Start der „Meldestelle zu antimuslimischem Rassismus“ (MEDAR) – Wie ‚neutral‘ sind die beteiligten Akteure?

Kleine Anfrage
vom 16.01.2025

Kleine Anfrage 4989

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD

Start der Meldestelle zu antimuslimischem Rassismus(MEDAR) Wie neutralsind die beteiligten Akteure?

Gegenüber NIUS1 äußerte sich ein Strafrechtler kritisch zum Meldestellen-Projekt: „Die Meldestellen sind in mehrfacher Hinsicht eine Gefahr für die Grundrechte: Erstens schüchtern sie die Bevölkerung ein, sorgen für sogenannte chilling effects: Wer befürchten muss, bei jedem Gespräch an der Bushaltestelle oder beim Bäcker belauscht und gemeldet zu werden, der traut sich bald kaum noch, sich kritisch zu äußern. Zweitens ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bedroht: Zwar werden die Meldungen durch die Meldestelle anonymisiert, das geschieht jedoch erst in einem zweiten Schritt. Zunächst kann jeder mit Namen oder Adresse gemeldet werden, die Daten werden zur Verarbeitung gespeichert.“

Als Grund für die Implementierung vermutet er gegenüber NIUS: „Dinge, die der Staat nicht darf oder für die er keine juristische Verantwortung übernehmen will, lagert er aus. Diese Organisationen unterliegen einer weniger starken Kontrolle als staatliche Stellen. Hätte das Land Nordrhein-Westfalen eine staatliche Meldestelle geschaffen, dann könnten Bürger dagegen vor das Verwaltungsgericht ziehen, das die Frage stellen würde: Was rechtfertigt dieses Vorgehen des Staates? Jedes staatliche Handeln muss vom Parlament legitimiert sein – gerade, wenn es um mögliche Eingriffe in Grundrechte geht. Denn der Staat muss die Grundrechte seiner Bürger wahren.“ Private Organisationen seien dazu nicht in dieser Form verpflichtet, so der Strafrechtler: „Hier kann nur vor dem Zivilgericht geklagt werden. Der Kläger muss beweisen, dass seine Rechte eingeschränkt wurden, was sehr viel komplexer ist. Wenn die Meldestellen also staatlich wären und nicht an private Organisationen ausgelagert würden, könnten wir die in wenigen Wochen quasi wegklagen.“2

Aufschlussreich ist auch, durch wen die wissenschaftliche Begleitung beim Aufbau der Meldestelle erfolgte. So heißt es von Seiten der Landesregierung in der Großen Anfrage 23: „Für die wissenschaftliche Begleitung wurde die Johann Daniel Lawaetz-Stiftung beauftragt.“3 Diese erwarb u. a. im Oktober 2024 als Treuhänderin der Stadt Hamburg die Rote Flora für einen Kaufpreis von 820.000 Euro. Zudem wurden in der Vergangenheit Häuser an der Hafenstraße verwaltet.4

Es ergibt sich zusammenfassend ein Bild, welches nicht für Neutralität spricht, was kritisch ist, wenn dem eigenen Handeln politische Initiativen folgen sollen.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie wissenschaftlich war nach Ansicht der Landesregierung die wissenschaftliche Begleitung beim Aufbau der Meldestellen durch die Johann Daniel Lawaetz-Stiftung, wenn diese zugleich mit der Neuen Flora und der Hamburger Hafenstraße in Verbindung gebracht wird?
  2. Inwiefern wurden vor der Vergabe die politischen und aktivistischen Hintergründe der Mitarbeiter von Coach e.V. und interKultur e.V. untersucht? (Bitte im Detail – auch zu den Ergebnissen einer etwaigen Überprüfung – ausführen)
  3. Wie begegnet die Landesregierung der Problematik, dass private Träger zukünftig zensurartige Macht erhalten sollen, obwohl sie über keinerlei demokratische Legitimation verfügen?
  4. Wie begegnet die Landesregierung dem Vorwurf, dass nicht-staatliche Organisationen mit dem Betrieb der Meldestelle beauftragt wurden, um Bürgern die Möglichkeit zu nehmen, im Streitfall vor das Verwaltungsgericht zu ziehen?
  5. Inwiefern ist es zutreffend, dass bei der aktuellen Konstellation nur vor einem Zivilgericht geklagt werden kann und der Kläger beweisen muss, dass seine Rechte eingeschränkt wurden?

