Kleine Anfrage 3697
der Abgeordneten Markus Wagner und Enxhi Seli-Zacharias AfD
Terroristische Gefährder und relevante Personen in Nordrhein-Westfalen im ersten Halbjahr 2023 – Wird die Landesregierung konsequenter agieren?
Mit Antwort der Landesregierung vom 18. Oktober 2023, Drucksache 18/6406, auf unsere Kleine Anfrage vom 14. September 2023, Drucksache 18/5945, wurde Frage 2
„Über welchen aufenthaltsrechtlichen Status verfügen die in Frage 1 erfragten ausländischen Gefährder und relevanten Personen der jeweiligen Phänomenbereiche?“1
unter anderem wie folgt beantwortet:
„Mit Stand vom 25.09.2023 ist in Nordrhein-Westfalen eine ausländische Person aus dem Phänomenbereich PMK-Rechts als Gefährder eingestuft. Die Person ist gemäß Freizügigkeitsgesetz/EU freizügigkeitsberechtigt.
Mit Stand vom 25.09.2023 ist in Nordrhein-Westfalen eine ausländische Person aus dem Phänomenbereich PMK-Sonstige Zuordnung als Gefährder eingestuft. Diese Person ist ausreisepflichtig. Eine Rückführung dieser Personen ist aktuell jedoch mangels eines gültigen Reisedokuments (Reisepass oder Passersatzpapier) nicht möglich.“2
Auf Frage 3
„Wie viele ausländische Gefährder und relevante Personen sowie andere sicherheitsrelevante Personen wurden im ersten Halbjahr 2023 insgesamt zurückgeführt? (Bitte das Land und die Nationalität der Personen nennen.)“3
erhielten wir folgende Antwort:
„Im ersten Halbjahr 2023 wurde ein ausländischer Gefährder mit tadschikischer Staatsangehörigkeit nach Tadschikistan zurückgeführt.
Ferner wurden im ersten Halbjahr 2023 zwei ausländische Relevante Personen zurückgeführt, davon
- eine Person in den Kosovo
- eine Person nach Aserbaidschan
Die Rückführung erfolgte jeweils in den Staat, dessen Staatsangehörigkeit die Personen besaßen.
Darüber hinaus wurden im ersten Halbjahr 2023 zwei sonstige ausländische sicherheitsrelevanten Personen zurückgeführt, davon
- eine Person nach Jordanien
- eine Person nach Polen
Bei der nach Polen im Rahmen einer Dublin-Überstellung zurückgeführten Person handelt es sich um einen tadschikischen Staatsangehörigen. Die übrige Person wurden im Rahmen einer Auslieferung in den Staat zurückgeführt, dessen Staatsangehörigkeit sie besaß.“
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Welche Gründe liegen vor, dass bei einer Person, die aus dem Phänomenbereich PMK-Rechts als Gefährder eingestuft ist, eine Abschiebung nicht durchgeführt wurde, nur weil sie gemäß Freizügigkeitsgesetz/EU freizügigkeitsberechtigt ist?
- Welche Gründe liegen vor, dass die Rückführung einer Person mangels eines gültigen Reisedokuments nicht möglich ist, obwohl es sich um einen Gefährder handelt?
- Bewertet die Landesregierung die Abschiebung von lediglich vier von insgesamt 464 Personen, die als Gefährder oder Relevante Personen gelten, als Erfolg oder Misserfolg?
- In welcher Form wird sich die Landesregierung ab sofort darum bemühen, mehr Gefährder sowie Relevante Personen abzuschieben?
Markus Wagner
Enxhi Seli-Zacharias
1 Antwort der Landesregierung vom 18. Oktober 2023, Drs. 18/6406, S. 2.
2 Ebenda.
3 Ebenda.
Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 3697 mit Schreiben vom 24. Mai 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Die Begriffe „Gefährder“ und „Relevante Personen“ entstammen der polizeifachlichen Terminologie und finden Anwendung im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität (PMK). Die Begriffe sind durch Beschlüsse der Innenministerkonferenz bundeseinheitlich abgestimmt und definiert. Die Einstufung von Personen als „Gefährder“ oder „Relevante Personen“ werden durch die Polizeibehörden der Länder vorgenommen.
Die Einstufung allein löst keine Rechtsfolgen aus und stellt keine rechtliche Grundlage zur Ergreifung von Maßnahmen dar, sondern sie gibt vielmehr Anlass zur Prüfung der rechtlichen Grundlagen zur Ergreifung eben solcher Maßnahmen nach den Bestimmungen des Gefahren-abwehrrechtes.
