Toleriert die CDU erneut ein Islamismus-Problem in den eigenen Reihen?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1035
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Markus Wagner vom 09.01.2023

Toleriert die CDU erneut ein Islamismus-Problem in den eigenen Reihen?

Wie aus dem Bericht einer Islamismus-Expertin hervorgeht, hat ein langjähriges Mitglied der CDU Hagen eine herausgehobene Verbindung zu den Grauen Wölfen.1

Sie tritt u.a. als stellvertretende Vorsitzende des Integrationsrats auf.2 Zusätzlich ist sie im Jugendhilfeausschuss sowie in der Gesundheitskonferenz engagiert.3

Außerhalb ihrer kommunalpolitischen Tätigkeit ist sie 2. stellvertretende Vorsitzende im Zentralrat der Muslime (ZMD)4 und – nach mehreren früheren Positionen – seit dem 22. Mai 2022 Generalsekretärin der ATIB (Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V).5

Die ATIB ist neben dem Islamischen Zentrum Hamburg, welches als Außenposten des iranischen Mullah-Regimes gilt6, eines von aktuell mindestens zwei kritischen Mitgliedern im Zentralrat der Muslime. Beide Organisationen sind zugleich Gründungsmitglied des ZMD.

Die vollständige Zusammensetzung des ZMD ist der Landesregierung unbekannt. Auf eine Nachfrage im Rahmen einer Kleinen Anfrage antwortete das Innenministerium, dass zur Aufgabenerfüllung der Landesregierung – trotz der erwähnten Mitgliedschaften der ATIB und des IZH! – grundsätzlich kein Erfordernis für das Vorhalten von Mitgliederlisten des Zentralrats der Muslime besteht. Seit 2016 hat der ZMD keine aktuelle Mitgliederliste veröffentlicht.

In Bezug auf die Mitgliedschaft der ATIB im ZMD, der das langjährige Mitglied der CDU Hagen angehört, bemerkte das Innenministerium allerdings bei dieser Gelegenheit:

„Soweit Organisationen aus dem Spektrum der genannten Dachverbände dem gesetzlichen Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes unterfallen, bestehen lediglich bzgl. dieser Organisationen Kenntnisse zu deren extremistischem Personenpotenzial. Diese Informationen erhebt der Verfassungsschutz auf Basis der ihm gesetzlich zur Verfügung stehenden Mittel sowie aus offen verfügbaren Informationen. Für Nordrhein-Westfalen ist hier die dem Phänomenbereich des auslandsbezogenen Extremismus zugerechnete und im Dachverband ZMD organisierte Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V. (ATIB) mit einem Personenpotenzial von 600 vereinsgebundenen Mitgliedern zu benennen.“7

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ordnete im Jahr 2020 den ZMD-Mitgliedsverband ATIB der türkisch-rechtsextremen Ülkücü-Bewegung8 (Graue Wölfe) zu.9 Ein zentrales Merkmal der Ülkücü-Bewegung sei – laut Aussage des Landesamts für Verfassungsschutz – „die Idealisierung der eigenen türkischen Identität bei gleichzeitiger Herabwürdigung anderer Volksgruppen und politischer Gegner sowie die Erschaffung einer neuen Weltordnung „Nizam-i Alem“ in Form einer Weltherrschaft des Islams unter Führung der türkischen Nation.“

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie bewertet die Landesregierung bzw. das Landesamt für Verfassungsschutz die Mitgliedschaft einer hohen ATIB-Funktionärin in den Reihen der CDU?
  2. Wie bewertet das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration – ggf. nach Rücksprache mit dem Landesintegrationsrat, – aus integrationspolitischer Sicht die führende Position einer ATIB-Funktionärin im Integrationsrat der Stadt Hagen?
  3. Wie viele weitere Mitglieder bzw. Funktionäre der türkisch-rechtsextremen Ülkücü-Bewegung sind nach Kenntnis der Landesregierung bzw. des Landesamtes für Verfassungsschutz aktuell Mitglied im CDU-Landesverband Nordrhein-Westfalen?
  4. Inwiefern gab es in der Vergangenheit Gespräche der Landesregierung mit dem Landesvorsitzenden des ZMD, Samir Bouaissa, zugleich Mitglied der CDU Wuppertal, bezüglich der genannten kritischen Mitglieder sowie der nicht vorhandenen aktuellen Mitgliederliste des ZMD?
  5. Inwiefern wird die Landesregierung die bekannten kritischen Mitglieder sowie die ungeklärte Zusammensetzung des ZMD – im Rahmen des gemeinsamen Dialogs mit dem Islam – auch zukünftig tolerieren?

