Terroristische Gefährder und relevante Personen in Nordrhein-Westfalen im ersten Halbjahr 2023 – Nachfrage

Kleine Anfrage
vom 29.04.2024

Kleine Anfrage 3776

der Abgeordneten Markus Wagner und Enxhi Seli-Zacharias AfD

Terroristische Gefährder und relevante Personen in Nordrhein-Westfalen im ersten Halbjahr 2023 Nachfrage

Mit Antwort der Landesregierung vom 18. Oktober 2023, Drucksache 18/6406, auf unsere Kleine Anfrage vom 14. September 2023, Drucksache 18/5945, wurde Frage 1

„Wie viele Personen sind in Nordrhein-Westfalen im ersten Halbjahr 2023 als Gefährder und als relevante Person bekannt? (Bitte nach PMK-Bereich aufschlüsseln.)“1

folgendermaßen beantwortet:

„Die entsprechenden Zahlen für Nordrhein-Westfalen werden quartalsweise erhoben. Mit Stand vom 25.09.2023 sind Gefährder und Relevante Personen in Nordrhein-Westfalen in den jeweiligen Phänomenbereichen der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) wie folgt erfasst:

Gefährder Relevante Personen
PMK-Religiöse Ideologie 186 192
PMK-Rechts 15 32
PMK-Links 0 10
PMK-Ausländische
Ideologie
7 15
PMK-Sonstige Zuordnung 5 2
Gesamt 213 2512

 

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Welchen Alterskohorten (0 – 13, 14 – 17, 18 – 20 und ab 21) gehören die insgesamt 213 Gefährder respektive die 251 Relevanten Personen an? (Bitte entsprechend der Klammer aufschlüsseln.)
  2. Welches Geschlecht haben die insgesamt 213 Gefährder respektive die 251 Relevanten Personen?
  3. Über welche Staatsbürgerschaften verfügen die insgesamt 213 Gefährder respektive die 251 Relevanten Personen?
  4. Wie viele der insgesamt 213 Gefährder respektive der 251 Relevanten Personen verfügen über eine Mehrfachstaatsangehörigkeit?
  5. Wie lauten die Vornamen der insgesamt 213 Gefährder respektive der 251 Relevanten Personen?

Markus Wagner

Enxhi Seli-Zacharias

 

MMD18-9071

 

1 Antwort der Landesregierung vom 18. Oktober 2023, Drs. 18/6406, S. 1.

2 Ebenda.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 3776 mit Schreiben vom 19. Juli 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleich­stellung, Flucht und Integration beantwortet.

  1. Welchen Alterskohorten (0-13, 14-17, 18-20 und ab 21) gehören die insgesamt 213 Gefährder respektive die 251 Relevanten Personen an? (Bitte entsprechend der Klammer aufschlüsseln.)

Die Antwort entnehmen Sie bitte den nachstehenden Tabellen.
PMK – Religiöse Ideologie

Alterskohorte Gefährder Relevante Personen
0 bis 13 J. 0 0
14 bis 17 J. 2 3
18 bis 20 J. 9 13
ab 21 J. 175 176
Gesamt 186 192

 

PMK – Rechts

Alterskohorte Gefährder Relevante Personen
0 bis 13 J. 0 0
14 bis 17 J. 1 0
18 bis 20 J. 1 1
ab 21 J. 13 31
Gesamt 15 32

 

PMK – Links

Alterskohorte Gefährder Relevante Personen
0 bis 13 J. 0 0
14 bis 17 J. 0 0
18 bis 20 J. 0 1
ab 21 J. 0 9
Gesamt 0 10

 

PMK – Ausländische Ideologie

Alterskohorte Gefährder Relevante Personen
0 bis 13 J. 0 0
14 bis 17 J. 0 0
18 bis 20 J. 0 1
ab 21 J. 7 14
Gesamt 7 15

 

PMK – Sonstige Zuordnun

Alterskohorte Gefährder Relevante Personen
0 bis 13 J. 0 0
14 bis 17 J. 0 0
18 bis 20 J. 0 0
ab 21 J. 5 2
Gesamt 5 2

 

  1. Welches Geschlecht haben die insgesamt 213 Gefährder respektive die 251 Relevanten Personen?

Die Antwort entnehmen Sie bitte der nachstehenden Tabelle.

