Kleine Anfrage 3699
der Abgeordneten Markus Wagner und Enxhi Seli-Zacharias AfD
Terroristische Gefährder und relevante Personen in Nordrhein-Westfalen im ersten Halbjahr 2023 – Phänomenbereich PMK-Religiöse Ideologie
Mit Antwort der Landesregierung vom 18. Oktober 2023, Drucksache 18/6406, auf unsere Kleine Anfrage, die wir am 14. September 2023 gestellt hatten, Drucksache 18/5945, wurde Frage 2
„Über welchen aufenthaltsrechtlichen Status verfügen die in Frage 1 erfragten ausländischen Gefährder und relevanten Personen der jeweiligen Phänomenbereiche?“1
unter anderem wie folgt beantwortet:
„Von den mit Stand vom 25.09.2023 in Nordrhein-Westfalen 57 eingestuften ausländischen Gefährdern aus dem Phänomenbereich PMK-Religiöse Ideologie befinden sich sechs Personen im Ausland. Eine dieser Personen verfügt über einen Aufenthaltstitel in der Bundesrepublik Deutschland. Die übrigen fünf Personen verfügen über keinen Aufenthaltstitel in der Bundesrepublik Deutschland. Von den im Inland aufhältigen 51 ausländischen Gefährdern aus dem Phänomenbereich PMK-Religiöse Ideologie verfügen 19 über einen Aufenthaltstitel, zwei sind gemäß Freizügigkeitsgesetz/EU freizügigkeitsberechtigt und drei verfügen über eine Aufenthaltsgestattung.
27 ausländische Gefährder aus dem Phänomenbereich PMK-Religiöse Ideologie sind ausreisepflichtig. Eine Rückführung dieser Personen ist aktuell aus folgenden Gründen jedoch nicht möglich:
- bei zwei Personen wurde die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiären Schutzstatus zuerkannt
- bei elf Personen wurde ein Abschiebungsverbot festgestellt
- bei sechs Personen fehlt der Strafverzicht/das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft“2
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Welche Gründe liegen vor, dass beispielsweise zwei Personen, die dem Phänomenbereich PMK-Religiöse Ideologie zugerechnet werden und ausreisepflichtig sind, die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt wurde?
- Welche Gründe liegen vor, dass bei elf Personen ein Abschiebeverbot erteilt wurde, obwohl es sich um Gefährder handelt?
- Welche Gründe liegen vor, dass bei sechs Personen der Strafverzicht/das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft fehlt, obwohl es sich um Gefährder handelt?
- Wie verantwortet die Landesregierung den Umstand, dass sich hunderte Personen, die als Gefährder oder Relevante Personen gelten, weiterhin in Nordrhein-Westfalen aufhalten und somit eine besondere Gefahr für die Allgemeinheit darstellen?
Markus Wagner
Enxhi Seli-Zacharias
1 Antwort der Landesregierung vom 18. Oktober 2023, Drs. 18/6406, S. 2.
2 Ebenda.
Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 3699 mit Schreiben vom 27. Mai 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und dem Minister der Justiz beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Die Begriffe „Gefährder“ und „Relevante Personen“ entstammen der polizeifachlichen Terminologie und finden Anwendung im Bereich der politisch-motivierten Kriminalität (PMK). Die Begriffe sind durch Beschlüsse der Innenministerkonferenz bundeseinheitlich abgestimmt und definiert. Die Einstufung von Personen als „Gefährder“ oder „Relevante Personen“ werden durch die Polizeibehörden der Länder vorgenommen.
Die Einstufung allein löst keine Rechtsfolgen aus und stellt keine rechtliche Grundlage zur Ergreifung von Maßnahmen dar, sondern sie gibt vielmehr Anlass zur Prüfung der rechtlichen Grundlagen zur Ergreifung eben solcher Maßnahmen nach den Bestimmungen des Gefahren-abwehrrechtes.
Für das Aufenthaltsrecht entfaltet die Einstufung als solche also keine Relevanz. Für die Ausländerbehörden ist es daher auch nicht erforderlich, von der Einstufung einer Person als „Ge-fährder“ oder „Relevante Person“ Kenntnis zu erhalten. Allenfalls die der Einstufung zu Grunde liegenden Erkenntnisse können gegebenenfalls für aufenthaltsrechtliche Maßnahmen von Bedeutung sein. Ob allerdings diese Erkenntnisse der zuständigen Ausländerbehörde zur Verwendung im aufenthaltsrechtlichen Verfahren mitgeteilt werden können, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab und wird stets von den zuständigen Sicherheitsbehörden geprüft.
- Welche Gründe liegen vor, dass beispielsweise zwei Personen, die dem Phäno-menbereich PMK-Religiöse Ideologie zugerechnet werden und ausreisepflichtig sind, die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt wurde?
Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzes ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig.
- Welche Gründe liegen vor, dass bei elf Personen ein Abschiebeverbot erteilt wurde, obwohl es sich um Gefährder handelt?
Die Gefährdereinstufung als solche entfaltet aufenthaltsrechtlich keine Relevanz (s. Vorbemerkung). Aufgrund der stets zu schützenden Menschenrechte gilt dies insbesondere bei der – regelmäßig in Zuständigkeit des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge fallenden – Prüfung, ob ein Abschiebungsverbot vorliegt.
- Welche Gründe liegen vor, dass bei sechs Personen der Strafverzicht/das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft fehlt, obwohl es sich um Gefährder handelt?
Gemäß § 72 Abs. 4 S. 1 AufenthG darf eine ausländische Person, gegen die öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Diese Verfahrensregelung dient der Wahrung des staatlichen Strafverfolgungsinteresses.
Gemäß § 456a StPO kann die Vollstreckungsbehörde von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unter anderem dann absehen, wenn der Verurteilte aus dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes abgeschoben wird. Ob die Voraussetzungen insoweit vorliegen, prüft die Vollstreckungsbehörde anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls. Hierbei berücksichtigt sie insbesondere die verurteilte Tat, die in der Person des Verurteilten liegenden Gründe und inwieweit die (weitere) Vollstreckung zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten ist.
- Wie verantwortet die Landesregierung den Umstand, dass sich hunderte Personen, die als Gefährder oder Relevante Personen gelten, weiterhin in Nordrhein-Westfalen aufhalten und somit eine besondere Gefahr für die Allgemeinheit darstellen?
Die nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden gewährleisten einen fortwährenden Informationsaustausch mit den Bundes- und Landesbehörden im Kontext ausländerrechtlicher Maßnahmen gegen Gefährder und Relevante Personen. Überdies findet eine stetige Prüfung und Ausschöpfung der rechtlich zulässigen Maßnahmen gegen diese Personen statt. Sofern die rechtlichen Voraussetzungen für ausländerrechtliche – insbesondere aufenthaltsbeendende – Maßnahmen vorliegen, erfolgt die konsequente Umsetzung diesbezüglicher Maßnahmen in enger Abstimmung mit den hierfür zuständigen Behörden.