Suchterkrankungen im Zuge der Corona-Pandemie

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 274
des Abgeordneten Dr. Martin Vincentz vom 03.08.2022

 

Suchterkrankungen im Zuge der Corona-Pandemie

Die Corona-Pandemie und die Maßnahmen zu deren Bekämpfung haben Folgen mit sich gebracht, deren Aufarbeitung sich noch im vollen Gange befindet. Die Auswirkungen lassen sich demnach noch nicht in Gänze erfassen, jedoch gewähren Teilaspekte unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens einen partiellen Einblick in das, was sich in unserem Land verändert hat. So ließ sich während der Pandemie beispielsweise ein Anstieg von psychischen Erkrankungen verzeichnen – insbesondere bei Kinder und Jugendlichen1 – sowie eine erhöhte Neigung zum Zigaretten- und Alkoholkonsum2. Wenngleich ein kausaler Zusammenhang zwischen einem verschlechterten psychischen Zustand und Alkoholkonsum3 (bis hin zum Suchtverhalten) naheliegend erscheint, werfen andere Phänomene noch Fragen auf, die es zu vertiefen gilt.

Aufgrund des Coronalockdowns und der damit bedingten Schließung von Nachtklubs und Tanzlokalen verzeichnete man in Europa einen allgemeinen Rückgang beim Konsum von Drogen4. Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDD) legte in ihrem aktuellen Bericht vor, dass der Drogenkonsum jetzt jedoch wieder auf das Niveau der Vor-Pandemie-Zeit gestiegen ist5. Insbesondere wird ein erhöhter Konsum von Cannabis, Kokain, Amphetaminen und Methamphetaminen registriert6 – allesamt illegale Drogen.

Welche Auswirkungen die Pandemie und die Maßnahmen zu deren Bekämpfung auf Suchterkrankungen von Menschen in Nordrhein-Westfalen haben, muss erörtert werden. Für eine umfassendere Bewertung der Sachlage ist auch die Einbeziehung des Konsums legaler Drogen in die Analyse unabdingbar. Nur so lassen sich klarere Rückschlüsse auf das bestehende Suchtverhalten als Ganzes ziehen und Dynamiken in der Wechselwirkung mit psychischen Erkrankungen deutlicher erkennen.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Suchtkranke wurden seit 2020 in NRW behandelt? (Bitte aufschlüsseln nach Suchtursache)
  2. Wie viele Konsumenten sind in Folge ihres Drogenkonsums seit 2020 gestorben? (Bitte aufschlüsseln nach Suchtursache)
  3. Wie viele Konsumenten legaler Suchtmittel waren seit 2020 in ärztlicher Behandlung?
  4. Wie hoch sind die jährlichen Kosten durch legale Suchtmittel seit 2020 für NRW?
  5. Beabsichtigt die Landesregierung aufgrund der Entwicklungen seit 2020 neue Anstrengungen im Bereich der Prävention und der Beratung zu unternehmen?

Dr. Martin Vincentz
Andreas Keith

 

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1Siehe Aerzteblatt.de, „Studie: Stress und psychische Probleme haben in der Pandemie zugenommen“ (https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/123573/Studien-Stress-und-psychische-Probleme-haben-in-der-Pandemie-zugenommen), Zugriff vom 06.07.2022

2 Siehe Aerzteblatt.de, „Alkohol und Rauchen: Die Covid-19-Pandemie als idealer Nährboden für Süchte“ (https://www.aerzteblatt.de/archiv/214451/Alkohol-und-Rauchen-Die-COVID-19-Pandemie-als-idealer-Naehrboden-fuer-Suechte), Zugriff vom 06.07.2022

3 Siehe Aerzteblatt.de, „SARS-Cov-2: Pandemie mit Einfluss auf Alkoholkonsum“ (https://www.aerzteblatt.de/archiv/219587/SARS-CoV-2-Pandemie-mit-Einfluss-auf-Alkoholkonsum), Zugriff vom 06.07.2022

