Kleine Anfrage 3723
der Abgeordneten Markus Wagner und Enxhi Seli-Zacharias AfD
Steigende Terrorgefahr durch islamistische Einwanderer – Wie steht es um NRW?
Der Terroranschlag auf das Moskauer Konzerthaus, bei dem mindestens 133 Opfer ums Leben kamen, ist einer der fatalsten islamistischen Anschläge seit Jahren. Die Terrormiliz ISIS hatte sich zu diesem Anschlag bekannt und Attentäter vom ISPK, also dem Islamischen Staat in der Provinz Khorasan, welcher der aktuell gefährlichste Ableger der Terrormiliz ist, geschickt. Die Terroristen von Moskau sollen wie die Tatverdächtigen des geplanten Anschlags auf den Kölner Dom an Weihnachten aus Tadschikistan stammen. Nun seien sich zuständige Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste sicher, dass auch in Deutschland und weiteren westeuropäischen Ländern solche islamischen Anschläge drohen würden. Aufgrund der im Sommer in Deutschland anstehenden Fußball-Europameisterschaft und der darauffolgenden Olympischen Spiele in Paris werde sogar eine „regelrechte neue Anschlagswelle“1 befürchtet, da diese Ereignisse eine weltweite Bühne bieten.
Ein neuer Gefährdungsfaktor sei, dass die radikalen Islamisten nicht nur über Soziale Medien angeworben und angeleitet werden, wie man Sprengsätze herstellt, sondern auch, dass sie zusätzlich seit 2022 – wie auch die Verdächtigen des geplanten Anschlags in Köln – vermehrt über die Ukraine und als Kriegsflüchtlinge ausgegeben gezielt nach Deutschland einreisen würden. „Die Stimme von Khorasan“ sei derzeit das prägendste Online-Propaganda-Magazin der Terrormiliz. Dort werde auf insgesamt 48 Seiten die westliche Lebensweise niedergemacht und davon berichtet, wie „Die Kräfte Satans“ das „Virus der Homosexualität“ unter muslimischen Jugendlichen verbreiten würden. Das Mittel dagegen wäre einzig der bewaffnete „Heilige Krieg“. Im weiteren Verlauf heiße es dann: „Tötet sie, wo immer ihr sie findet.“ Als Ziel werde unter anderem Berlin angegeben, da dort „Schweine“ und „Affen“ Homosexuelle in Moscheen begrüßen, jedoch verschleierte Frauen ablehnen würden.2
Staatsschützer gehen davon aus, dass es derzeit ein gut ausgebautes Terrornetzwerk der Tadschiken in Westeuropa geben würde, welches mehr als 100 Islamisten umfassen soll. Allein in Deutschland gebe es bereits mehr als 50, von denen der Großteil in Nordrhein-Westfalen lebe und sehr verdeckt aus dem Untergrund herausarbeiten soll. So seien die Smartphones der festgenommenen Verdächtigen in Bezug auf den geplanten Anschlag auf den Kölner Dom neu gekauft und zudem auf Werkseinstellungen zurückgesetzt gewesen. Des Weiteren steige die Gefahr einer Einreise von Terroristen durch die aktuelle Situation in der Ukraine. Unter den Flüchtlingen aus dieser Region sollen sich demnach vermehrt Islamisten aus Ländern wie Afghanistan, Usbekistan oder Tadschikistan aufhalten. Sie versuchen sich dann unter dem Vorwand, vor Gewalt und Verfolgung zu fliehen, nach Deutschland einzuschleusen.3
Zusätzlich kamen Akteure wie der Generalbundesanwalt, der Verfassungsschutz-Chef oder auch der US-General Michael Kurilla zu der Erkenntnis, dass die Gefahr von Anschlägen noch nicht vorüber sei und die Gefährdungslage in Deutschland durch das Erstarken der Terrormiliz in Afghanistan steigen würde. Nach Auskünften des US-Geheimdienstes sei es bislang bereits zu mehr als zwölf „externen Operationen“ durch die Terroristen gekommen, von denen mindestens drei in Deutschland gewesen sein sollen. Der erste vereitelte Anschlag soll demnach für das Jahr 2020 geplant gewesen sein. Fünf tadschikische Angeklagten wurden im Mai 2022 durch das Oberlandesgericht in Düsseldorf aufgrund von Mitgliedschaften in einer Terrormiliz zu Haftstrafen von knapp vier bis zu neuneinhalb Jahren verurteilt. Laut Anklage sollen die 25 bis 34 Jahre alten Angeklagten