Starker Anstieg der Insolvenzen in der Gastronomie. Was sind die Ursachen? Sind diese Insolvenzen unabwendbar angesichts der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung, oder kann etwas dagegen getan werden?

Kleine Anfrage
vom 10.01.2025

Kleine Anfrage 4953

des Abgeordneten Christian Loose AfD

Starker Anstieg der Insolvenzen in der Gastronomie. Was sind die Ursachen? Sind diese Insolvenzen unabwendbar angesichts der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung, oder kann etwas dagegen getan werden?

Das Sterben der traditionellen Cafés ist eine Entwicklung, die schon in den 70er Jahren einsetzte. Es fehlten Nachfolger und die frühe Arbeitszeit für Konditoren um 4 Uhr nachts schreckte viele ab. In Köln beispielsweise schlossen unter anderem nacheinander Café Franck, Café Neumarkt, Café Zimmermann und Café Lemm.

Im Mai 2025 schloss nach weit über hundert Jahren auch das Café Fromme. Der Inhaber schilderte die Gründe:

„Aber in den letzten Jahren seien einfach zu viele Faktoren zusammengekommen. Nach der Pandemie habe sich das Personalproblem noch einmal verschärft. „Viele Mitarbeiter sind danach einfach nicht wiedergekommen.“ Es fehlten Verkaufs- und Servicemitarbeiter und vor allem Konditoren. „Normalerweise brauchen wir vier bis sechs Konditoren.“ Zur Zeit sind es aber nur zwei. Auch zwei Ausbildungsstellen blieben unbesetzt. Wegen der Probleme hat Fromme seit Pandemie-Ende montags geschlossen. Außerdem hätte die Familie noch einmal kräftig investieren müssen: 500.000 Euro in Küche und Backstube. Doch einen Nachfolger, der davon profitieren würde, gibt es nicht. „Unsere beiden Töchter haben beruflich andere Interessen und da wollten wir ihnen auch nichts aufzwingen.“1

Viele Cafés schlossen ersatzlos, aus manchen wurden Filialen von Fast-Food-Ketten oder Döner-Imbisse. In den Räumen des Café Fromme eröffnete nach dem Umbau eine Filiale des Copenhagen Coffee Lab. Das Verschwinden traditioneller Cafés zugunsten von Café-Ketten wie Starbucks oder Woyton und kleiner Kaffeeröstereien spiegelt sicherlich die allgemeinen Trends in der Geschäftswelt wider, hin zu Ketten-Filialen, die auf Straßen mit ehemals vielen kleinen Einzelgeschäften wie auf Kölns Ehrenstraße die enorm gestiegenen Mieten noch zahlen können, was auch Gastronomie verdrängt hat.

Aktuell hat aber eine Insolvenz-Welle die Gastronomie erreicht.2

„Die Gastronomie verzeichnete einen Anstieg an Insolvenzen um 24,27 %, was auf einen zunehmenden finanziellen Druck hindeutet. Die monatlichen Insolvenzanmeldungen spiegeln diesen Trend wider: 103 Anträge im Januar, 128 im Februar, 122 im März, 136 im April und 128 im Mai. Diese Zahlen weisen auf die wachsenden Herausforderungen hin, vor denen Unternehmen im Gastgewerbe stehen.“3

Diese Entwicklung trifft auch Nordrhein-Westfalen:

„Was das in Zahlen heißen könnte, kann man einer Voraussage der Auskunftei Crif entnehmen, die von 30 Prozent mehr Insolvenzen in der Gastronomie ausgeht als im Vorjahr. Und das wird auch NRW vermutlich schwer treffen. In einer Crif-Untersuchung, die Anfang September veröffentlicht wurde, waren von 21.654 untersuchten Gastro-Betrieben in Nordrhein-Westfalen 3139 insolvenzgefährdet. In anderen Worten: Jedem siebten Unternehmen würde das Aus drohen. Mit einer Quote von 14.5 Prozent stand Nordrhein-Westfalen in dieser Übersicht sehr schlecht da. Höher war der Anteil der insolvenzgefährdeten Unternehmen nur noch in Berlin (14.6 Prozent).“4