Geschlecht Gefährder Relevante Personen
männlich 186 182
weiblich 27 69
Gesamt 213 251

 

  1. Über welche Staatsbürgerschaften verfügen die insgesamt 213 Gefährder respek­tive die 251 Relevanten Personen?

Die Aufschlüsselung nach Staatsbürgerschaften entnehmen Sie bitte der nachfolgenden Ta­belle.

Staatsangehörigkeit Gefährder Relevante Personen
Afghanistan 1
Algerien 1
Bosnien und Herzegowina 1 1
Bulgarien 1
Deutschland 147 163
Georgien 1
Griechenland 1
Irak 5 1
Iran 3 2
Italien 2
Jordanien 2
Kirgisistan 1
Kosovo 3
Kroatien 1
Libanon 3
Marokko 2 2
Mazedonien 1
Moldau 1
Russische Föderation 3 12
Serbien 1 2
Somalia 1
Spanien 1
staatenlos 1
Syrien 17 14
Tadschikistan 9 10
Togo 1
Tunesien 4 3
Türkei 9 24
Turkmenistan 1
Ukraine 1 3
Ungarn 1
Gesamt 213 251

 

  1. Wie viele der insgesamt 213 Gefährder respektive der 251 Relevanten Personen verfügen über eine Mehrfachstaatsangehörigkeit?

Von den 213 Gefährdern verfügen 55 und von den 251 Relevanten Personen 49 Personen über eine weitere Staatsangehörigkeit.

  1. Wie lauten die Vornamen der insgesamt 213 Gefährder respektive der 251 Rele­vanten Personen?

Aus dem parlamentarischen Fragerecht folgt grundsätzlich eine entsprechende Auskunfts­pflicht der Exekutive. Soweit der Bereich der parlamentarischen Kontrolle eröffnet ist, sind eventuelle Einschränkungen der Beantwortung rechtfertigungsbedürftig.

Das parlamentarische Fragerecht ist nicht schrankenlos gewährt. Insbesondere kann das Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl) zu einer Einschränkung des parlamentari­schen Fragerechts führen, z. B. soweit es durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürfti-ger Informationen gefährdet wird (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 20. April 2021 – VerfGH 177/20 – juris Rn. 189; Urteil vom 14. Juli 2020 – VerfGH 6/20, juris, Rn. 154 m. w. N.). Das Staatswohl in diesem Sinn umfasst auch die Verantwortung der Exekutive für den Schutz der öffentlichen Sicherheit.

Die Nennung der Vornamen kann nicht erfolgen, weil damit eine Beeinträchtigung des Staats­wohls in Form der Aufgabenerfüllung der Polizei zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit verbunden wäre, welche hier das parlamentarische Informationsinteresse über­wiegt.

Unabhängig von den Vorfeldbefugnissen des Verfassungsschutzes erlaubt das Polizeigesetz, offene und verdeckte Maßnahmen gegen Störer bzw. potentielle Störer zu treffen, die in der im Gesetz beschriebenen Weise Anlass für die begründete Einschätzung der zuständigen Po­lizeibehörde geben, extremistisch motivierte schwere Straftaten begehen zu können. Das Po­lizeigesetz erlaubt auch, über derartige gefährliche Personen im Wege der zulässigen Spei­cherung der Daten ein landesweites polizeiliches Wissensmanagement anzulegen. Diese Speicherung wird nach den datenschutzrechtlichen Vorschriften nicht offengelegt, um den Er­folg präventiv-polizeilicher Gefahrenabwehrmaßnahmen nicht zu gefährden.

Die mit einer Beantwortung der Frage einhergehende Veröffentlichung von Vornamen aus den insoweit rechtmäßig gespeicherten Daten wäre als verfassungsrechtlich nicht vorgesehene bzw. untersagte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit anzusehen, und zwar aus folgenden Erwägungen:

Vor allem in den Fällen nicht offen ermittelnder Ermittlungskommissionen der Staatsschutz-dienststellen ist der Personenkreis, der über die Einstufung der Person Kenntnis erhält, auf ein zwingend dienstlich erforderliches Maß zu beschränken, um den Erfolg der Einsatzmaß­nahmen nicht zu gefährden.

Die Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht konkret darin, dass der Personenkreis der Gefährder und Relevanten Personen sein Verhalten maßgeblich zuungunsten polizeilicher Er­mittlungstätigkeiten insbesondere im Bereich der Gefahrenabwehr bewusst verändern würde.