einer ISPK-Terrorzelle angehört und auf Anweisung führender ISIS-Anhänger Anschläge in Deutschland geplant haben. Unter anderem sei ein Drohnen-Anschlag auf eine US-Militärbasis in Planung gewesen. Zusätzlich konnten im Sommer 2023 Fahnder des Bundeskriminalamtes in Kooperation mit der GSG 9 und mit insgesamt sieben Haftbefehlen des Generalbundesanwalts mehrere tadschikische, einen turkmenischen und einen kirgisischen Verdächtigen festnehmen, die mit Beginn des Ukraine-Krieges im Frühjahr 2022 nach Deutschland eingereist waren und dort ab spätestens Juni 2022 eine terroristische Vereinigung gegründet haben sollen. Unter anderem sei von den Verdächtigen möglicherweise ein Anschlag auf eine Kölner Kirmes geplant worden. Hinzu kommen die vereitelten Anschläge auf den Wiener Stephansdom und den Kölner Dom im vergangenen Winter. Es wird vermutet, dass islamistische Tadschiken in Köln mit einem Auto und in Wien mit Kalaschnikows Attentate verüben wollten.4
Als eine der größten Gefahren für Großveranstaltungen dieses Jahres werden derzeit Drohnen, die mit Sprengstoff besetzt sind, eingeschätzt. Solche Fluggeräte gebe es im Internet bereits für weniger als 1000 Euro; zusätzlich seien Anleitungen für Abwurfeinrichtungen aus dem 3D-Drucker zu kaufen. Ein weiterer Grund für den potentiell vermehrten Einsatz dieser Sprengstoff-Drohnen sei der Fakt, dass Sprengsätze wie Granaten oder Panzerfaust-Köpfe im Kriegsgebiet in der Ukraine einfach zu beschaffen seien.5
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Wie viele als islamistische Gefährder eingestufte Personen befinden sich aktuell in NRW? (Bitte nach Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen eine Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)
- Wie viele Flüchtlinge sind seit 2022 bis heute pro Jahr aus der Ukraine nach NRW geflohen, stammen selbst aber aus einem anderen Land als der Ukraine? (Bitte nach Geschlecht, Alter und Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen eine Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)
- Wie viele dieser eingereisten Flüchtlinge stehen im Verdacht, im Kontakt mit terroristischen Netzwerken zu sein?
- Wie beurteilt die Landesregierung die Einschätzung einer steigenden Gefahrenlage in Deutschland bezüglich islamistischer Terroristen?
- Plant die Landesregierung konkrete Präventivmaßnahmen aufgrund der steigenden Terrorgefahr speziell in Hinsicht auf die anstehende Europameisterschaft in Deutschland?
Markus Wagner
Enxhi Seli-Zacharias
2 Ebenda.
3 Ebenda.
4 Ebenda.
5 Ebenda.
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 3723 mit Schreiben vom 27.05.2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration beantwortet.
- Wie viele als islamistische Gefährder eingestufte Personen befinden sich aktuell in NRW? (Bitte nach Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen eine Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)
Mit Stand 29.04.2024 befinden sich in Nordrhein-Westfalen 127 Personen, die als Gefährder der Politisch motivierten Kriminalität – Religiöse Ideologie eingestuft sind.
Davon besitzen 44 Personen die deutsche und 31 Personen eine doppelte Staatsangehörigkeit. Von den 31 Personen haben 28 eine deutsche und eine ausländische, drei Personen zwei ausländische Staatsangehörigkeiten. 51 Personen haben eine ausländische Staatsangehörigkeit. Eine Person ist staatenlos.
Die Nationalitäten der 51 Personen mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit entnehmen Sie bitte der nachfolgenden Tabelle:
Nationalität | Anzahl |
Syrisch | 19 |
Tadschikisch | 10 |
Irakisch | 6 |
Tunesisch | 4 |
Die afghanische, algerische, georgische, griechische, iranische, kirgisische, marokkanische, moldawische, russische, spanische, türkische und turkmenische Staatsangehörigkeit besitzt jeweils eine Person.
