Stärkung der Judikative – Für ein öffentliches Bewerbungsverfahren der Verfassungsrichterstellen des Landes Nordrhein-Westfalen

Antrag
vom 07.06.2018

Antragder AfD-Fraktion vom 05.06.2018

 

Stärkung der Judikative – Für ein öffentliches Bewerbungsverfahren der Verfassungsrichterstellen des Landes Nordrhein-Westfalen

I. Ausgangslage

Auf der einen Seite werden die Richterstellen im Bereich der ordentlichen und der Fachge­richtsbarkeit öffentlich im Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen ausgeschrie­ben und die zahlreichen Bewerber zum Richterdienst auf Probe müssen jeweils ein Aufnah­meverfahren absolvieren, um dem Leistungsprinzip gemäß Artikel 33 Absatz 2 des Grundge­setzes bei der Auswahl der Beamten bzw. Richter nachzukommen. 1,2

Auf der anderen Seite werden die Vorschläge betreffend der Bewerber zur Wahl der Landes-verfassungsrichter Nordrhein-Westfalens in einem intransparenten und informellen Vorverfah­ren ausgehandelt.

Artikel 76 Absatz 2 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalens normiert: „Die Mitglieder [des Landesverfassungsgerichtshofs] und ihre Stellvertreter werden vom Landtag ohne Aussprache mit Zweidrittelmehrheit auf die Dauer von zehn Jahren gewählt. Wiederwahl ist ausgeschlossen. Sie müssen die Befähigung zum Richteramt haben. Drei Mitglieder und ihre Stellvertreter müssen Berufsrichter sein.“

Die §§ 3 und 4 des Verfassungsgerichtshofgesetzes normieren die weitergehende Ausgestaltung der Wahl zur Besetzung der Stellen der Verfassungsrichter gemäß Artikel 76 Absatz 3 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalens.

Während der Ablauf zur Wahl der Verfassungsrichter somit hinreichend normiert ist, fehlt es an einem transparenten Bewerbungsverfahren, um als Kandidat in den potentiellen Bewerberkreis für das Amt eines Verfassungsrichters aufgenommen werden zu können.

Diese Intransparenz des bisherigen Bewerbungsverfahrens äußerte sich zuletzt am 21.03.2018 bei der Wahl eines neuen Verfassungsrichters am Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen sowie dessen Stellvertreter.

Während der AfD-Fraktion der Wahlvorschlag der designierten Verfassungsrichter am 20.03.2018 erst abends gegen 18:00 Uhr zuging und dementsprechend nicht mehr ausführlich sowohl fraktionsintern als auch interfraktionell beraten werden konnte, waren die anderen vertretenen Fraktionen schon vorher informiert gewesen und hatten sich auf einen Kandidaten verständigt; die Wortmeldung des Herrn Kerkhoff (CDU) in der 22. Plenumssitzung legt diese Vermutung zumindest nahe, indem er ausführte „Da der Wahlvorschlag von CDU, SPD, FPD und Bündnis 90/Die Grünen gemacht wird, ist die eben angesprochene Mehrheit von zwei Dritteln sichergestellt. Der Wahlvorschlag ist im Übrigen allen Abgeordneten des Landtags gestern zugegangen und auch gestern bzw. vorgestern in den antragstellenden Fraktionen beschlossen worden.“.3

Die Problematik dieser Gewaltenverschränkung zwischen den einzelnen Staatsgewalten ist nahezu seit Bestehen der Bundesrepublik bekannt und steht generell in der Kritik.4

Erste Ansätze zur öffentlichen Ausschreibung von hohen Richterposten wurden schon 2009 durch das Bundesministerium der Justiz gesetzt, als das Ministerium per Pressemitteilung nach einem geeigneten Richter für den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg suchte. Ebenfalls sprach sich der damalige Unionsfraktionsvize und rechtspolitische Sprecher seiner Partei Günter Krings für eine Ausschreibung der Richterstellen am EGMR aus.5

Auch im Hinblick auf die voraussichtlich anstehende gesetzliche Normierung einer Individualverfassungsbeschwerde auf Landesebene (siehe Drs. 17/2122) ist die allgemeine und insbesondere die parteipolitische Unabhängigkeit der Verfassungsrichter eine absolut notwendige Voraussetzung im Sinne der Gewaltenteilung.

Dies ist durch ein transparentes und öffentliches Bewerbungsverfahren zu gewährleisten.

Als formale Mindestanforderung ist zumindest eine öffentlich zugängliche Bekanntgabe, mit ausreichender Fristsetzung zur Kenntnisnahme durch potentielle Interessenten, zu gewährleisten.

Ferner sollte ein weisungsunabhängiges Prüfgremium die eingereichten Bewerbungen gemäß den Voraussetzungen gemäß Art. 76 Absatz 2 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalens kontrollieren und dies dokumentieren; dieses ist mit Vertretern der Fraktionen und Fachexperten ausreichend zu besetzen, um vorhergehende intransparente Absprachen zu verhindern sowie den Mitgliedern des Landtages die Möglichkeit einzuräumen, sich über die potentiellen Bewerber ein weitergehendes Bild zu schaffen und somit letztendlich eine sachliche Personalentscheidung zur Wahl der Verfassungsrichter zu ermöglichen.

II. Der Landtag stellt daher fest:

1. Die Unabhängigkeit der Justiz und die Gewaltenteilung innerhalb des Bundes und der Länder sind fundamentale Voraussetzung für das Funktionieren der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

2. Die Bewerber zur Wahl der Verfassungsrichter am Landesverfassungshof Nordrhein-Westfalen sind daher in einem transparenten und öffentlichen Bewerbungsverfahren zu ermitteln, um die Unabhängigkeit der Verfassungsrichter zu gewährleisten.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

1. Eine konzeptionelle Ausarbeitung zwecks öffentlicher Ausschreibung der Verfassungsrichterstellen am Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen zu entwickeln und diese zumindest als Verwaltungsvorschrift, mit oben bezeichneten Mindestanforderungen, zu erlassen.

2. Die Dienststellen für Verfassungsrichter am Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen zukünftig anhand vorstehender konzeptioneller Ausarbeitung öffentlich bekanntzugeben.

3. Ein Prüfgremium einzusetzen, um vorhergehende intransparente Absprachen zu verhindern und den Mitgliedern des Landtages ein Kontingent an potentiell geeigneten Bewerbern vorzulegen.

Thomas Röckemann
Andreas Keith
und Fraktion

 

Antrag als PDF laden

 

1 https://www.justiz.nrw.de/JM/jmbl/index.php (abgerufen am 02.05.2018).

2 http://www.olg-duesseldorf.nrw.de/behoerde/Richter-auf-Probe/Einstellungsverfahren/index.php  http://www.olg-koeln.nrw.de/behoerde/002 richter auf probe/004 einstellungsverfahren/index.php http://www.olg-hamm.nrw.de/behoerde/richter-auf-probe/Einstellungsverfahren/index.php

(jeweils abgerufen am 02.05.2018).

3 http://landtag/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMP17-22.html# Toc511408046 (abge­rufen am 02.05.2018).

4 https://www.heise.de/tp/features/Der-Fehler-im-System-3380878.html (abgerufen am 02.05.2018).

5 http://www.handelsblatt.com/finanzen/steuern-recht/steuern/menschenrechte-richter-mit-ruf-ge-sucht/3310534-all.html (abgerufen am 02.05.2018).