 

Hierdurch wird das Risiko insoweit erhöht, dass diese entweder aufgrund der Nennung ihres Vornamens zukünftig zunehmend konspirativer agieren oder, im Falle der Nichtnennung ihres Vornamens, ihr etwaiger Tatenschluss weiter geschärft wird.

1.
Bei der ersten Fallgruppe besteht die Gefahr für die öffentliche Sicherheit zum einen durch eine eindeutige Identifizierbarkeit von konkreten Gefährdern oder Relevanten Personen an­hand der veröffentlichten Vornamen. Dies käme insbesondere in Betracht, wenn in einem Phä-nomenbereich, wie es insbesondere zum Beispiel in den Phänomenbereichen Rechts/Links/Ausländische Ideologie und Sonstige Zuordnung nicht ausgeschlossen werden kann, dass alle oder eine Vielzahl der betroffenen Personen sich untereinander bekannt sind und durch die Veröffentlichung der Vornamen bestätigt wird, dass die ganze bzw. Teile dieser Personengruppe als Gefährder bzw. Relevante Person eingestuft sind. Dies kann dazu führen, dass sich die Gesamtgruppierung der eingestuften Personen im Verhalten untereinander kon­spirativer verhält und somit Maßnahmen der Gefahrenabwehr wesentlich erschwert werden.

Letztlich muss es aber nicht zwingend zu einer eindeutigen Identifizierbarkeit kommen. Das Risiko einer Verhaltensveränderung in Form eines verstärkt konspirativen Agierens anlässlich der Veröffentlichung der Vornamen kann neben einer eindeutigen Identifizierbarkeit bereits dadurch erhöht werden, wenn eine Person nicht ausschließen kann, dass mit dem veröffent­lichten Vornamen sie selbst gemeint sein könnte. Dies gilt insbesondere für den Phänomen-bereich des Religiösen Extremismus. Hier ist davon auszugehen, dass sich die große Perso­nengruppe der Gefährder und Relevanten Personen nicht untereinander bekannt sind. Denn alleine eine solche Möglichkeit würde nahelegen, dass die betroffene Person aufgrund der Veröffentlichung des Vornamens ihr Verhalten zukünftig verändert, um hierdurch gezielt durch bewusst konspiratives Verhalten polizeilichen Maßnahmen zu entgehen.

Die Gründe gelten auch für den Fall, dass einzelne Personen ggfs. zum Beispiel aufgrund von Ansprachen durch die Polizei zu einzelnen Sachverhalten selbst schon nicht ausschließen, polizeilich beobachtet zu werden. Denn durch eine Veröffentlichung der Vornamen könnte diese Mutmaßung zusätzlich erhärtet werden.

2.
Bei der zweiten Fallgruppe besteht die Gefahr, dass Personen, die einschlägige Straftaten planen, aber noch nicht als Gefährder oder Relevante Person bei der Polizei eingestuft sind und ihr Vorname folglich nicht in einer Veröffentlichung aufgeführt ist, sich in ihrem gefähr­dungsrelevantem Verhalten oder in ihren Tatvorbereitungen bestärkt sehen könnten. Diese Personen können aus der Veröffentlichung ableiten, dass gegen sie keine, insbesondere ver­deckten polizeiliche Maßnahmen, als Gefährder oder Relevante Person durchgeführt werden. Dieser Umstand würde zu einer erheblichen Steigerung einer von diesen Personen ausgehen­den Gefahr für die öffentliche Sicherheit führen.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die vorgenannten Aspekte sich wesentlich von der listenmäßigen Nennung von Vornamen zur Beantwortung früherer parlamentarischer Anfra­gen unterscheiden. Eine listenmäßige Nennung der Vornamen ist insoweit bisher nur von Tat­verdächtigen im Zusammenhang mit offen geführten Ermittlungen erfolgt. Zudem unterbleibt die Nennung der Vornamen auch in diesen Fällen, wenn dadurch eine personenscharfe Zu­ordnung möglich wäre.

Die Gefahr einer Bekanntgabe kann aus Sicht des Ministeriums des Innern des Landes Nord­rhein-Westfalen auch nicht durch eine nicht-öffentliche Einsichtnahme gänzlich ausgeschlos­sen werden. Im Verhältnis dazu überwiegen ebenfalls die zuvor erläuterten gefahrenerhöhen­den Aspekte für die öffentliche Sicherheit.

 

MMD18-10074