Kleine Anfrage 4101
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD
Türkische Staatsbürger nehmen trotz geringer Anerkennungsquote in erheblichem Umfang das deutsche Asylsystem in Anspruch
Im ersten Halbjahr 2024 stellten bundesweit 16.641 türkische Staatsbürger einen Asylantrag in Deutschland, darunter 15.782 Erstanträge. Das waren 12,6 % aller Asylanträge.
Im gleichen Zeitraum ergingen 21.326 Entscheidungen über Asylanträge türkischer Staatsbürger. Darunter befanden sich 13.042 Ablehnungen und 6.329 sonstige Verfahrenseinstellungen, insgesamt also 91 % aller Anträge.
Die Anzahl der anhängigen Verfahren beläuft sich auf 53.805, was einem Anteil von 23 % der offenen Verfahren insgesamt entspricht.1
Für weitere Irritationen sorgt der Anteil der Asylantragsteller ohne gültiges Ausweisdokument. Einem Bericht der WELT folgend, legten türkische Staatsbürger – den bekannten Trend anderer Staatsangehörigkeiten folgend – zu 57,5 Prozent keine Papiere vor, mit denen das BAMF sie hätte identifizieren können.2 Das führt zu einer misslichen Lage für die kommunalen bzw. zentralen Ausländerbehörden, wenn es um die vorgesehene Abschiebung der abgelehnten und ausreisepflichtigen Asylbewerber geht.
Irritiert ist man auch bei der WELT. Die Registrierung jedes Neugeborenen sei in der Türkei „unbedingt erforderlich“, wie ein leitender Ministerialbeamter gegenüber WELT AM SONNTAG erläuterte. „Nur per Geburtsurkunde oder einem ‚Nüfus‘, einer Art Personalausweis, sei der Zugang zu Schulen und Gesundheitsversorgung möglich.“
Auch gemäß Bevölkerungsregistrierungsgesetz 5490 müsse jeder türkische Staatsbürger eine Identitätskarte besitzen. Aus dem BAMF heißt es zudem, dass die Mehrheit in Anhörungen „kaum etwas Substanzielles“ berichten könne, um eine Verfolgung zu belegen. Trotzdem seien Abschiebungen insbesondere durch fehlende Ausweispapiere und bürokratische Hindernisse erheblich erschwert. Sammelrückführungen per Charter-Flugzeug würden abgelehnt.
„Ich sage Ihnen – wenn wir nicht aufpassen, wen wir reinholen, werden wir das über Abschiebungen nie lösen, das ist unglaublich kompliziert“, resümiert ein Abschiebungspolizist gegenüber der WELT.
Als Fazit lässt sich festhalten, dass die durch den Bundeskanzler wohlfeil angekündigten „Abschiebungen im großen Stil“ selbst beim NATO-Partner Türkei kläglich scheitern. Ganz im Gegenteil explodieren die Zugangszahlen aus der Türkei, während Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber zum Scheitern verurteilt sind. Wurden im Jahr 2015 noch 1.500 Asylanträge türkischer Staatsbürger verzeichnet, waren es 2023 bundesweit bereits 61.1813, das alles wohlgemerkt in Bezug auf ein Haupturlaubsland auch deutscher Touristen.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Wie viele türkische Staatsbürger mit anerkanntem Schutzstatus befinden sich aktuell in NRW? (Bitte differenziert nach Schutzstatus und Anzahl listen)
- Wie hoch ist hierbei der Anteil der kurdischen Bevölkerungsgruppe?4
- Wie viel ausreisepflichtige türkische Staatsbürger befinden sich aktuell in NRW? (Bitte auch hier den Anteil der kurdischen Bevölkerungsgruppe angeben5)
- Welche Angaben zum Anteil türkischer Asylbewerber bzw. abgelehnter, ausreisepflichtiger Asylbewerber in NRW ohne geeignete Ausweispapiere liegen der Landesregierung vor?
- Mit welchen Maßnahmen wird die Landesregierung zukünftig der offensichtlichen Diskrepanz begegnen, dass die hohe Anzahl ausreisepflichtiger türkischer Staatsbürger, resultierend aus einer geringen Anerkennungsquote, den geschilderten Problemen im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen gegenübersteht?