Was mögen nun die Ursachen der laufenden und zukünftig erwarteten Insolvenz-Welle sein? Lag und liegt es an den Corona-Maßnahmen und deren Nachwirkungen, an der Konsumzurückhaltung infolge bereits eingetretener und erwarteter Kostensteigerungen auf vielen Gebieten infolge der derzeitigen Wirtschafts- und Energiepolitik, an der Wieder-Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Speisen, am veränderten Arbeitsverhalten etwa durch Zunahme von Home-Office, an falscher Standortwahl, an Nachfolge- und Personalproblemen oder an Ausgehmüdigkeit? Daran schließt sich die Frage an, ob und wenn ja, was dagegen getan werden könnte.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Zu wie vielen Insolvenzen in der Gastronomie kam es in Nordrhein-Westfalen in den Jahren 2019 bis 2024? (bitte nach Jahren und Monaten aufschlüsseln)
  2. Wie verteilen sich die eingetretenen Insolvenzen in den Jahren 2019 bis 2024 in Nordrhein-Westfalen auf die einzelnen Gastronomie-Sparten, wie Cafés, Restaurants, Imbisse, Gastwirtschaften, Bars, Discotheken, usw.?
  3. Welche Ursachen lagen den Insolvenzen in den jeweiligen Sparten zugrunde?
  4. Wie viele Insolvenzen in der Gastronomie erwartet die Landesregierung für 2025 und in welchen Sparten?
  5. Welche Maßnahmen könnten der Insolvenzwelle in der Gastronomie Nordrhein-Westfalens entgegenwirken?

Christian Loose

 

MMD18-12420

 

1 Christiane Vielhaber, Café Fromme an der Breite Straße schließt nach 132 Jahren, ksta.de, 23.5.2024

2 Katrin Terpitz, Fast jeder vierte Gastronom überlegt aufzugeben, handelsblatt.com, 19.7.2024; Insolvenz-Studie: Gastronomie verzeichnet achthöchsten Anstieg 2024, gastgewerbe-magazin.de, 4.9.2024; Zahl der Insolvenzen in der Gastronomie steigt, hogapage.de, 6.9.2024

3 Insolvenz-Studie: Gastronomie verzeichnet achthöchsten Anstieg 2024, gastgewerbe-magazin.de, 4.9.2024

4 Georg Winters, Jedem siebten Gastro-Betrieb in NRW droht die Insolvenz, rp-online, 7.12.2024


Die Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie hat die Kleine Anfrage 4953 mit Schreiben vom 7. Februar 2025 namens der Landesregierung beantwortet.

  1. Zu wie vielen Insolvenzen in der Gastronomie kam es in Nordrhein-Westfalen in den Jahren 2019 bis 2024? (bitte nach Jahren und Monaten aufschlüsseln)
  Insolvenzverfahren Gastronomie NRW
   
2019 2020 2021 2022 2023 2024*
Januar
Februar
März
April
Mai
Juni
Juli
84 75 54 28 24 33
53 42 23 29 33 42
65 41 48 35 39 43
64 44 39 24 33 37
52 43 37 33 47 51
51 52 43 26 36 60
62 52 35 33 37 48
August 51 37 29 21 43             41
September 46 42 37 48 36             39
Oktober 50 38 32 34 31             33
November 48 47 28 40 46             –
Dezember 36 29 33 32 37             –
Insgesamt 662 542 438 383 442 427
Nieder- lassungen 44.553 41.717 40.319 41.497 42.293

Quelle: IT.NRW

*) Für das Jahr 2024 sind nach Stand 16.01.2025 nur Daten bis einschließlich Oktober verfüg-

bar.

  1. Wie verteilen sich die eingetretenen Insolvenzen in den Jahren 2019 bis 2024 in Nordrhein-Westfalen auf die einzelnen Gastronomie-Sparten, wie Cafés, Restau­rants, Imbisse, Gastwirtschaften, Bars, Discotheken, usw.?

