Terroristische Gefährder und relevante Personen in Nordrhein-Westfalen im ersten Halbjahr 2023 – Trotz Gefährdung keine Abschiebung

Kleine Anfrage
vom 16.04.2024

Kleine Anfrage 3698

der Abgeordneten Markus Wagner und Enxhi Seli-Zacharias AfD

Terroristische Gefährder und relevante Personen in Nordrhein-Westfalen im ersten Halbjahr 2023 Trotz Gefährdung keine Abschiebung

Mit Antwort der Landesregierung vom 18. Oktober 2023, Drucksache 18/6406, auf unsere Kleine Anfrage vom 14. September 2023, Drucksache 18/5945, erhielten wir auf Frage 2

„Über welchen aufenthaltsrechtlichen Status verfügen die in Frage 1 erfragten ausländischen Gefährder und relevanten Personen der jeweiligen Phänomenbereiche?“1

unter anderem folgende Antwort:

„27 ausländische Gefährder aus dem Phänomenbereich PMK-Religiöse Ideologie sind ausreisepflichtig. Eine Rückführung dieser Personen ist aktuell aus folgenden Gründen jedoch nicht möglich:

  • bei sechs Personen fehlt es an einem gültigen Reisedokument (Reisepass oder Passersatzpapier)
  • bei einer Person besteht ein rechtliches Ausreisehindernis (familiäre Bindungen)
  • bei einer Person ist die Ausreisefrist noch nicht abgelaufen

Von den mit Stand vom 25.09.2023 in Nordrhein-Westfalen sechs eingestuften ausländischen Gefährdern aus dem Phänomenbereich PMK-Ausländische Ideologie verfügen zwei über einen Aufenthaltstitel. Die übrigen vier Personen sind ausreisepflichtig. Sie können aktuell jedoch aus folgenden Gründen nicht zurückgeführt werden:

  • bei drei Personen wurde ein Abschiebungsverbot festgestellt
  • bei einer Person fehlt das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft“2

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Welche Gründe liegen vor, dass bei sechs Personen eine Abschiebung nicht durchgeführt wurde, nur weil es an einem gültigen Reisedokument (Reisepass oder Passersatzpapier) fehlte?
  2. Welche Gründe liegen vor, dass bei einer Person ein rechtliches Ausreisehindernis in Form einer familiären Bindung stärker gewichtet wird als der Umstand, dass es sich um einen Gefährder handelt?
  3. Welche Gründe liegen vor, dass bei einer Person die noch nicht abgelaufene Ausreisefrist stärker gewichtet wird, als der Umstand, dass es sich um einen Gefährder handelt?
  4. Welche Gründe liegen vor, dass bei drei Personen ein Abschiebungsverbot festgestellt wurde, obwohl sie als ausländische Gefährder dem Phänomenbereich PMK-Ausländische Ideologie zugeordnet wurden und somit ausreisepflichtig sind?
  5. Welche Gründe liegen vor, dass bei einer Person das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft fehlt, obwohl sie als ausländischer Gefährder dem Phänomenbereich PMK-Ausländische Ideologie zugeordnet wurde und somit ausreisepflichtig ist?

Markus Wagner

Enxhi Seli-Zacharias

 

MMD18-8909

 

1 Antwort der Landesregierung vom 18. Oktober 2023, Drs. 18/6406, S. 2.

2 Ebenda.


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 3698 mit Schreiben vom 24. Mai 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die Begriffe „Gefährder“ und „Relevante Personen“ entstammen der polizeifachlichen Terminologie und finden Anwendung im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität (PMK). Die Begriffe sind durch Beschlüsse der Innenministerkonferenz bundeseinheitlich abgestimmt und definiert. Die Einstufung von Personen als „Gefährder“ oder „Relevante Personen“ werden durch die Polizeibehörden der Länder vorgenommen.

Die Einstufung allein löst keine Rechtsfolgen aus und stellt keine rechtliche Grundlage zur Ergreifung von Maßnahmen dar, sondern sie gibt vielmehr Anlass zur Prüfung der rechtlichen Grundlagen zur Ergreifung eben solcher Maßnahmen nach den Bestimmungen des Gefahren-abwehrrechtes.

Für das Aufenthaltsrecht entfaltet die Einstufung als solche also keine Relevanz. Für die Aus­länderbehörden ist es daher auch nicht erforderlich, von der Einstufung einer Person als „Ge-fährder“ oder „Relevante Person“ Kenntnis zu erhalten. Allenfalls die der Einstufung zu Grunde liegenden Erkenntnisse können gegebenenfalls für aufenthaltsrechtliche Maßnahmen von Be­deutung sein. Ob allerdings diese Erkenntnisse der zuständigen Ausländerbehörde zur Ver­wendung im aufenthaltsrechtlichen Verfahren mitgeteilt werden können, hängt von den Um­ständen des jeweiligen Einzelfalls ab und wird stets von den zuständigen Sicherheitsbehörden geprüft.

  1. Welche Gründe liegen vor, dass bei sechs Personen eine Abschiebung nicht durchgeführt wurde, nur weil es an einem gültigen Reisedokument (Reisepass oder Passersatzpapier) fehlte?

Ohne gültiges Reisedokument ist eine Einreise in den Zielstaat und somit auch eine Rückfüh­rung nicht möglich.

  1. Welche Gründe liegen vor, dass bei einer Person ein rechtliches Ausreisehindernis in Form einer familiären Bindung stärker gewichtet wird als der Umstand, dass es sich um einen Gefährder handelt?
  2. Welche Gründe liegen vor, dass bei einer Person die noch nicht abgelaufene Ausreisefrist stärker gewichtet wird, als der Umstand, dass es sich um einen Gefährder handelt?
  3. Welche Gründe liegen vor, dass bei drei Personen ein Abschiebungsverbot festgestellt wurde, obwohl sie als ausländische Gefährder dem Phänomenbereich PMK-Ausländische Ideologie zugeordnet wurden und somit ausreisepflichtig sind?

Die Fragen 2, 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Die Gefährdereinstufung als solche entfaltet aufenthaltsrechtlich keine Relevanz. Werden Abschiebungshindernisse festgestellt, ist eine Rückführung nicht möglich. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen.

  1. Welche Gründe liegen vor, dass bei einer Person das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft fehlt, obwohl sie als ausländischer Gefährder dem Phänomenbereich PMK-Ausländische Ideologie zugeordnet wurde und somit ausreisepflichtig ist?

Die Gefährdereinstufung als solche entfaltet aufenthaltsrechtlich keine Relevanz (s. Vorbemerkung).

Im Übrigen darf gemäß § 72 Abs. 1 S. 1 AufenthG eine ausländische Person, gegen die öf­fentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben wer­den. Diese Verfahrensregelung dient der Wahrung des staatlichen Strafverfolgungsinteresses.

 

MMD18-9334