„Siedler beklagen unerträgliche Situation in der Nachbarschaft.“ Gibt es auch in Bochum Probleme in Zusammenhang mit der Zuwanderung aus Südosteuropa?

Kleine Anfrage
vom 05.08.2021

Kleine Anfrage 5894der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky und Christian Loose vom 05.08.2021

 

„Siedler beklagen unerträgliche Situation in der Nachbarschaft.“ Gibt es auch in Bochum Probleme in Zusammenhang mit der Zuwanderung aus Südosteuropa?

Wie einem Bericht der Tageszeitung „WAZ“ zu entnehmen ist, scheint es im Bochumer Stadtteil Günnigfeld, ähnlich wie in der Nachbarstadt Gelsenkirchen1, Probleme mit einzelnen Bewohnern aus Südosteuropa2 zu geben.3

So wird von einer „unerträglichen Situation“, verbunden mit Ruhestörungen, Müllbergen an der Straße, ausrangierten Möbeln vor den Häusern, Rattenbefall oder auch unbewachten Feuern bei Grillfesten berichtet.

Die Polizei Bochum habe laut WAZ ein hohes Einsatzaufkommen zu den betroffenen Häusern bestätigt.

„Es handele sich vorrangig um Ruhestörungen, teilweise auch körperliche Auseinandersetzungen. Oft reiche beim Eintreffen der Einsatzkräfte eine Ansprache zur Aufhebung der Situation, berichtet Polizeisprecher […]. Die Situation sei aktenkundig, entsprechende Einsätze würden der Staatsanwaltschaft gemeldet.“4

Nicht nur die Polizei sondern auch das kommunale Ordnungsamt seien schon häufiger vor Ort gewesen. Zur genauen Identität der Bewohner wollte sich die Stadt gegenüber der WAZ nicht äußern.

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Einsätze der Polizei hat es in den Jahren 2020 und 2021 im Zusammenhang mit den Bewohnern der im Artikel der WAZ aufgeführten Lokalität gegeben?
  2. Um welche Delikte bzw. Ordnungswidrigkeiten ging es dabei im Detail? (Bitte einzeln aufführen)
  3. Im Artikel der WAZ wird von Südosteuropäern aber auch von Asylbewerbern gesprochen. Welche Informationen zur Herkunft der Bewohner liegen der Landesregierung auf Basis der polizeilichen Einsatzberichte vor?
  4. Wie gedenkt die Landesregierung, in Zusammenarbeit mit der Kreispolizeibehörde Bochum und dem kommunalen Ordnungsamt, die von der Problematik betroffenen Bewohner zukünftig zu unterstützen?
  5. Im Rahmen der „Förderung der Integration Zugewanderter und des Zusammenlebens in Vielfalt“ gibt es im laufenden Haushaltsjahr Zuweisungen in Höhe von 5 Mio. Euro für Kreise und Kommunen, die überdurchschnittlich viel Zuwanderung aus Südosteuropa erfahren haben.5 Die Stadt Bochum ist hierbei nicht vertreten. Wie begegnet die Landesregierung der geschilderten Problematik in Städten und Gemeinden, die nicht von der speziellen Landesförderung profitieren?

Gabriele Walger-Demolsky
Christian Loose

 

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1 Vgl. https://www.waz.de/staedte/gelsenkirchen/zuwanderung-aus-suedosteuropa-bemuehungen-sind-gescheitert-id231404961.html

2 WAZ: „vorwiegend sind es Südosteuropäer“

3 Vgl. https://www.waz.de/staedte/bochum/siedler-beklagen-unertraegliche-situation-in-nachbarschaft-id232888009.html

4 Ebenda

5 Vgl. Haushalt 2021, Einzelplan 7, Kapitel 07 080, Titelgruppe 68


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 5894 mit Schreiben vom 1. September 2021 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration sowie der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstel­lung beantwortet.

  1. Wie viele Einsätze der Polizei hat es in den Jahren 2020 und 2021 im Zusammen­hang mit den Bewohnern der im Artikel der WAZ aufgeführten Lokalität gegeben?

An den im Artikel der WAZ aufgeführten Örtlichkeiten in der Ostpreußenstraße in Bochum wurden zwischen dem 01.01.2020 und dem 30.06.2021 insgesamt 48 polizeiliche Einsätze wahrgenommen. Welche Einsätze hiervon tatsächlich mit den Bewohnerinnen und Bewohnern im Zusammenhang stehen, lässt sich retrograd nicht mehr ermitteln.

  1. Um welche Delikte bzw. Ordnungswidrigkeiten ging es dabei im Detail? (Bitte ein­zeln aufführen)

Im Rahmen der polizeilichen Einsätze wurden Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenanzeigen auf Grund folgender Delikte gefertigt:

  • Körperverletzung
  • Unterschlagung
  • Wohnungseinbruchdiebstahl
  • Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz
  • Verstoß gegen das Waffengesetz
  • Verstoß gegen das Landesimmissionsschutzgesetz NRW
  1. Im Artikel der WAZ wird von Südosteuropäern aber auch von Asylbewerbern gesprochen. Welche Informationen zur Herkunft der Bewohner liegen der Landesre­gierung auf Basis der polizeilichen Einsatzberichte vor?

