Syrer, Iraker und Algerier: Neue Clanstrukturen in Nordrhein-Westfalen?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 262
der Abgeordneten Andreas Keith, Enxhi Seli-Zacharias und Markus Wagner vom 02.08.2022

 

Syrer, Iraker und Algerier: Neue Clanstrukturen in Nordrhein-Westfalen?

Bereits das erste LKA-Lagebild zur Clankriminalität warnte 2018 davor, dass sich die inzwi­schen alteingesessenen türkisch-arabischstämmigen Clanstrukturen mit neuen und gefähr­lichen Konkurrenten konfrontiert sehen. Diese Gruppierungen, die im Clanmilieu als besonders durchsetzungsstark und gewalttätig wahrgenommen werden, rekrutieren sich demnach insbesondere aus syrischen und irakischen Migranten, die teils über aktuelle Kriegserfah­rungen verfügen.1

Mindestens die Kreispolizeibehörden Essen, Dortmund und Duisburg konnten in der Vergan­genheit auf der Grundlage von Auswertungen und Ermittlungen über „regionale Verteilungs­konflikte im kriminellen Milieu zwischen türkisch-arabischen Clans und konkurrierenden Gruppen, unter anderem aus Syrien oder dem Irak, hauptsächlich im Bereich der Rauschgiftkriminalität2 berichten. In Essen fürchtet die Polizei laut Medienberichten aus dem Frühjahr 2022 einen Zusammenstoß zwischen Libanesenclans und einem neuen Syrerclan.3

Auch in der Bundeshauptstadt scheinen sich vergleichbare Entwicklungen im dortigen Clan-milieu zu vollziehen. Laut Medienberichterstattung musste die Berliner Polizei mit einem Schlag gegen einen aufstrebenden Algerierclan vorgehen, der inzwischen über eigene, funktionierende und zudem wachsende Strukturen verfüge.4

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Clanstrukturen oder clanähnliche, auf kriminellen Märkten operierende Personenzusammenschlüsse, die sich beispielsweise aus syrischen und irakischen Zuwanderern teils mit aktuellen Kriegserfahrungen (vgl. dazu LKA NRW (2019): Clankriminalität Lagebild NRW 2018, Düsseldorf, S. 24 Abs. 4) rekrutieren und dezidiert nicht den Strukturen krimineller Angehöriger türkisch-libanesischstämmiger Clanfamilien mit Mahallmyie-Bezug zuzurechnen sind, sind der Landesregierung landesweit bekannt?
  2. Wie viele (gewalttätige) Konflikte zwischen kriminellen Angehörigen türkisch-libanesischstämmiger Clanfamilien mit Mahallmyie-Bezug und Personengruppen anderer ethnischer Herkunft sind der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen bis zum Zeitpunkt der Anfrage bekannt geworden?
  3. Kann die Landesregierung einen Kausalzusammenhang zwischen massenhafter Zuwanderung aus dem arabischen Raum und der Genese neuer Clanstrukturen erkennen?
  4. Wie bewertet die Landesregierung die sich abzeichnende Entwicklung aus migrations-und sicherheitspolitischer Perspektive?
  5. Wie beabsichtigt die Landesregierung die Implementierung einer gesonderten statistischen Erfassung von Rückführungen von kriminellen Clanangehörigen mit ausländischer Staatsangehörigkeit zu realisieren?

Andreas Keith
Enxhi Seli-Zacharias
Markus Wagner

 

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1 Vgl. Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) (2019): Clankriminalität Lagebild 2018, Düsseldorf, S. 24.

2 Vgl. Drs. 17/12859, S. 2.

3 Vgl. Der Westen (2022): Clans in Essen: Droht Zusammenstoß zwischen Libanesen und Syrern? – „Phänomen für sich“; online im Internet: https://www.derwesten.de/staedte/essen/clans-essen-news-nrw-polizei-reul-syrer-libanesen-kriminalitaet-id234614049.html.

4 Vgl. Bild (2022): Rückschlag für aufstrebenden Algerier-Clan; online im Internet: https://www.bild.de/regional/berlin/berlin-aktuell/nach-razzia-in-berlin-polizei-verpasst-aufstrebendem-clan-tiefschlag-80774500.bild.html. 


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 262 mit Schreiben vom 29. August 2022 im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration namens der Landesregierung beantwortet.

  1. Wie viele Clanstrukturen oder clanähnliche, auf kriminellen Märkten operierende Personenzusammenschlüsse, die sich beispielsweise aus syrischen und irakischen Zuwanderern teils mit aktuellen Kriegserfahrungen (vgl. dazu LKA NRW (2019): Clankriminalität Lagebild NRW 2018, Düsseldorf, S. 24 Abs. 4) rekrutieren und dezidiert nicht den Strukturen krimineller Angehöriger türkisch-libanesischstämmiger Clanfamilien mit Mahallmyie-Bezug zuzurechnen sind, sind der Landesregierung landesweit bekannt?

Statistische Erhebungen im Sinne der Fragestellung liegen nicht vor.

  1. Wie viele (gewalttätige) Konflikte zwischen kriminellen Angehörigen türkisch-libanesischstämmiger Clanfamilien mit Mahallmyie-Bezug und Personengruppen anderer ethnischer Herkunft sind der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen bis zum Zeitpunkt der Anfrage bekannt geworden?

Statistische Erhebungen im Sinne der Fragestellung liegen nicht vor.

  1. Kann die Landesregierung einen Kausalzusammenhang zwischen massenhafter Zuwanderung aus dem arabischen Raum und der Genese neuer Clanstrukturen erkennen?
  2. Wie bewertet die Landesregierung die sich abzeichnende Entwicklung aus migrations- und sicherheitspolitischer Perspektive?

Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Die den Fragestellungen zugrundeliegenden Prämissen werden von der Landesregierung nicht geteilt.

  1. Wie beabsichtigt die Landesregierung die Implementierung einer gesonderten statistischen Erfassung von Rückführungen von kriminellen Clanangehörigen mit ausländischer Staatsangehörigkeit zu realisieren?

Im Rahmen des durch das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration etablierten Fallmanagements Nordrhein-Westfalen wird die Zusammenarbeit mit dem Ministerium des Innern sowie dem Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen im Rahmen einer erweiterten Sicherheitskooperation mit dem Fokus auf ausländische Mehrfach- und Intensivtäter sowie organisierte kriminelle Strukturen kontinuierlich ausgebaut.

Neben diesem operativen Handlungsansatz ist die Implementierung einer gesonderten statistischen Erfassung von Rückführungen von straffälligen Clanangehörigen mit ausländischer Staatsangehörigkeit derzeit nicht vorgesehen.

 

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