Enxhi Seli-Zacharias

 

MMD18-12482

 

1 Vgl. https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/nrw-meldestelle-gegen-muslimfeindlichkeit-startet-2025-100.html

2 Vgl. https://www.nius.de/gesellschaft/news/nrd-meldestellen-antimuslimischer-rassismus-linksgruenen-vereine-hendrik-wuest/ffcb2014-b19e-4237-976e-2aac60e6c4a2

3 Vgl. Lt.-Drucksache 18/9680; Seite 17; Frage 8

4 Vgl. Vgl. https://taz.de/CDU-fordert-Schliessung-der-Roten-Flora/!5534783/ und https://www.hinzundkunzt.de/portrait-lawaetz-stiftung/


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 4989 mit Schreiben vom 17. Februar 2025 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.

  1. Wie wissenschaftlich war nach Ansicht der Landesregierung die wissenschaftli­che Begleitung beim Aufbau der Meldestellen durch die Johann Daniel Lawaetz-Stiftung, wenn diese zugleich mit der Neuen Flora und der Hamburger Hafenstraße in Verbindung gebracht wird?

Im Arbeitsbereich „Beratung – Evaluation – Wissenstransfer“ der Lawaetz-Stiftung werden Evaluations-, Forschungs- und Begleitaufträge überwiegend in den Politikbereichen der sozi­alen Integration, Migration, Inklusion und Arbeitsförderung durchgeführt. Die Stiftung ist seit über 20 Jahren ein institutionelles Mitglied der DeGEval (Deutsche Gesellschaft für Evaluation) und deren Standards verpflichtet.

Im Rahmen eines Vergabeverfahrens hat sich die Lawaetz-Stiftung im Jahr 2022 als geeig­netster Bieter für die wissenschaftliche Begleitung des Aufbauprozesses durchgesetzt.

  1. Inwiefern wurden vor der Vergabe die politischen und aktivistischen Hintergründe der Mitarbeiter von Coach e.V. und interKultur e.V. untersucht? (Bitte im Detail auch zu den Ergebnissen einer etwaigen Überprüfung ausführen)

Es wird auf die Antwort zur Frage 1 der Nachfragen zur Kleinen Anfrage 291 in der GA 23, Lt.-Drucksache 18/8402 verwiesen.

  1. Wie begegnet die Landesregierung der Problematik, dass private Träger zukünftig zensurartige Macht erhalten sollen, obwohl sie über keinerlei demokratische Le­gitimation verfügen?

Die Meldestellen dokumentieren ausschließlich anonymisierte Vorfälle von Diskriminierung. Die Unterstellung, dass private Träger künftig zensurartige Macht erhalten, ist falsch.

  1. Wie begegnet die Landesregierung dem Vorwurf, dass nicht-staatliche Organisa­tionen mit dem Betrieb der Meldestelle beauftragt wurden, um Bürgern die Mög­lichkeit zu nehmen, im Streitfall vor das Verwaltungsgericht zu ziehen?
  2. Inwiefern ist es zutreffend, dass bei der aktuellen Konstellation nur vor einem Zi­vilgericht geklagt werden kann und der Kläger beweisen muss, dass seine Rechte eingeschränkt wurden?

Fragen 4 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Da die Meldestellen lediglich Sachverhalte ohne Bezug zu konkreten natürlichen Personen statistisch erfassen und dokumentieren, betreiben sie eine Tätigkeit, zu deren Wahrnehmung es von Rechts wegen keiner behördlichen Organisation und Ausgestaltung bedarf. Die Tätig­keit der Meldestellen ist nicht auf hoheitliches Handeln angelegt.

Das Rechtsstaatsprinzip des Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes enthält einen umfassen­den allgemeinen Justizgewährungsanspruch. Rechtsschutzmöglichkeiten dürfen hiernach we­der gegenüber staatlichen noch gegenüber privatrechtlich verfassten oder sonstigen Akteuren ausgeschlossen sein. Eine Garantie der Verwaltungsgerichtsbarkeit existiert nicht; entschei­dend ist allein die Kontrolle durch unabhängige Gerichte. Diese ist bei privatrechtlicher Aus­gestaltung durch die ordentliche Gerichtsbarkeit gewährleistet (vgl. auch Artikel 19 Absatz 4 Satz 2 des Grundgesetzes).

 

MMD18-12891