Sozialbetrug mit Scheinvaterschaften stoppen – Gesetzeslücken schließen – Verfahren endlich effektiv gestalten

Antrag
vom 28.11.2024

Antrag

der Fraktion der AfD

Sozialbetrug mit Scheinvaterschaften stoppen Gesetzeslücken schließen Verfahren endlich effektiv gestalten

I. Ausgangslage

Bereits im Jahr 2017 gab das Bundesinnenministerium die Zahl der mutmaßlichen Scheinva­terschaften mit 5 000 Verdachtsfällen an.1 Um ein genaues Bild für Nordrhein-Westfalen zu bekommen, ist es notwendig, durch Einrichtung einer entsprechenden Kommission auf Lan­desebene tätig zu werden.

Die missbräuchliche Anerkennung von Vaterschaften zur Erschleichung von Sozialleistungen und Aufenthaltstiteln kostet den deutschen Steuerzahler jedes Jahr Millionen. Die bisherigen Regelungen des § 1597 a BGB zur Verhinderung von Scheinvaterschaften haben sich dabei in der Praxis als untauglich erwiesen. So führt die missbräuchliche Anerkennung einer Vater­schaft zwar zu einer Aussetzung des Verfahrens zur Vaterschaftsanerkennung, wenn es kon­krete Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Anerkennung missbräuchlich ist. Jedoch schließt § 1597 a Abs. 5 BGB die Annahme eines Missbrauchs aus, wenn der Anerkennende der leib­liche Vater des anzuerkennenden Kindes ist. Hierzu kann eine bloße Behauptung des Aner­kennenden ausreichen, denn es liegt im Ermessen der zuständigen Behörde bzw. Urkunds-person, ob die bloße Behauptung ausreichend ist, um trotz erkannter Anzeichen für das Vor­liegen konkreter Anhaltspunkte von einer Aussetzung des Verfahrens abzusehen.

Der Nachweis der leiblichen Vaterschaft sollte daher zukünftig generell nur noch über ein ge­netisches Gutachten erfolgen können. Als besonders missbrauchsanfällig hat sich der Um­stand erwiesen, dass die Prüfung auf der ersten Stufe durch eine frei zu wählende Urkunds-person erfolgt, die darüber zu entscheiden hat, ob konkrete Anhaltspunkte für eine miss­bräuchliche Anerkennung der Vaterschaft bestehen, die erst zu einer Aussetzung des Verfah­rens und Beteiligung der Ausländerbehörde führen.

Dies hat sich aus mehreren Gründen als fehlerhafte Konstruktion bei der im Jahr 2017 erfolg­ten Neuregelung erwiesen. Zum einen fehlt es den Urkundspersonen, die häufig Notare sind, aber auch Jugendämter, Standesbeamte, Amtsgerichte oder deutsche Konsularbeamte im Ausland sein können, im Gegensatz zu den Ausländerbehörden regelmäßig an der Kenntnis von Tatsachen, die Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Anerkennung sein könnten (z. B. das Vorliegen einer vollziehbaren Ausreisepflicht oder eines Asylantrages). Zum anderen kön­nen sich die Beteiligten die Urkundsperson frei auswählen. Dies hat zur Folge, dass bestimmte Notare besonders beliebt sind, die sich schwer damit tun, Anhaltspunkte für einen Missbrauch zu erkennen.

Doch diese Regelung macht es auch möglich, dass innerhalb weniger Wochen mehrere Va­terschaften bei unterschiedlichen Urkundspersonen anerkannt werden. Um das Verfahren ef­fektiver zu gestalten, ist es daher notwendig, Ausländerbehörden grundsätzlich bereits zu Be­ginn des Verfahrens auf der ersten Stufe zu beteiligen, insbesondere, da allein sie Kenntnisse von relevanten Tatsachen haben, die Anhaltspunkte für einen Missbrauch sein können.