Im Rahmen der Aufnahme der unter Frage 2 genannten Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenan-zeigen wurden Personalien von Personen mit folgender Staatsangehörigkeit festgestellt:

  • deutsch
  • türkisch
  • rumänisch
  • mazedonisch
  1. Wie gedenkt die Landesregierung, in Zusammenarbeit mit der Kreispolizeibehörde Bochum und dem kommunalen Ordnungsamt, die von der Problematik betroffe­nen Bewohner zukünftig zu unterstützen?

Die in dem Artikel der WAZ beschriebene Problematik ist der Kreispolizeibehörde (KPB) Bo­chum aufgrund eines Beschwerdevorgangs grundsätzlich bekannt. In diesem Bereich werden Aufklärungseinsätze durchgeführt. Darüber hinaus versieht der Bezirksdienst regelmäßig Prä­senzstreifen in diesem Bereich. Der zuständige Wachleiter steht mit der Ordnungsbehörde in regelmäßigem Kontakt. Gemeinsame Streifen der KPB Bochum und dem Ordnungsamt wer­den zu den beschwerderelevanten Zeiten an den in Rede stehenden Örtlichkeiten durchge­führt.

Die Landesregierung hat im Umgang mit den im WAZ-Artikel beschriebenen Problemstellun­gen unterschiedliche Maßnahmen ergriffen, die unter anderem Ergebnis der Beratungen mit Vertreterinnen und Vertretern der kommunalen Ebene darstellen. Zu unterscheiden sind dabei ordnungspolitische bzw. intervenierende Ansätze, Maßnahmen sowie integrative Programme und Projekte. Im Rahmen der Verzahnung beider Ansätze unterstützt die Projektgruppe „Stra­tegieaustausch zur Zuwanderung aus Südosteuropa“, die seit 2018 im Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung (MHKBG) angesiedelt ist, die Kommunen im Land Nord­rhein-Westfalen bei den Herausforderungen, die durch die verstärkte Zuwanderung von Men­schen aus Südosteuropa entstehen können.

Seit dem Jahr 2017 unterstützt das „Modellvorhaben Problemimmobilien“ des MHKBG die Städte Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Hagen, Hamm, Herne und Wuppertal, die besonders von der Existenz und Bewohnung von Problemimmobilien betroffen sind. Im Jahr 2018 sind drei weitere Kommunen aufgenommen worden: Ahlen, Düren und Krefeld.

Ziele des Modellvorhabens sind insbesondere die Beseitigung von städtebaulichen Missstän­den (gem. § 136 BauGB auch „ungesunde Wohnverhältnisse“), Multiproblemlagen mit negati­ver Ausstrahlung entgegenzuwirken und brach gefallene Flächen für neue Nutzungen herzu­richten.

Die Stadt Bochum hat gegenüber dem MHKBG keine Probleme im Hinblick auf sogenannte „Schrottimmobilien“ angeführt und nimmt auch nicht am Modellvorhaben Problemimmobilien teil.

Der Landtag von Nordrhein-Westfalen hat zudem am 16.06.2021 das Wohnraumstärkungsge-setz verabschiedet. Das Gesetz trat zum 01.07.2021 in Kraft und löste das Wohnungsauf-sichtsgesetz NRW ab. Mit dem neuen Gesetz werden die Kommunen darin gestärkt, konse­quent gegen wohnungswirtschaftliche Missstände – und in der Folge auch gegen städtebauli­che Missstände – vorzugehen.

  1. Im Rahmen der „Förderung der Integration Zugewanderter und des Zusammenle­bens in Vielfalt“ gibt es im laufenden Haushaltsjahr Zuweisungen in Höhe von 5 Mio. Euro für Kreise und Kommunen, die überdurchschnittlich viel Zuwanderung aus Südosteuropa erfahren haben. Die Stadt Bochum ist hierbei nicht vertreten. Wie begegnet die Landesregierung der geschilderten Problematik in Städten und Gemeinden, die nicht von der speziellen Landesförderung profitieren?

Das Integrationsministerium veranstaltet für alle Kommunen, die nicht an dem Förderpro­gramm partizipieren, Digitalkonferenzen zu denen neben den Kommunalen Integrationszen­tren die jeweilig benannten Akteure in dem Arbeitsfeld eingeladen sind.

Es geht um die Vorstellung guter Praxis aus den geförderten Modellkommunen und den Aus­tausch zwischen den Integrationsakteuren. In der jetzigen Förderphase (2020 bis 2022) haben bisher drei Veranstaltungen stattgefunden, die folgende Themenschwerpunkte hatten:

  • Kommunale Handlungskonzepte
  • Zugänge zur Zielgruppe
  • Quartiersbezogene Arbeit
  • Antiziganismus
  • Zugänge zum Arbeitsmarkt

Die Stadt Bochum hat an der ersten Veranstaltung teilgenommen. Neben Erfahrungen aus den Praxisstandorten Dortmund, Essen und Bergheim-Ahe stellte in diesem Format Prof. Dr. Sebastian Kurtenbach von der Fachhochschule Münster seine Forschungsergebnisse unter dem Titel „Armutsgeprägte Zuwanderung aus Südosteuropa – Befunde und Herausforderun­gen für die kommunale Praxis“ vor.

 

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