastenden Einsätzen und in anderen außergewöhnlichen Stresssituationen. Ein wichtiger Aufgabenbereich ist auch die seelsorgerische Begleitung bei schwierigen Einsätzen, wie zum Beispiel das Überbringen von Todesnachrichten. Rund um die Uhr verfügbar ist die Telefonseelsorge der katholischen Polizeiseelsorge. Das Land Nordrhein-Westfalen bezuschusst die Polizeiseelsorge insgesamt mit jährlich 112.000,- €.

Seit über 20 Jahren bietet die Polizei Nordrhein-Westfalen zudem mit dem PSU-Team (psychosoziale Unterstützung) fachkundige Hilfe bei der Problemverarbeitung insbesondere nach besonders belastenden Ereignissen an. Dem Team gehören insgesamt 13 psychologisch ausgebildete PVB des höheren Dienstes sowie Polizeiärztinnen und -ärzte an. Das PSU-Team wurde in 2017 bei 112 Einsätzen tätig und betreute dabei 365 PVB.

Beim Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen (LAFP NRW) ist weiterhin der Sozialwissenschaftliche Dienst (SwD) angesiedelt. Ihm gehören vier wissenschaftliche Mitarbeiterinnen an, deren Aufgabe darin liegt, insbesondere mit Coaching und Supervision Führungskräfte und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darin zu unterstützen, besser mit belastenden und extrem stressverursachenden (Entscheidungs-) Situationen im polizeilichen Arbeitsleben umzugehen.

 

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