Enxhi Seli-Zacharias
4 Sollten keine genauen Zahlen vorliegen, bitten wir um eine Schätzung.
5 Sollten keine genauen Zahlen vorliegen, bitten wir um eine Schätzung.
Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 4101 mit Schreiben vom 14. August 2024 namens der Landesregierung beantwortet.
- Wie viele türkische Staatsbürger mit anerkanntem Schutzstatus befinden sich aktuell in NRW? (Bitte differenziert nach Schutzstatus und Anzahl listen)
Im Ausländerzentralregister sind zum Stichtag 30.06.2024 für Nordrhein-Westfalen insgesamt 7.813 Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund eines Schutzstatus erfasst.
- Wie hoch ist hierbei der Anteil der kurdischen Bevölkerungsgruppe?
Der Landesregierung liegen keine Informationen im Sinne der Fragestellung vor. Die angefragten Daten werden statistisch nicht erfasst.
- Wie viel ausreisepflichtige türkische Staatsbürger befinden sich aktuell in NRW? (Bitte auch hier den Anteil der kurdischen Bevölkerungsgruppe angeben)
Im Ausländerzentralregister sind zum Stichtag 30.06.2024 insgesamt 3.020 ausreisepflichtige türkische Staatsangehörige für Nordrhein-Westfalen registriert.
- Welche Angaben zum Anteil türkischer Asylbewerber bzw. abgelehnter, ausreisepflichtiger Asylbewerber in NRW ohne geeignete Ausweispapiere liegen der Landesregierung vor?
Der Landesregierung liegen mangels statistischer Erfassung der erfragten personenbezogenen Historie keine Informationen im Sinne der Fragestellung vor.
- Mit welchen Maßnahmen wird die Landesregierung zukünftig der offensichtlichen Diskrepanz begegnen, dass die hohe Anzahl ausreisepflichtiger türkischer Staatsbürger, resultierend aus einer geringen Anerkennungsquote, den geschilderten Problemen im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen gegenübersteht?
Das Land Nordrhein-Westfalen prüft kontinuierlich alle in Betracht kommenden Optimierungsmöglichkeiten im Bereich der Rückführung.
Um die kommunalen Ausländerbehörden in Nordrhein-Westfalen bei der Identitätsklärung zu unterstützen und diese so weiter zu entlasten, wurden die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) Bielefeld für die Regierungsbezirke Arnsberg, Detmold und Münster sowie die ZAB Essen für die Regierungsbezirke Düsseldorf und Köln bereits mit der Durchführung der Datenträgeraus-wertung zwecks Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit gemäß § 48 Abs. 3 und Abs. 3a des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) beauftragt. Durch den Aufwuchs auf zunächst rund 30 Personenbegleitkräfte im Bereich der Zentralen Ausländerbehörden unterstützt das Land zudem die primär verantwortliche Bundespolizei bei begleiteten Flugabschiebungen und Sammelchartern.
Daneben sollen zur Entlastung der kommunalen Ausländerbehörden die fünf Zentralen Ausländerbehörden gestärkt werden. Diese sind in Nordrhein-Westfalen insbesondere für die Rückführung ausreisepflichtiger Personen aus Unterbringungseinrichtungen des Landes zuständig. Zur Stärkung der Zentralen Ausländerbehörden wurde der Ansatz im Haushaltstitel 633 10 „Erstattung der Kosten der Zentralen Ausländerbehörden“ für das Haushaltsjahr 2024 um 5 Mio. EUR erhöht. Mit den zusätzlich bereitgestellten Mitteln sollen die Zentralen Ausländerbehörden personell gestärkt und die sachlichen Ressourcen ausgebaut werden, um Rückführungsmaßnahmen konsequenter aus den Landeseinrichtungen durchführen zu können.
Nordrhein-Westfalen setzt sich auch im Übrigen über die Landesgrenzen hinaus aktiv für eine weitere Verbesserung des gesamtstaatlichen Rückkehrmanagements ein und steht mit dem Bund hierzu in einem engen Austausch. Ein wesentliches Hindernis bei der Durchführung von Rückführungsmaßnahmen ist und bleibt in vielen Fällen die fehlende Kooperationsbereitschaft bestimmter Herkunftsländer bei der Rückübernahme ihrer Staatsangehörigen. Hier bleibt der Bund weiterhin gefordert, mit relevanten Zielstaaten stabile und praxiswirksame Rahmenbedingungen insbesondere in den relevanten Bereichen Passersatzbeschaffung und Flugabschiebung zu erreichen.