 

  Insolvenzverfahren      
Gastronomie-Sparten 2019 2020 2021 2022 2023 2024*
Restaurants mit herkömmlicher Bedienung 306 243 200 173 187 173
Restaurants mit Selbstbedienung 8 16 3 1 9 9
Imbissstuben
u.Ä.
160 125 121 109 139 125
Cafés 37 33 23 21 30 24
Eissalons 14 21 10 11 12 12
Event-Caterer 20 14 15 15 14 18
Sonst. Verpfle-gungs-dienstleis-tungen 7 13 7 6 8 8
Schankwirtschaf­ten 66 40 32 33 16 32
Diskotheken u. Tanzlokale 22 18 7 2 6 6
Bars 16 15 12 10 17 18
Vergnügungslo­kale 1 3 1 1 1 2
Sonst. getränke­geprägte Gastro­nomie 5 1 7 1 3 0
Insgesamt 662 542 438 383 442 427
Niederlassungen 44.553 41.717 40.319 41.497 42.293

Quelle: IT.NRW

*) Für das Jahr 2024 sind nach Stand 16.01.2025 nur Daten bis einschließlich Oktober verfügbar.

  1. Welche Ursachen lagen den Insolvenzen in den jeweiligen Sparten zugrunde?

Spartenscharfe Informationen über die Ursachen für Insolvenzen in der Gastronomie liegen der Landesregierung nicht vor.

  1. Wie viele Insolvenzen in der Gastronomie erwartet die Landesregierung für 2025 und in welchen Sparten?

Prognosen zur Insolvenzentwicklung in der Gastronomie liegen der Landesregierung nicht vor.

  1. Welche Maßnahmen könnten der Insolvenzwelle in der Gastronomie Nordrhein-Westfalens entgegenwirken?

Die Einflussmöglichkeiten der Landesregierung auf die Insolvenzentwicklung in der Gastrono­mie sind beschränkt, da marktbestimmende Faktoren bzw. strukturelle Fragen der Branche dafür ursächlich sind. Die Landesregierung sieht unter anderem in folgenden Bereichen Hand­lungsansätze:

Mit der Fachkräfteoffensive NRW soll dem Fachkräftemangel wirksam begegnet und die Fach­kräftesicherung für die Zukunft des Landes nachhaltig gestärkt werden. Davon kann auch die Gastronomie profitieren. Zusätzlich hat der Bund mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungs­gesetz die Weichen für eine leichtere Akquise von qualifiziertem Personal im Ausland gestellt, was gerade für die personalintensive Branche der Gastronomie relevant sein kann.

Ein einheitlicher Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent auf Speisen könnte den Kostendruck auf die Betriebe mindern. NRW hat im Oktober 2022 im Finanzausschuss des Bundesrates einen Entschließungsantrag zur Entfristung der gegenwärtigen gesetzlichen Regelung gestellt, der leider die erforderliche Mehrheit verfehlt hat.

Um die Unternehmen bei den Berichtspflichten, Dokumentationen, Aufbewahrungsfristen etc. zu entlasten, hat die Landesregierung am 12. November 2024 ein umfangreiches Entbürokra-tisierungs- und Beschleunigungspaket beschlossen und so einen wichtigen Impuls für den Wirtschaftsstandort NRW gegeben.

Außerdem unterstützen Land, Bund und EU die Gastronomiebranche mit verschiedenen För­derangeboten.

Dazu zählen unter anderem die sogenannten „Transformationscoaches für Nachhaltigkeit und Digitalisierung im Gastgewerbe“, Handlungsempfehlungen zur Etablierung nachhaltiger Un­ternehmensprozesse in Form einer Best-Practice-Förderung und mögliche Unterstützung aus dem EFRE-NRW Erlebnis-Wettbewerb.

 

MMD18-12755

Beteiligte:
Christian Loose