Enxhi Seli-Zacharias
Markus Wagner

 

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1 Vgl. h t t ps : // v u n v 18 63 . wordpress.com/2023/01/02/graue-wolfe-funktionarin-in-der-cdu-und-im-zmd-vorstand/

2 Vgl. h t t p s : // w w w . c d u-fraktion-hagen.de/ausschussbesetzungen

3 Vgl. h t t p s: / / w w w . ha g e n. d e /w e b / d

e/fachbereiche/fb_ki/fb_ki_07/fb_ki_0704/zusammensetzung.html

4 Vgl. h t t p s : // z en t r a lrat.de/2593.php

5 Vgl. h t t p s : / /z en t r a lrat.de/files/zmd/vorstand/Vita

6 Vgl. h t t p s: / / w w w . n d r.de/nachrichten/hamburg/Islamisches-Zentrum-in-Hamburg-verlaesst-die-Schura,islamischeszentrum114.html

7 Vgl. Lt.-Drucksache 18/901

8 Vgl. Verfassungsschutzbericht NRW 2021; S. 178 ff.

9 Vgl. h t t p s : / / w ww . w e l t .de/politik/deutschland/article211605617/Zentralrat-der-Muslime-Seehofer-hofiert-National-Islamisten.html


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 1035 mit Schreiben vom 7. Februar 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration, der Ministerin für Schule und Bildung sowie dem Minis­ter für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien und Chef der Staatskanzlei beantwortet.

  1. Wie bewertet die Landesregierung bzw. das Landesamt für Verfassungsschutz die Mitgliedschaft einer hohen ATIB-Funktionärin in den Reihen der CDU?

Die Landesregierung hat die Mitgliedschaft einer Person in einer politischen Partei nicht zu bewerten.

  1. Wie bewertet das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration nach Rücksprache mit dem Landesintegrationsrat, aus integrationspolitischer Sicht die führende Position einer ATIB-Funktionärin im In­tegrationsrat der Stadt Hagen?

Die Integrationsräte sowie Integrationsausschüsse sind kommunale Gremien, deren Zusam­mensetzung aus gewählten Mitgliedern der Integrationsräte und -ausschüsse sowie aus eben­falls gewählten Ratsmitgliedern erfolgt. Das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleich­stellung, Flucht und Integration sowie der Landesintegrationsrat haben keinerlei Einfluss auf die Besetzung dieser Gremien. Die Landesregierung nimmt keine Bewertung kommunalpoliti­scher Gremienentscheidungen vor.

  1. Wie viele weitere Mitglieder bzw. Funktionäre der türkisch-rechtsextremen Ülkücü-Bewegung sind nach Kenntnis der Landesregierung bzw. des Landesamtes für Verfassungsschutz aktuell Mitglied im CDU-Landesverband Nordrhein-Westfa­len?

Im Rahmen seines Beobachtungsauftrags liegen dem nordrhein-westfälischen Verfassungs­schutz lediglich Kenntnisse über das extremistische Personenpotenzial einer beobachteten Organisation vor. Eine personenbezogene Statistik über Mitgliedschaften von Ülkücü-Anhä-ngern im CDU-Landesverband NRW wird vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz daher nicht geführt.

  1. Inwiefern gab es in der Vergangenheit Gespräche der Landesregierung mit dem Landesvorsitzenden des ZMD, Samir Bouaissa, zugleich Mitglied der CDU Wup­pertal, bezüglich der genannten kritischen Mitglieder sowie der nicht vorhandenen aktuellen Mitgliederliste des ZMD?

Das Ministerium für Schule und Bildung hat im Zuge der Einrichtung der Kommission für den islamischen Religionsunterricht mehrfach Gespräche mit Herrn Bouaissa geführt. Dabei ging es am 26. Juni 2020 u.a. explizit um die Nähe des Zentralrats der Muslime in Deutschland e.V. (ZMD) zu verfassungsfeindlichen Organisationen.

Am 1. April 2022 kam es zu einem Austausch von mir mit Vertretern des ZMD. An diesem Gespräch nahm auch Herr Bouaissa teil. Im Verlauf dieses Gespräches wurde auch die Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V. (ATIB) angesprochen.

Eine Mitgliederliste des ZMD war kein Thema dieser Gespräche. Hierzu wird nochmals auf die Antwort zu den Fragen 1 bis 3 und 5 der Kleinen Anfrage 333 (LT-Drs. 18/901) verwiesen.

  1. Inwiefern wird die Landesregierung die bekannten kritischen Mitglieder sowie die ungeklärte Zusammensetzung des ZMD im Rahmen des gemeinsamen Dialogs mit dem Islam auch zukünftig tolerieren?

Im Jahr 2020 war zu prüfen, welche islamischen Verbände die Voraussetzungen des § 132a Schulgesetz Nordrhein-Westfalen (SchulG NRW) zur Zusammenarbeit beim islamischen Re­ligionsunterricht erfüllen. Die Landesregierung ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass der ZMD NRW nicht im ausreichenden Maße dargelegt hat, dass er die Gewähr dafür bietet, die Verfassungsprinzipien, die dem staatlichen Schutz anvertrauten Grundrechte der Schülerin­nen und Schüler sowie die Grundprinzipien des freiheitlichen Religionsverfassungsrechts des Grundgesetzes (§ 132a Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 SchulG NRW) zu achten. Die Landesre­gierung NRW hat daher dem ZMD NRW die Zusammenarbeit beim islamischen Religionsun­terricht versagt. Begründet wurde dies mit den Verbindungen des ZMD NRW zu islamischen Organisationen, die verfassungsfeindliche Tendenzen aufweisen (z.B. Muslimbruderschaft und ATIB).

 

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