4 Siehe Aerzteblatt.de, „Drogenkonsum in Europa nach Rückgang auf Vor-Pandemie-Niveau“ (https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/135123/Drogenkonsum-in-Europa-nach-Rueckgang-auf-Vor-Pandemie-Niveau), Zugriff vom 06.07.2022

5 Siehe Europäischer Drogenbericht, Trends und Entwicklungen, 14.06.2022 (https://www.emcdda.europa.eu/system/files/publications/14644/2022.2419_DE_02_wm.pdf)

6 Siehe ebd.


Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 274 mit Schreiben vom 1. September 2022 namens der Landesregierung beantwortet.

  1. Wie viele Suchtkranke wurden seit 2020 in NRW behandelt? (Bitte aufschlüsseln nach Suchtursache)

Behandlungen aufgrund einer Suchterkrankung finden sowohl in der Akutversorgung als auch im Bereich der Rehabilitation statt und können ambulant, teilstationär oder stationär durch unterschiedliche Leistungserbringer erbracht werden.

Die Behandlungsdaten werden nicht durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales erfasst, sondern von den jeweils verantwortlichen Datenhaltern (Kliniken, Sozial-versicherungsträgern, Kassenärztlichen Vereinigungen etc.) und können damit in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht ermittelt werden.

  1. Wie viele Konsumenten sind in Folge ihres Drogenkonsums seit 2020 gestorben? (Bitte aufschlüsseln nach Suchtursache)
  2. Wie viele Konsumenten legaler Suchtmittel waren seit 2020 in ärztlicher Behandlung?

Die Fragen 2 und 3 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet:

Nach der Statistik des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen zur Rauschgiftkriminalität, in der auch die Anzahl der Rauschgifttodesfälle erfasst wird, sind im Jahr 2020 401 Menschen durch den Konsum illegaler Drogen verstorben. Im Jahr 2021 wurden 693 drogenbedingte Todesfälle durch das Landeskriminalamt registriert.

Laut Angaben von IT.NRW sind im Jahr 2020 aufgrund von übermäßigem Alkoholkonsum 2.547 Menschen gestorben (https://www.it.nrw/nrw-117-prozent-mehr-todesfaelle-durch-drogenkonsum-im-jahr-2020-108033). Weitere Zahlen zu an legalen Suchtmitteln verstorbenen Personen liegen der Landesregierung für Nordrhein-Westfalen nicht vor.

Zu den Ursachen für die den Todesfällen zugrundeliegenden Suchterkrankungen liegen der Landesregierung keine Daten vor, da Suchtursachen nicht systematisch erfasst werden.

Es erfolgt keine systematische Erfassung, wie viele Menschen, die sich in Nordrhein-Westfalen in ärztliche Behandlung begeben, legale Suchtmittel konsumieren.

  1. Wie hoch sind die jährlichen Kosten durch legale Suchtmittel seit 2020 für NRW?

Der Landesregierung liegen zu diesen Kosten keine Daten für Nordrhein-Westfalen vor.

  1. Beabsichtigt die Landesregierung aufgrund der Entwicklungen seit 2020, neue Anstrengungen im Bereich der Prävention und der Beratung zu unternehmen?

Das Land Nordrhein-Westfalen verfügt über gute und flächendeckende Strukturen der Suchtprävention und -beratung. Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales steht über die Suchtkooperation NRW im ständigen Austausch mit den Akteurinnen und Akteuren der Suchthilfe, Suchtselbsthilfe und Suchtprävention in Nordrhein-Westfalen. Dadurch ist eine fortlaufende Anpassung der Sucht- und Drogenpolitik an aktuelle Herausforderungen gewährleistet.

Zu dieser Anpassung gehört auch, mögliche vorhandene Strukturen und Angebote sowie die Stärkung kultursensibler, zielgruppenbezogener Präventionsangebote, insbesondere auch Initiativen und Maßnahmen zur Schadensminderung, weiterzuentwickeln.

 

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