Antragder AfD-Fraktion vom 02.10.2018
Sexuell übertragbare Infektionen in Nordrhein-Westfalen bekämpfen – Meldepflichten einführen!
I. Ausgangslage
Seit Einführung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) im Jahr 2001 sind von sexuell übertragbaren Erkrankungen (STD, „sexual transmitted diseases“) nur noch Syphilis, Aids und Hepatits B meldepflichtig. Es löste das im Jahr 1953 erlassene „Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten“ (GeschlKrG) ab, nach dem auch Krankheiten wie Syphilis, Gonorrhoe, weicher Schanker und Lymphogranuloma venerum bis Ende des Jahres 2000 meldepflichtig waren. Das IfSG sieht nunmehr seit 2001 lediglich eine anonyme Labormeldepflicht für HIV und Syphilis vor, alle anderen STDs werden nicht mehr meldepflichtig erfasst. Als Ausnahme gilt Sachsen, das 2001 eine Meldepflicht für Gonorrhoe und Chlamydien-Infektionen einführte.
Aufgrund ihrer Gefährlichkeit und Risiken sind aktuell Syphilis, Aids und Hepatitis B meldepflichtige Geschlechtskrankheiten. Nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) muss bei diesen Krankheiten eine Meldung erfolgen, um eine Weiterverbreitung einzugrenzen. Dabei meldet der feststellende Arzt eine anonymisierte Infektion dem Robert-Koch-Institut in Berlin1.
Mediziner und Infektionsexperten in Deutschland fordern eine Ausweitung der Meldepflicht für sexuell übertragbare Infektionen. „Wir brauchen bundesweite Daten zur Infektion sowie zu den Resistenzen. Wir müssen einen Überblick über die Situation in Deutschland bekommen.“, so Viviane Bremer von der Abteilung für Infektionsepidemiologie des Berliner Robert-Koch-Instituts berichtet das Deutsche Ärzteblatt bereits am 30. Juli 2012. Infektionen mit Gonokokken, den Erregern der Gonorrhö nehmen in Europa und in den Vereinigten Staaten zu. Weil vermehrt multiresistente Keime auftauchen und Antibiotika selbst hoch dosiert an Wirkung verlieren, schlägt die Weltgesundheitsorganisation Alarm.
Um trotzdem einen Überblick über die epidemiologische Situation der STDs in Deutschland zu behalten, wurde ein Sentinel-Surveillance-Systems zur Ermittlung der Häufigkeit weiterer STDs eingerichtet. Bei Erstdiagnose von Infektionen wie Chlamydien, Syphilis, Gonorrhoe und HIV wurden Daten von Gesundheitsämtern, Fachambulanzen und niedergelassenen Ärzte dokumentiert. Diese Meldungen erfolgen freiwillig und in der Regel unentgeltlich. In allen Regionen Deutschlands wurden Gesundheitseinrichtungen ausgewählt, die seither kontinuierlich Daten zu STDs berichten2. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 2012 geschätzt, dass weltweit jährlich etwa 357 Mio. neue Infektionen von vier behandelbaren STDs bei 15- bis 49-jährigen Personen auftreten. Davon entfallen 131 Mio. Infektionen auf Chlamydien, 78 Mio. auf Gonokokken, 6 Mio. auf Syphilis und 142 Mio. auf Trichomonaden. Die Prävalenz anderer STDs ist gleichfalls hoch mit geschätzten 417 Mio. Menschen, die mit Herpes simplex Typ 2, und 291 Mio. Frauen, die mit HPV infiziert sind3.
Die Resultate der Sentinel-Erhebung weisen darauf hin, dass STDs in Deutschland häufig vorkommen, daher muss der Diagnostik und Prävention von STDs mehr Aufmerksamkeit zukommen.
Das STD-Sentinel erfasste zwischen 2003 und 2009 deutschlandweit Daten zu STI von ca. 250 Gesundheitseinrichtungen. Während dieser Zeit konnten keine eindeutigen Trends festgestellt werden. Neben genitalen Warzen waren jedoch Chlamydien die am häufigsten festgestellten STD.
Mit Ausnahme von HIV und Syphilis erlaubt die derzeitige Datenlage zu STD keine validen Rückschlüsse auf das tatsächliche Infektionsgeschehen in Deutschland. Auch die Ergebnisse des EMIS-Projekt zeigen in der Auswertung, dass Deutschland beim „STI-Check“ im internationalen Vergleich sehr schlecht abschneidet: Nur 28% der befragten Männer gaben an, in den letzten 12 Monaten auf STI untersucht worden zu sein. Ein Vergleich der vorliegenden Inzidenzen mit anderen Ländern ist daher nicht möglich4.
Nordrhein-Westfalen hat als bevölkerungsreichstes Bundesland eine besondere Verantwortung. Die vorhandenen Daten zu STDs in Deutschland zeigen, dass STDs hier zu einer hohen Krankheitslast führen, dabei haben verschiedene Gruppen für den Erwerb unterschiedlicher STDs besondere Risiken5. Daher ist es von Großer Bedeutung, dass das Wissen zu STDs in der Allgemeinbevölkerung durch gezielte Aufklärung gestärkt wird, hierzu sind valide Daten zur Epidemiologischen Lage unerlässlich.
II. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
1. eine Verordnung über die Erweiterung der Meldepflicht für sexuell übertragbare Krankheiten zu prüfen und auszuarbeiten.
2. dafür Sorge zu tragen, dass zusätzlich zu der nach § 6 des Infektionsschutzgesetzes bestehenden Meldepflicht für meldepflichtige Krankheiten dem für den Ort der ärztlichen Tätigkeit zuständigen Gesundheitsamt nichtnamentlich und in anonymisierter Form die Erkrankungen zu nennen sind, um die allgemeine medizinische Versorgungslage im Bereich der STDs zu verbessern.
3. Eine Evaluierung sexuell übertragbarer Infektionen in Nordrhein-Westfalen anhand der vorhandenen Daten durchzuführen.
Dr. Martin Vincentz
Helmut Seifen
Andreas Keith
und Fraktion
1 Robert Koch Institut (2016) HIV-Jahresbericht 2015. Epidemiol Bull 38:407-428
2 Bremer V, et al.: Building a sentinel surveillance system for sexually transmitted infections in Germany, 2003. Sex Transm Infect 2005;82(2): 73-179
3 World Health Organisation (2016) Global Health Sector Strategy on Sexually Transmitted Infections 2016–2021.Toward sending STIs. http://apps.who.int/iris/bitstream/10665/246296/1/WHO-RHR-16.09-eng.pdf?ua=1 (Zugegriffen:28.September 2018)
4 Dtsch Arztebl 2005; 102(36): A-2400 / B-2020 / C-1913
5 Bundesgesundheitsbl 2017;60:948-957