Zur Verhinderung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen hatte der Gesetzgeber schon einmal mit Wirkung zum 1. Juni 2008 ein behördliches Anfechtungsrecht von Scheinvater­schaften eingeführt. Diese Regelung hatte jedoch das Bundesverfassungsgericht durch Be­schluss vom 17. Dezember 2013 (1 BvL 6/10) für verfassungswidrig erklärt. Um eine rechtliche Handhabe dafür zu bekommen, in der Vergangenheit erfolgte und mutmaßlich missbräuchli­che Vaterschaftsanerkennungen behördlich zu überprüfen und gegebenenfalls rückwirkend zu annullieren, muss in einer gesetzlichen Neuregelung den verfassungsrechtlichen Bedenken entsprechend Rechnung getragen werden.

Im Rahmen der Neuregelung ist auch sicherzustellen, dass die versuchten und vollendeten missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen sowie die Zustimmung hierzu strafrechtlich ge­ahndet werden können. Dies ist bislang regelmäßig nicht der Fall. Diesbezüglich kann durch eine entsprechende Ergänzung der Strafvorschriften des § 95 AufenthG Abhilfe geschaffen werden, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen.

Mit Befremden hat die Allgemeinheit Berichte aus Dortmund über einen aus Nigeria stammen­den eingebürgerten Mann zur Kenntnis genommen, der öffentlich auch als „Mr. Cash Money“ auftritt und sich damit rühmt, den deutschen Sozialstaat durch die Anerkennung von Schein­vaterschaften nicht leiblicher Kinder fortlaufend um erhebliche Summen zu prellen.2 Allein die ungeheure Anzahl der anerkannten Vaterschaften durch eine einzige Person und der Umfang der dadurch empfangenen Leistungen deuten auf die sprichwörtliche Spitze eines Eisbergs massenhaften Missbrauchs hin. Im Falle des aus Nigeria stammenden und dort regelmäßig aufhältigen, aber in Dortmund gemeldeten Mannes wurden Vaterschaften für bisher 24 Kinder anerkannt, deren verschiedene Mütter allesamt Afrikanerinnen unterschiedlicher Nationalität, die meisten Nigerianerinnen, sind. Da der Mann die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, gel­ten für die anerkannten Kinder, deren Mütter sowie für weitere Angehörige aufgrund der er­worbenen deutschen Staatsangehörigkeit Aufenthaltsrechte bzw. durch den Familiennachzug automatisch Einreise- und Bleiberechte für die Bundesrepublik. Der Kreis der potenziell an-spruchsberechtigen Sozialleistungsempfänger umfasst bislang 94 Personen. Durch staatliche Leistungen wie Bürgergeld (inklusive der Kosten für die Unterkunft), Kindergeld, Zuzahlungen und Beihilfen wird aufgrund einer einzigen Person, die offenbar systematisch missbräuchlich Vaterschaften anerkennt, zulasten aller Bürger Steuergeld in Höhe von mindestens 1,5 Millio­nen Euro im Jahr ausgegeben3, die an anderer Stelle fehlen.

Eine gängige Masche ist in diesem Zusammenhang auch, Männer in der Obdachlosen- und Trinker-Szene anzusprechen, die als Gegenleistung für geringe Geldbeträge dann Vater­schafts-Anerkennungen beurkunden lassen. Auch arabische Clans sollen mit der Vermittlung von obdachlosen Scheinvätern an Migranten vom Balkan befasst sein.

Der Sozialbetrug mit Scheinvaterschaften ist kein neues Phänomen. Seit mehr als 20 Jahren existiert bereits die Forderung, Scheinvaterschaften zu einem Straftatbestand zu machen. Es ist überfällig, endlich eine verfassungskonforme und effektive Regelung zu erarbeiten, die dem unhaltbaren Zustand ein Ende bereitet.4

Irritierend ist zudem der Umstand, dass im Zusammenhang mit Scheinvaterschaften offenbar auf kommunaler Ebene keine Daten erhoben werden. Eine kommunale Anfrage der AfD im Rat der Stadt Gelsenkirchen ergab, dass statistische Daten zu Scheinvaterschaften nicht exis­tieren, da die Ermittlung zu aufwendig sei.5 Da die Kommunen insbesondere dem Steuerzahler verpflichtet sind, sollte es eine Aufgabe des Controllings sein, solche Daten zu ermitteln und für den Bürger transparent zu machen.