- Wie viele Flüchtlinge sind seit 2022 bis heute pro Jahr aus der Ukraine nach NRW geflohen, stammen selbst aber aus einem anderen Land als der Ukraine? (Bitte nach Geschlecht, Alter und Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen eine Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)
Aus der wöchentlich vom Bund zur Verfügung gestellten Sonderauswertung des Ausländer-zentralregisters sind für Nordrhein-Westfalen die nachfolgenden Daten zu nicht-ukrainischen Staatsangehörigen zu entnehmen, die seit dem 24.02.2022 aus der Ukraine nach Deutschland eingereist sind und entweder im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Aufenthaltsgesetz oder einer Fiktionsbescheinigung sind, ein Schutzgesuch geäußert oder einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Aufenthaltsgesetz gestellt haben:
Stichtag Sonderauswertung* | Personen |
24.02.2022-18.12.2022 | 9.818 |
19.12.2022-31.12.2023 | 10.067 |
01.01.2024-21.04.2024 | 10.042 |
* Die Daten wurden zu den Stichtagen 18.12.2022, 31.12.2022 und 21.04.2024 erhoben.
- Wie viele dieser eingereisten Flüchtlinge stehen im Verdacht, im Kontakt mit terroristischen Netzwerken zu sein?
Die Begriffe „Flüchtling aus der Ukraine“ und „Bezüge zu Terrornetzwerken“ werden nicht re-cherchefähig in den Datensystemen der Polizei Nordrhein-Westfalen abgebildet.
- Wie beurteilt die Landesregierung die Einschätzung einer steigenden Gefahrenlage in Deutschland bezüglich islamistischer Terroristen?
Der Prozess der Neuorganisation und des Wiedererstarkens der transnationalen Terrororganisationen, insbesondere al-Quaida (AQ) und des sog. Islamischen Staates (IS) dauert weiteran. Auch ohne „Herrschafts-gebiet“ zählt der IS zu einer der gefährlichsten Terrororganisationen. Hierbei ist insbesondere Zentralasien Ziel und Aktionsraum jihadistischer Gruppierungen. Hier nimmt der „Islamische Staat Provinz Khorasan“ (ISPK) eine herausragende Stellung ein. Dieser präsentiert sich ideologisch gefestigt und propagiert weiterhin die Strategie des „globalen Jihad“.
Durch jihadistische Organisationen wird weiter zu Anschlägen in der westlichen Welt aufgerufen. Aktuelle geopolitische Entwicklungen wie der Nahostkonflikt aber auch Ereignisse wie Koranverbrennungen werden zur Schaffung neuer Narrative genutzt. Die westliche Welt wird durch jihadistische Organisationen insgesamt als Feind betrachtet. Auch wenn Deutschland keine exponierte Stellung in der Propaganda einnimmt, wird es wegen der wirtschaftlichen Stärke und der Vertretung “westlicher Werte“ als legitimes Ziel für Anschläge betrachtet. Das abstrakte Gefährdungsniveau ist anhaltend hoch.
- Plant die Landesregierung konkrete Präventivmaßnahmen aufgrund der steigenden Terrorgefahr speziell in Hinsicht auf die anstehende Europameisterschaft in Deutschland?
Trotz eines abstrakten Gefährdungsniveaus liegen den Sicherheitsbehörden gegenwärtig keine konkreten Erkenntnisse aus den unterschiedlichen Phänomenbereichen der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) vor, die auf eine konkrete Gefährdung der UEFA EURO 2024 hindeuten.
Die Sicherheitsbehörden aktualisieren und bewerten grundsätzlich ihre Erkenntnisse fortwährend und stehen diesbezüglich in einem engen Austausch miteinander. Aktuelle Entwicklungen und Erkenntnisse, die Auswirkungen auf die Sicherheit von Großereignissen, wie z. B. die UEFA EURO 2024 haben könnten, fließen regelmäßig in die Bewertung der
diesbezüglichen Sicherheitslage ein. Zur UEFA EURO 2024 wurde die bereits bestehende nationale sowie internationale Zusammenarbeit mit Sicherheits- und Justizbehörden nochmals deutlich vertieft.
Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz stellt sich im Rahmen einer lageangepassten Sonderorganisation mit umfangreichem Personalansatz zur Bewältigung der UEFA EURO 2024 in Deutschland auf. Damit einhergehend wurde bereits die sicherheitsbehördliche Zusammenarbeit mit besonderem Blick auf mögliche Gefahrensachverhalte im Kontext dieses sportlichen Großereignisses weiter kanalisiert. Hierdurch soll eine schnelle Informationsweitergabe unter Berücksichtigung der rechtlichen Möglichkeiten gewährleistet werden.