Kleine Anfrage 1793
der Abgeordneten Markus Wagner und Christian Loose AfD
Stirbt der Handel, stirbt die Stadt – Wie viele Geschäfte schließen in Nordrhein-Westfalen für immer?
Vorbemerkung der Kleinen Anfrage
„Die Zahl der Läden in Deutschland schrumpft schon seit einiger Zeit. Besonders stark war der Rückgang in den von der Corona-Pandemie geprägten Jahren 2020 bis 2022, als die Zahl der Geschäfte pro Jahr um 11.000 zurückging. Doch auch in den Vorkrisenjahren 2015 bis 2019 machten jährlich durchschnittlich 5.000 Läden dicht.“1
Die allermeisten Innenstädte in Deutschland sind einer Veränderung ausgesetzt, die zum einen auf ein verändertes Kaufverhalten der Bürger, zum anderen auf politische Maßnahmen sowie Entscheidungen zurückzuführen ist. Das Ergebnis ist jedoch in der Regel überall dasselbe: Sie sterben aus.
Aber auch aufgrund „der sinkenden Kaufkraft und der gestiegenen Kosten“ schließen Geschäfte, und so „dürften 2023 weitere 9.000 Geschäfte für immer schließen, prognostiziert der Handelsverband“.2 Diese Entwicklung wiederum führt zu einem weiteren Grund, warum noch bestehende Geschäfte geschlossen werden: Die „zunehmenden Leerstände in vielen Innenstädten machten Standorte unattraktiver“ und gefährden somit weitere Unternehmen.3
Seit 2015 hat sich die Anzahl an Geschäften, abgesehen von Kleinstbetrieben, bundesweit laut Handelsverband Deutschland von fast 373.000 auf noch 311.000 verringert. Insbesondere kleinere Fachhändler abseits des Lebensmittelhandels seien vom Ladensterben betroffen. Daher warnte HDE-Präsident A. von Preen eindringlich, dass Stadtzentren ohne einen erfolgreichen Einzelhandel kaum Zukunftsperspektiven haben. Gleichzeitig machte sich für eine Gründungsoffensive stark:
„Unbürokratische und schnelle Genehmigungsprozesse für Umbauten und Umwidmungen müssen ganz oben auf die Prioritätenliste.“4
Darüber hinaus bräuchten Neuansiedlungen und Gründungen optimale Bedingungen. Dabei könne der Einsatz von Ansiedlungsmanagern in den Kommunen eine wichtige Rolle spielen. Sollte keine schnelle Möglichkeit gefunden werden, vorhandene Geschäfte vor einer Schließung zu bewahren, drohe ansonsten „eine Kettenreaktion mit noch mehr Leerständen und einer Spirale nach unten“, so Preen.5
Vor allem politische Entscheidungen nach Ausbruch von Covid 19 führten dazu, dass viele Geschäftsaufgaben zu verzeichnen waren. Insbesondere die landesweit verhängten Lock-downs, die von Anfang an kritisiert wurden, führten dazu, dass der ohnehin angeschlagene Einzelhandel viele Geschäftsaufgaben zu beklagen hatte. Neue Studienergebnisse, wie die von Forschern der Johns-Hopkins-Universität in den USA, legen nahe, dass die Kritiker dieser politischen Maßnahmen Recht hatten. Die ersten Komplett-Lockdowns haben in Europa wie auch in den USA so gut wie keine Leben gerettet.
„Nur 0,3 Prozent weniger Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 sind der Studie zufolge den Lockdowns und totalen Kontaktbeschränkungen zu verdanken.“6
Insofern sieht die Schlussfolgerung der Forscher wie folgt aus:
„Abriegelungsmaßnahmen sind unbegründet und sollten als pandemiepolitisches Instrument abgeschafft werden.“7
Die Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie hat die Kleine Anfrage 1793 mit Schreiben vom 6. Juni 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales und der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung beantwortet.
- Wie viele Ladengeschäfte mussten seit 2015 bis heute in Nordrhein-Westfalen schließen? (Bitte die Anzahl der Mitarbeiter und Quadratmeter der Ladenfläche aufschlüsseln.)
Hierzu liegen der Landesregierung keine Daten vor.
- Welche Städte in Nordrhein-Westfalen sind seit 2015 bis heute besonders von Geschäftsaufgaben betroffen? (Bitte nach Einzelbetrieben, Filialbetrieben, etc. aufschlüsseln.)
Hierzu liegen der Landesregierung keine Daten vor.
- Wie viele neue Geschäfte wurden seit 2015 in Nordrhein-Westfalen eröffnet? (Bitte nach Einzelbetrieben, Filialbetrieben etc. aufschlüsseln.)
Hierzu liegen der Landesregierung keine Daten vor.