II. Der Landtag stellt fest,

  • Obwohl das Problem des Sozialbetrugs mit Scheinvaterschaften seit vielen Jahren be­kannt ist, besteht derzeit noch immer eine unbefriedigende Rechtslage, die insbeson­dere von Männern mit Migrationshintergrund und deutscher Staatsangehörigkeit oder von ausländischen Männern mit gesichertem Aufenthaltsstatus mit hoher krimineller Energie zum Nachteil des deutschen Sozialstaats ausgenutzt wird.
  • Dies ist u. a. dann möglich, wenn Kinder von ausländischen Müttern durch die miss­bräuchliche Anerkennung von Vaterschaften durch einen Deutschen oder auch – bei in Deutschland geborenen Kindern – durch einen Ausländer, der zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte und im Besitz einer Niederlassungserlaubnis, eines Aufenthaltsrechts aufgrund europäischen Gemeinschaftsrechts oder eines sonstigen gesicherten Aufent­haltsrechts ist, die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben.
  • Die Mutter eines solchen deutschen Kindes erwirbt gemäß § 28 AufenthG einen An­spruch auf eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge sowie Sozialleis­tungen, auf die gegebenenfalls auch ihre weiteren Kinder und sonstige Angehörige An­spruch haben, die dann über den Familiennachzug nach Deutschland einreisen und dau­erhaft bleiben dürfen oder ihren bereits in Deutschland bestehenden Aufenthalt hierüber dauerhaft absichern.
  • Der sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren befindliche Gesetzentwurf der Bundesre-gierung6 mit dem Titel „Entwurf eines Gesetzes zur besseren Verhinderung missbräuch­licher Anerkennungen der Vaterschaft“ vom 09.10.2024 wird mutmaßlich in der laufen­den Legislaturperiode bis zur voraussichtlichen Neuwahl des Bundestags am 23.02.2025 nicht mehr abschließend beraten und verabschiedet bzw. verkündet werden wird. Das weitere Verfahren bzw. die Frage, ob es überhaupt noch zu einem Abschluss dieses Gesetzgebungsverfahrens kommen wird, ist mehr als ungewiss.
  • Der Gesetzentwurf der Bundesregierung weist dahingehend noch Mängel auf, als dass nicht konsequent (sondern nur bei einem „aufenthaltsrechtlichen Gefälle“ zwischen den Beteiligten) die Vaterschaft überprüft wird, beispielsweise durch ein genetisches Gutach­ten. Zudem wird als Vaterschaft auch anerkannt, wenn zwischen dem Kind und dem anerkennenden Vater lediglich eine „sozial-familiäre Beziehung“ besteht oder der Mann angekündigt hat, „tatsächlich Verantwortung“ für das Kind übernehmen zu wollen. Nicht enthalten sind außerdem neu aufzunehmende Straftatbestände für beide Beteiligte – also Mann und Frau.

III. Der Landtag fordert daher die Landesregierung auf,

sich im noch laufenden Gesetzgebungsverfahren für nachführend aufgeführte Änderungen bzw. Ergänzungen einzusetzen bzw. – wenn das derzeit laufende Gesetzgebungsverfahren in der aktuellen Legislaturperiode des Deutschen Bundestags nicht erfolgreich abgeschlossen wird – sich im Rahmen einer Bundesratsinitiative dafür einzusetzen, dass das Erschleichen von Sozialhilfeleistungen und eines Aufenthaltsstatus durch zum Schein erklärte Vaterschafts-anerkennungen konsequent unterbunden wird. Dieses Ziel soll insbesondere erreicht werden, indem:

  • versuchte und vollendete missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen sowie die Zu­stimmung hierzu durch die Mutter unter Strafe gestellt werden,
  • durch missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen erlangte Aufenthalte in Deutschland unverzüglich beendet werden, wenn kein Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen be­steht,
  • durch eine Ergänzung des § 27 Absatz 1a des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) ein Fa­miliennachzug nicht länger zugelassen wird, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die An­nahme begründen, dass die Anerkennung einer Vaterschaft dem Zweck dienen soll, die Einreise in das oder den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen,
  • Verfahren durch die Ausländerbehörden nach § 85 a AufenthG zur Prüfung des Vorlie-gens einer missbräuchlichen Anerkennung der Vaterschaft im Sinne des § 1597 a Abs. 1 BGB immer dann durchzuführen sind, wenn ein Beteiligter des Verfahrens (Elternteil oder Kind) nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt,
  • in vorgenannten Fällen die Zustimmung der Ausländerbehörde zur Eintragung der Va­terschaft als Wirksamkeitsvoraussetzung für die Eintragung der Vaterschaft bestimmt wird,
  • der Nachweis einer leiblichen Vaterschaft gemäß § 1597 a Abs. 5 BGB durch den Aner­kennenden nur noch durch ein genetisches Gutachten erfolgen kann,
  • die beurkundende Behörde oder die Urkundsperson die Beurkundung bis nach Anhö­rung des Elternteils und des Anerkennenden auszusetzen hat, wenn nach Prüfung durch die nach § 85a zuständige Behörde Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Anerken­nung der Vaterschaft bestehen und eine Beurkundung abzulehnen, sofern die Anhörung keine entlastenden Tatsachen ergibt,
  • im Zusammenhang mit letztgenannter Maßnahme eine Anpassung des § 1597a BGB angeregt wird,
  • Möglichkeiten zur verfassungskonformen rückwirkenden behördlichen Anfechtung ge­prüft und gegebenenfalls umgesetzt werden.
  • eine verpflichtende erweiterte Meldebescheinigung in das Prüfverfahren eingeführt wird. Auf der erweiterten Meldebescheinigung sind sämtliche minderjährigen Kinder eines Va­ters, unabhängig vom Wohnort der Kinder, aufzuführen. Hierdurch könnte der Miss­brauch der Anerkennung durch Beantragung in unterschiedlichen Kommunen effektiver begegnet werden.7

IV. Der Landtag fordert die Landesregierung als landespolitische Maßnahme auf,

  • zur Ermittlung von Verdachtsfällen etwaiger bereits in der Vergangenheit erfolgter Aner­kennungen von Scheinvaterschaften auf Landesebene eine Kommission zu gründen, die aus Vertretern der Unterhaltsvorschusskassen der kommunalen Jugendämter, der örtlichen Jobcenter, Standesämter und der Ausländerbehörden besteht und durch be­hördenübergreifende Akteneinsicht mögliche Missbrauchsfälle identifiziert. Die Kommis­sion soll dem Landtag erstmals im Jahr 2025 und danach jährlich Bericht erstatten.

Enxhi Seli-Zacharias
Dr. Martin Vincentz
Christian Loose

und Fraktion

 

MMD18-11593

 

1 Vgl. https://www.nzz.ch/international/sozialbetrug-mit-scheinvaterschaften-kostet-den-staat-millionen-ld.1718985

2 Vgl. https://www.tagesschau.de/investigativ/rbb/missbrauch-vaterschaftsanerkennung-100.html

3 Vgl. https://www.bild.de/regional/dortmund/regional/24-kinder-anerkannt-und-abkassiert-der-stammbaum-von-mr-cash-money-87319414.bild.html

4 Vgl. https://www.welt.de/print-welt/article301537/Betrug-mit-Scheinvaterschaften.html

5 Vgl. https://www.waz.de/staedte/gelsenkirchen/article233975701/Scheinvaterschaften-Stadt-Gelsenkirchen-prueft-Missbrauch.html

6 Vgl. https://dserver.bundestag.de/btd/20/132/2013255.pdf

7 Vgl. https://www.waz.de/lokales/gelsenkirchen/article407606166/staerkeres-auslaenderamt-geht-es-fake-vae-tern-an-den-kragen.html