Für das Aufenthaltsrecht entfaltet die Einstufung als solche also keine Relevanz. Für die Ausländerbehörden ist es daher auch nicht erforderlich, von der Einstufung einer Person als „Ge-fährder“ oder „Relevante Person“ Kenntnis zu erhalten. Allenfalls die der Einstufung zu Grunde liegenden Erkenntnisse können gegebenenfalls für aufenthaltsrechtliche Maßnahmen von Bedeutung sein. Ob allerdings diese Erkenntnisse der zuständigen Ausländerbehörde zur Verwendung im aufenthaltsrechtlichen Verfahren mitgeteilt werden können, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab und wird stets von den zuständigen Sicherheitsbehörden geprüft.
- Welche Gründe liegen vor, dass bei einer Person, die aus dem Phänomenbereich PMK-Rechts als Gefährder eingestuft ist, eine Abschiebung nicht durchgeführt wurde, nur weil sie gemäß Freizügigkeitsgesetz/EU freizügigkeitsberechtigt ist?
Eine nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU freizügigkeitsberechtigte Person hält sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Sie ist daher nicht ausreisepflichtig, sodass eine Abschiebung unter diesen Voraussetzungen nicht in Betracht kommt.
- Welche Gründe liegen vor, dass die Rückführung einer Person mangels eines gültigen Reisedokuments nicht möglich ist, obwohl es sich um einen Gefährder handelt?
Die Gefährdereinstufung als solche entfaltet aufenthaltsrechtlich keine Relevanz (s. Vorbemerkung). Im Übrigen ist ohne gültiges Reisedokument eine Einreise in den Zielstaat und somit auch eine Rückführung nicht möglich.
- Bewertet die Landesregierung die Abschiebung von lediglich vier von insgesamt 464 Personen, die als Gefährder oder Relevante Personen gelten, als Erfolg oder Misserfolg?
Von den insgesamt 464 eingestuften Personen sind 311 deutsche Staatsangehörige. Wie bereits in der Antwort auf die Kleine Anfrage 2566 (Drucksache 18/6406) ausgeführt, befanden sich zudem mit Stand vom 25.09.2023 von den ausländischen Gefährdern und Relevanten Personen 18 im Ausland. Folglich kam bei dem deutlich überwiegenden Anteil der mit Stand vom 25.09.2023 eingestuften Personen eine Abschiebung nicht Betracht.
Jede Rückführung von ausländischen Personen aus dem extremistischen oder terroristischen Spektrum stellt einen wesentlichen Beitrag zur Gefahrenabwehr dar.
- In welcher Form wird sich die Landesregierung ab sofort darum bemühen, mehr Gefährder sowie Relevante Personen abzuschieben?
Für die Landesregierung hat die Abwehr von Gefahren, die von Personen aus dem extremistischen oder terroristischen Spektrum ausgehen, hohe Priorität. Für Personen, die nicht Deutsche i.S.v. Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes sind, bieten neben den Maßnahmen nach dem Polizeigesetz NRW und der Strafprozessordnung auch Regelungen des Ausländerrechts, z.B. im Aufenthaltsgesetz (AufenthG) oder im Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU), Möglichkeiten der Abwehr von Gefahren, die von dem Aufenthalt einer ausländischen Person im Bundesgebiet ausgehen.
In Nordrhein-Westfalen wird den von diesem Personenkreis ausgehenden Gefahren insbesondere für die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland unter Ausschöpfung aller aufenthaltsrechtlichen Möglichkeiten im Rahmen eines ganzheitlichen Bekämpfungsansatzes konsequent begegnet. Im Sinne einer möglichst effektiven Gefahrenabwehr wird insoweit die Rückführung der betreffenden Person – sofern rechtlich und tatsächlich möglich – primär angestrebt.
In Nordrhein-Westfalen sind in den vergangenen Jahren in diesem Aufgabenbereich bemerkenswerte Erfolge und Fortschritte zu verzeichnen. Seit der 2017 eingeführten statistischen Erhebung von durchgeführten Rückführungen von sicherheitsrelevanten Personen (Gefährder, Relevante Personen und sonstige sicherheitsrelevante Personen) wurden in Nordrhein-Westfalen mit Stand vom 30.04.2024 bislang insgesamt 106 sicherheitsrelevante Personen zurückgeführt. Ferner sind insgesamt fünf ausländische sicherheitsrelevante Personen freiwillig überwacht ausgereist.