- Mehrere Studien haben erwiesen, dass die von der Regierung verhängten Lock-downs nahezu wirkungslos waren und mit dazu führten, dass Existenzen vernichtet wurden. In welcher Form will sich die nordrhein-Westfälische Landesregierung wann bei allen Geschädigten entschuldigen?
Lockdowns sollen die Anzahl der Kontakte zwischen Einzelpersonen reduzieren und damit das Übertragungsrisiko von Infektionskrankheiten mindern. Im Allgemeinen wird ein Lockdown als ein Bündel von unterschiedlichen Maßnahmen von Kontaktbeschränkung verstanden – eine einheitliche Definition gibt es nicht. Der Einsatz des Maßnahmenbündels in Deutschland entspricht dem in Infektionskontrollen üblichen Vorgehen, das auch von der WHO mit Kontakt-und Bewegungsbeschränkungen für die Bevölkerung empfohlen wird. Allein aufgrund der biologischen und physikalischen Plausibilität gibt es keinen Zweifel, dass die Reduktion enger physischer Kontakte zur Reduktion von Infektionen führt. Gerade zu Beginn einer Pandemie kann es sinnvoll sein, die Übertragung in der Bevölkerung soweit es geht zu reduzieren und den Gesundheitssystemen den dringend benötigten Handlungsspielraum zu verschaffen.
Die zitierten Studien fokussieren auf den möglichen Einfluss von Lockdown-Maßnahmen bzw. der Strenge von Maßnahmen während der Coronapandemie auf die Anzahl der Menschen, die in Zusammenhang mit Corona gestorben sind. Insbesondere die Ergebnisse der erwähnten Übersichtsarbeit von drei Ökonomen (Herby et al.), die auf der Seite des Johns Hopkins Institute for Applied Economics veröffentlicht wurde, werden häufig so interpretiert, dass die staatlich verordneten Maßnahmen während der Pandemie kaum oder keinen Einfluss auf die Zahl der Menschen, die in Zusammenhang mit Corona gestorben sind, haben. Jedoch ist bei der Interpretation zu beachten, dass viele Fachexpertinnen und Fachexperten eine Anzahl an wissenschaftlichen Limitationen beschreiben, die bei der Interpretation der Ergebnisse zu berücksichtigen sind. Beispielsweise wurden sehr heterogene Studien einbezogen und die Gewichtung der herangezogenen Studien in der Übersichtsarbeit ist nicht eindeutig nachvollziehbar, was das Ergebnis stark beeinflussen kann. Als Lockdown wird die Einführung von mindestens einer obligatorischen, nicht-pharmazeutischen Maßnahme gewertet – die Studienergebnisse beziehen sich jedoch auf alle staatlichen Maßnahmen zum Lockdown insgesamt. Einzelnen Regelungen hingegen wird auch in der Übersichtsarbeit ein deutlicher Effekt hinsichtlich der Todeszahlen zugeschrieben – etwa dem Maskentragen oder geschlossenen Restaurants und Bars. Zudem zielten die Corona-Maßnahmen in Deutschland nicht nur auf die Vermeidung von Todesfällen durch SARS-CoV-2, sondern auch auf das Verhindern von Infektionen, schweren Erkrankungen und einer Überlastung des Gesundheits- und Pflegesystems. Diesbezüglich liefern die zitierten Studien keine Einschätzung.
Allgemein ist festzuhalten, dass die derzeit vorliegenden Studien noch kein abschließendes Urteil darüber zulassen, ob und welche Maßnahmen(-pakete) wie stark und zuverlässig wirken. Folglich liefern alle neuen Studienergebnisse einen Beitrag zu einer hoch relevanten Frage, zu der bislang noch kein wissenschaftlicher Konsens besteht.
- Wie hat sich die Selbstständigenquote seit 2015 bis heute in Nordrhein-Westfalen entwickelt? (Bitte nach Solobeschäftigten und solchen mit Mitarbeitern nach Anzahl der Mitarbeiter aufschlüsseln.)
Jahr | ohne Beschäftigte | mit Beschäftigten | Insgesamt* |
2015 | 5,1 | 4,7 | 9,8 |
2016 | 5,0 | 4,6 | 9,5 |
2017 | 5,0 | 4,4 | 9,4 |
2018 | 4,7 | 4,1 | 8,9 |
2019 | 4,4 | 4,3 | 8,7 |
2020 | 4,3 | 3,7 8,0 | |
2021 | 3,8 | 4,3 | 8,1 |
2022** | 3,8 | 4,4 | 8,2 |
* Rundungsdifferenz möglich.
** vorläufige Ergebnisse.
Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus, verschiedene Jahrgänge, Berechnung des IfM Bonn.
(Ab Berichtsjahr 2020 technische und methodische Umstellungen im Mikrozensus)
1 Vgl. https://www.welt.de/wirtschaft/article244963922/Innenstaedte-Ladensterben-geht-weiter.html.
2 Ebenda.
3 Ebenda.
4 Ebenda.
5 Ebenda.
7 Ebenda.